Professor Ralf Bogdanski bei seinem Vortrag über nachhaltige Adresszustellung. Foto: Julian Hörndlein

Fahrräder zur Paketzustellung: Fast so effizient wie der Lieferwagen

Keine Elektroautos, keine Fahrzeuge mit Gasantrieb: Eine nachhaltige Paketzustellung kann in der Zukunft mit Liefer-E-Bikes stattfinden.

Ralf Bogdanski, Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg, und sein Mitarbeiter Marius Bayer vom Kompetenzzentrum Logistik haben ein Konzept zur nachhaltigen Stadtlogistik entwickelt, das in Nürnberg bereits angewendet wird. Am Anfang steht die Untersuchung des herkömmlichen Zustellkonzeptes. Eine normale Paketlieferung kommt in der Stadt an, beispielsweise im Nürnberger Hafen; dann wird sie über die sogenannte „letzte Meile“ in die Innenstadt gebracht. „Die letzte Meile verursacht etwa 60 Prozent der Gesamtkosten einer Paketzustellung“, erklärt Ralf Bogdanski. Dazu käme, dass dieses letzte Stück fast ausschließlich mit Dieselfahrzeugen befahren würde. Umweltfreundlichkeit und Kosteneffizienz sehen also anders aus. Der Sachverhalt gibt Bogdanski den Vorwand, sich über alternative Antriebstechnologien von Lieferfahrzeugen Gedanken zu machen. Von der Reichweite her existieren zurzeit schon Elektrofahrzeuge, die für den Lieferverkehr geeignet wären. Allerdings sind diese oft nicht groß genug. Mit Erdgasfahrzeugen sieht es ähnlich aus: „Die Tankstellendichte in Städten würde ausreichen, aber es gibt für Unternehmen einfach keine Investitionssicherheit“, weiß Bogdanski. Das sei auf nicht ganz eindeutige Gesetzeslagen zurückzuführen.

Um das Problem zu lösen, haben Bogdanski und Bayer zwei Studien durchgeführt. In der ersten Studie aus dem Jahr 2015 ist die Häufigkeit der Zustellkonzepte überprüft worden. Laut Bogdanski würden 95 Prozent des Lieferverkehrs noch mit der Adresszustellung abgewickelt, Drohneneinsätze etwa, anders als in den Medien oft dargestellt, seien vernachlässigbar. In der zweiten Studie ist die Anzahl der Lieferfahrzeuge in Berlin, München und Hamburg gemessen worden.

In einer ersten Studie wurde die bestehende Zustellungsinfrastruktur erfasst. Foto: Julian Hörndlein

Fahrradzustellung bereits im Feldversuch

Um die Adresszulieferung nachhaltiger zu gestalten, sehen Bogdanski und Bayer bei ihren Forschungen nur noch das Fahrrad mit Elektromotor (Pedelec). Um die kleineren Reichweiten von Lastfahrrädern zu kaschieren, müssen sogenannte Mikrodepots eingerichtet werden, also kleine Paketzentren, die etwa in Wohnorten platziert und in denen die Pakete von den Lastwagen auf die Fahrräder verteilt werden. In Nürnberg sind die Entwickler bereits mit den Paketdiensten GLS und DPD Kooperationen eingegangen. Nach einem mehrmonatigen Test startete der Feldversuch am 16. März 2017. Dabei hat GLS den Bereich der Innenstadt übernommen; DPD liefert in der Südstadt Pakete mit dem Fahrrad aus. Die Anzahl der Sprinter-Lieferfahrzeuge ist von zehn auf sechs verkleinert worden; eine Reduktion auf drei Lieferwagen ist in Zukunft möglich. „Die Fahrräder sind sehr ökologisch. Nach unseren Hochrechnungen können wir pro Jahr über 56 Tonnen CO2 einsparen“, sagt Marius Bayer mit Blick auf die ersten Ergebnisse. Bogdanski hofft, bis zu 30 Prozent des kompletten Adresszustellungsbetriebs mit Elektrofahrrädern abwickeln zu können. Tatsächlich werden mit den Fahrrädern nur unmerklich weniger Pakete ausgeliefert. „Ein geübter Zusteller auf dem Fahrrad schafft pro Tag 100 Stopps, mit dem Lieferwagen sind es nur 20 mehr“, stellt der Forscher fest.

Klimaneutrale Paketzustellung Foto: Ralf Bogdanski

Ausweitung auf Ingolstadt

Für die Entwickler gibt es noch Probleme, die angepackt werden müssen: Die sonderangefertigten Lastenfahrräder haben eine sehr lange Produktionszeit, auch müssen durchgehend freie Plätze für Mikrodepots bereit stehen. Diese können sich in gewerblichen Immobilien, Garagenhöfen oder Parkhäusern befinden und benötigen nur 70 bis 100 Quadratmeter Fläche. Für die Zukunft planen Bogdanski und Bayer die Weiterentwicklung ihres Konzepts. DPD möchte ein ähnliches System in Ingolstadt etablieren, auch die Versorgung des Nürnberger Stadtgebiets soll vorangetrieben werden. Der Ingenieur  kann sich auch vorstellen, mobile Depots einzurichten, die etwa nur für 30 Minuten auf Parkplätzen stehen und dann weiter fahren.

Der geringere Platzbedarf ist ein weiterer Vorteil Foto: Ralf Bogdanski

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