Hier tickt’s noch richtig

Smartphones und Tablets stören mechanische Armbanduhren durch ihr Magnetfeld. Ein Besuch in der Uhrmacherei vom Juwelier Kuhnle in Fürth zeigt, wie die Handwerksmeister mit neuen aber auch bekannten Aufgaben umgehen.

Stille im Raum. Ein Klicken. Dann ein zweites. Die Verschlussschrauben lösen sich. Werkstattleiter Michael Schachtner legt den kleinen Schraubenzieher auf die Seite und greift zur Pinzette. Nur wenige Zentimeter mit der Lupe am Auge von dem Uhrengehäuse auf dem Tisch entfernt, hebt er den Glasboden an. Zum Vorschein kommt das Innenleben der Armbanduhr. Filigran gearbeitete Zahnräder aus Silber und Gold. Unermüdlich bewegt sich das Antriebspendel, fachlich Anker genannt, in einer dreiviertel Drehung. Leise hört Schachtner es ticken. Mit geübtem Auge folgt er der rhythmischen Bewegung. Der Blick ins Innere bestätigt ihm nur, was das Messgerät am Computer vorhergesagt hat. Die Schwingungsamplitude des Ankers liegt weit unter 270 Grad, was nach Herstellernorm eine „gesunde Uhr“ auszeichnet.

Schachtner beginnt mit der Analyse, indem er die Uhr Teil für Teil auseinanderbaut, denn eines weiß er schon mit Sicherheit: Der Fehler ist kein alltäglicher. Schließlich hat er zuvor die Armbanduhr bereits mit einem Spezialgerät entmagnetisiert. „Magnetismus im heutigen Ausmaß ist ein relativ neuer Störfaktor für mechanische Uhren“, sagt Schachtner.

Werkstattleiter Michael Schachtner beim Öffnen eines Uhrengehäuses. Foto: Christian Kalis

Magnetismus durch Smartphones und Tablets

Durch die ständige Nutzung von Smartphone und Tablet in der Nähe von Armbanduhren baut sich in deren metallischen Bauteilen ein Magnetfeld auf. Dieses führt zu einer kleineren Pendelbewegung des Ankers, da der Widerstand in der Spiralfeder, welche die Zahnräder antreibt, ansteigt. Als Resultat sinkt die Schwingungsamplitude und die Uhr bleibt öfter stehen. Dank der Entmagnetisierungsmaschine ist dieser Fehler leicht und ohne großen Zeitaufwand zu beheben. „Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie viel Magnetismus eigentlich durch Smartphones und Tablets freigesetzt wird“, erklärt der Uhrmacher.

Abwechslung gehört dazu

Während die Kleinteile der zerlegten Armbanduhr in einer speziellen Waschmaschine von Ölrückständen gereinigt werden, widmet sich Schachtner einer, auf den ersten Blick, gröberen Arbeit. Sein feiner Arbeitskittel weicht Schutzbrille und Gehörschutz. Unter 100 unterschiedlichen Schleifpapierarten und Vorspannvorrichtungen wählt er die passenden Komponenten für die nächste Uhr aus. Anschließend poliert er den Rahmen neu. Grobe Kratzer und Gebrauchsspuren bearbeitet Schachtner so lange, bis sie für das bloße Auge nicht mehr sichtbar sind. Diese Aufgabe fällt, laut Schachtner, die nächsten Wochen öfter an. „Die Ästhetik ist den Kunden nach wie vor am wichtigsten. Besonders jetzt, zur Vorweihnachtszeit erhalten wir viele Aufträge zur Aufbereitung alter Modelle, die als Geschenk dienen sollen.“

Die erste Armbanduhr ist sauber. Schachtner legt alle Bauteile auf seinen Arbeitsplatz und das geschliffene Gehäuse der zweiten Uhr in die Waschmaschine. Mit dem gleichen Feingefühl wie beim Zerlegen setzt er die Uhr mit den ausgetauschten Teilen wieder zusammen. Er ölt die Zahnräder neu und legt abschließend einen Dichtring unter die Abdeckung.

Fertig.

Moderne Flachbildschirme neben Werkzeug für die Feinarbeit. Der moderne Arbeitsplatz eines Uhrenmachers. Foto: Christian Kalis

Viele Augen sehen mehr als zwei

So scheint es jedenfalls. Schachtner stellt die Uhr nur grob ein und gibt sie den Verkäufern im Laden zum Testen. „Die im Laden prüfen dann, ob alle Verschlüsse sitzen oder etwas klemmt. Man selbst wird durch die Routine irgendwann blind für kleine Fehler in der Bedienbarkeit“, erklärt Schachtner mit einem Lachen. Später, wenn er das Okay der Verkäufer bekommt, wird Schachtner die Uhr ein zweites Mal zerlegen und erneut Reinigen, um sie anschließend ein zweites Mal zusammenzubauen. Um zu garantieren, dass der Kunde eine hundertprozentig saubere Uhr erhält. Jeder der vier Uhrenmacher in der Werkstatt schafft es dadurch, maximal zwei Uhren am Tag zu reparieren. „Das gehört zu unserem Service, denn Verunreinigungen sind die zweithäufigste Fehlerquelle“, sagt Schachtner, während im Hintergrund das schnell vertraut gewordene Piepsen des Entmagnetisierers ertönt.

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