Arbeiten 4.0 – Alles bleibt anders

Der Arbeitsplatz gleicht einem Abenteuerspielplatz. In den Büroecken stapeln sich Sitzsäcke, in offen gestalteten Gängen sind überall Ruheecken verstreut, wo kostenlose Snacks und Getränke zum Verweilen einladen. Die Platzwahl ist frei, sogar draußen darf bei schönem Wetter gearbeitet werden.

Elsa Koller-Knedlik von der Bundesagentur für Arbeit. Foto: David Papaja

Ein Beitrag von David Papaja

Auch Tischtennis und ein Kicker fehlen nicht. Eine solche Arbeitsatmosphäre gibt es nur bei Google? In Zukunft womöglich auch in deutschen Büros.

Besprochen werden diese und ähnliche Trends und Konzepte rund um die Arbeitswelt der Zukunft bei der Web Week-Konferenz „Arbeiten 4.0“. Neben Vorträgen hochkarätiger Experten diskutieren Personalleiter und andere Teilnehmer über die Zukunft der Arbeit in einem sogenannten „BarCamp“, einer offenen Runde, die von den Teilnehmern gestaltet wird. Nicht nur die Gestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft trifft hier auf reges Interesse, sondern besonders die grundsätzlichen Fragen. Ist mein Arbeitsplatz in Zukunft sicher oder werden Maschinen und Algorithmen meine Aufgaben erledigen? Steuern wir gar auf einen Ausbruch von Massenarbeitslosigkeit zu? „Es werden sicherlich Arbeitsplätze verloren gehen, aber es werden genauso neue entstehen“, meint Zukunftsforscher Klaus Burmeister. Solche Horrorszenarien werden nicht selten von Studien prophezeit. Allerdings gibt es mindestens genauso viele Studien, die ein deutlich positiveres Bild zeichnen. „Dass in Zukunft bis zu 60 Prozent der Arbeitsplätze im Zuge der Digitalisierung wegfallen könnten, verkauft sich natürlich deutlich besser, als zu behaupten, es wären nur 15 Prozent“, sagt die Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Nürnberg, Elsa Koller-Knedlik. „Die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichten 15 Prozent ist die weitaus realistischere Zahl, da hier auch mögliche neue Beschäftigungsfelder berücksichtigt werden.“ Also doch kein Grund zur Panik? „Das größere Problem ist, wo werden diese entstehen und wer bildet die Arbeitskräfte aus?“, fragt Burmeister.

Nicht immer und überall

 

Mindmap. Foto: Tobias Rühl

Nicht nur Arbeitsplätze sind Thema, sondern auch der Arbeitnehmer. Hier steht vor allem die Gesundheit im Mittelpunkt. Denn in Zukunft wird Arbeit deutlich flexibler, was eine erhöhte Belastung sowie die Vermischung von Arbeit und Freizeit zur Folge haben kann. Hier muss die Regel gelten: Aus der Möglichkeit des „Anytime-Anyplace“ darf für Beschäftigte nicht das Diktat des „Always and Everywhere“ werden. Einige junge Start-Ups wollen direkt bei der Arbeitszeit ansetzen, um die Belastung zu mindern und Mitarbeitern mehr Zeit für Familie und Freizeit zu ermöglichen. Ein Beispiel ist das kalifornische Start-Up-Unternehmen Tower. Dessen Gründer Stephan Aarstol hat für alle seiner Mitarbeiter den Fünf-Stunden-Tag eingeführt – auf freiwilliger Basis. Weniger zu tun gibt es für sie indes nicht. Das Modell soll einen Anreiz bieten, weniger Arbeitszeit für unnötige E-Mails, Privatangelegenheiten, Internetsurferei, Kaffeepausen und Tagträumen zu verschwenden, und stattdessen durch effizienteres Arbeiten mehr Zeit für sich selbst zu gewinnen. Der Erfolg gibt dem Jungunternehmer Recht. Seit der Umstellung stiegen Towers Umsätze um 40 Prozent, bei gleichbleibenden Lohnkosten.

 

Büros mit Kinderspielecke

Das Interesse an den Vorträgen war groß. Foto: David Papaja

Ganz so radikale Schritte geht man bei der DATEV in Nürnberg nicht, wenngleich auch hier viel in die Zukunft der Arbeit investiert wird. Zuletzt in einen Neubau, in dem innovative Bürokonzepte getestet werden. Einen festen Schreibtisch, auf dem man seine Habseligkeiten drapiert, gibt es hier nicht. Stattdessen arbeitet man nach dem „Shared-Desk“-Prinzip, das bedeutet es gibt weniger Arbeitsplätze als Mitarbeiter. Sie können „ihren“ Arbeitsplatz täglich frei wählen. „So eine Umstellung geht natürlich nicht ganz ohne Widerstand vonstatten. Einige Mitarbeiter sahen das anfangs extrem kritisch“, sagt Stefan Scheller, verantwortlich für das Thema Arbeitgebermarke sowie strategische Personalprojekte bei der DATEV. Auch abgetrennte Büros mit Kinderspielecke samt Wickeltisch sind in dem neuen Bürokomplex vorhanden. „Es kann immer mal wieder einen Notfall geben. Auch ich habe meine kleine Tochter schon mit zur Arbeit gebracht und es hat super geklappt“, erzählt der Familienvater.

 

 

 

 

 

Interview mit Elsa Koller-Knedlik auf der „Konferenz Arbeiten 4.0“
bei der Nürnberg Web Week            

Frau Koller-Knedlik leitet seit 2007 als Vorsitzende der Geschäftsführung die Arbeitsagentur Nürnberg. Foto: David Papaja

 

Frau Koller-Knedlik, wird es in Zukunft trotz Digitalisierung möglich sein, dass möglichst alle Menschen Arbeit haben? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Ich sage beruflich und persönlich mit voller Überzeugung: Wir werden daran arbeiten. Unser Auftraggeber ist die Politik, der Gesetzgeber, und der soziale Auftrag geht in Richtung Vollbeschäftigung. Ich denke, das ist mit Arbeit 4.0 und den neuen Entwicklungen möglich, denn es gibt sehr viele Chancen. Es werden sicherlich bei einigen Berufen Tätigkeitsfelder von Maschinen oder Algorithmen erledigt werden, aber daneben entstehen neue Möglichkeiten. Ich bin ganz optimistisch, dass auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen entstehen, die momentan Schwierigkeiten haben, weil sie keine höheren Qualifikationen erwerben können.

 

Das Sammeln von Daten und ihre Nutzung wird immer bedeutsamer. Kann der Anspruch auf Datenschutz gewahrt werden?

 Ich denke schon. Die gesellschaftliche Diskussion hat gerade begonnen. Dafür ist ein Konsens in der Gesellschaft erforderlich. Es stellt sich die Frage, was mit den Daten passiert, wie wir vorgehen wollen.

Die Arbeitswelt der Zukunft wird flexibler werden. Muss sich der Mensch an die Entwicklung anpassen? Brauchen wir einen „Menschen 4.0“?

In gewisser Weise sicherlich. Wenn wir uns die revolutionären Entwicklungen der letzten 100 Jahre ansehen, glaube ich, hat der Mensch es immer geschafft, etwas Positives daraus zu ziehen. Ein kleines Beispiel: Auch in Personalabteilungen ist sehr viel substituierbar. Ich habe einen Personalleiter erlebt, der auf die Frage, ob seine Aufgaben denn bald von einer Software übernommen werden, nicht platt mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet hat. Er erzählte vom Anfang seiner Ausbildung 1960. Damals wurden Lohnabrechnungen noch ausgedruckt, es wurde Bargeld abgezählt, in eine Tüte gesteckt und persönlich ausgehändigt. Er fragte ins Team, ob jemand heute noch so arbeiten wolle. Natürlich lautete die Antwort „Nein“. Für mich ist das ein plastisches Beispiel dafür, dass sich zwar viel verändern wird, wir diese neuen Hilfsmittel aber alle lieben werden, so wie viele von uns auf das Smartphone nicht mehr verzichten möchten. Es wird anders werden und bestimmte Tätigkeiten werden einfach anders aussehen. Ich appelliere daran, sich bereits jetzt vorzubereiten, ob in der Schule oder der beruflichen Weiterbildung, um die Chance zu haben, die neuen Möglichkeiten als positiv kennenzulernen. Man muss sich darüber bewusst werden, dass wir Menschen uns immer weiterentwickeln werden. Dann ist man gut gerüstet für 4.0.

 

 

 

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