Bald fliegen keine Späne mehr

Auch heute gibt es noch echte Drechsler, allerdings könnte der Beruf bald aussterben. Frank Grottenthaler ist der letzte Berufsdrechsler in Nürnberg. Sein Betrieb hat überlebt, weil er sich spezialisiert hat.

Ein Beitrag von Fabiana Hörmann

„Kommens rein. Ist nur noch etwas kalt. Ich hab grad erst angeschürt“, grüßt der Drechslermeister. Beim Betreten seiner Werkstatt steigt einem sofort der Geruch von Holz in die Nase. Ein Holzofen sorgt für etwas Wärme. Grottenthaler steht an einer der Werkbänke und spannt gerade ein Stück Holz in seine Drehbank ein. An einer Leiste an der Wand sind etwa 60 verschiedene Meißel und Bohrer aufgereiht. Er zieht einen davon heraus und schaltet die Drehbank ein. Sofort beginnt sich das Werkstück zu drehen. Mit viel Fingerspitzengefühl setzt der Drechslermeister den Meißel am Werkstück an und nimmt so Millimeter für Millimeter vom Holz weg. Späne fliegen durch die Gegend, unter den Werkbänken liegen bereits große Haufen davon. „Die verheize ich nachher“, sagt er mit Blick zum Ofen.

Zauberhafte Kunden

Frank Grottenthaler vor dem Werkstatt-Schild seines alten Meisters             Foto: Oliver Frank

Grottenthalers Drechslerei ist ein Ein-Mann-Betrieb. Zu Zeiten seines Meisters Gustav Vierlinger haben noch sechs Mann Schulter an Schulter an den Werkbänken gearbeitet. Die Werkstatttür ziert immer noch das Namensschild von damals. Darunter der Zusatz: Spezialität: Zauber-Apparate. Seit den Tagen seines alten Meisters werden in der Drechslerei die Werkstücke angefertigt, die ein Zauberer zum Zaubern braucht. Speziell nach Wunsch und Art des Tricks erarbeitet Grottenthaler die verschiedensten Requisiten. Von einer Stange grinst frech das Skelett einer Marionette.  „Das ist ein Prototyp für einen Magier aus Holland“, erzählt er. Seine Kunden kommen aus aller Welt, weil sie niemanden sonst finden konnten, der solche Gegenstände noch herstellen kann. Neben solchen Aufträgen drechselt Grottenthaler auch Stuhlbeine für Tischler oder verkauft Weihnachtskugeln aus Holz auf dem Markt des Fembo-Hauses. Aber hin und wieder erhält er auch ungewöhnliche Aufträge. So hat er zum Beispiel schon Kutschenteile für Queen Elizabeth gefertigt.

Der letzte Drechsler in Nürnberg

Frank Grottenthaler ist seit 30 Jahren Drechsler. Doch der Beruf stirbt langsam aus. Die Mittelfränkische Innung, in der der Mittvierziger Großmeister ist, besteht heute nur noch aus drei Leuten. Es kommen schon lange nicht mehr genug neue Drechsler nach. Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks gab es letztes Jahr gerade einmal elf Drechslerlehrlinge in ganz Deutschland. Grottenthaler ist Drechsler in fünfter Generation, aber auch er wollte erst gar nicht Drechsler werden. „Ich wollte eigentlich ins Büro“, gesteht er. „Wenn der alte Meister meines Vaters mir nicht angeboten hätte, seine Werkstatt zu übernehmen, wäre ich nie Drechsler geworden.“

Dass es heutzutage nur noch so wenige Drechsler gibt, liegt nicht daran, dass die Menschen Gedrechseltes nicht mehr kaufen. „Das Problem ist, dass es immer mehr Hobbydrechsler gibt“, beklagt Grottenthaler. Sie drechseln nebenher in ihrer Garage und verkaufen ihre Werkstücke dann an Freunde und Bekannte. Bei diesen Freundschaftspreisen kann ein Berufsdrechsler, der von seiner Arbeit leben muss, nicht mithalten. Die Zahl der Hobbydrechsler hat auch deshalb so stark zugenommen, weil die Handwerksverordnung seit 2003 keinen Meistertitel mehr vorschreibt, um einen Betrieb zu eröffnen. Jeder der Lust dazu hat und glaubt, das erforderliche Können zu haben, darf also eine eigene Drechslerwerkstatt eröffnen.

Ein weiterer Grund, warum es viele Berufsdrechsler so schwer haben, ist die Nachfrage der Kunden nach Holz aus nachhaltigem Anbau. Kleinere Betriebe können es sich schlicht und einfach nicht leisten, Geld für Holz mit Öko-Siegel auszugeben. Zum Abschied demonstriert er einen kleinen Zaubertrick und verwandelt ein Taschentuch in ein kleines Holzei.

(Der Trick besteht darin, dass das Ei innen hohl ist und der Zauberer das Taschentuch durch ein Loch, dass von der Hand verdeckt wird, hineinstopft. Nicht weitersagen!)

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