„Sie nannten mich oft Schaumschläger“

Ein fiktives Interview mit einem mechanischen Handrührgerät über das Leben als Küchenhilfe in einem wohlhabenden Haushalt.

Ein Beitrag von André Dyntar

Das erste Handrührgerät ist 1856 im US-amerikanischen Baltimore, Maryland, von dem Blechschmied Ralph Collier entwickelt worden. Diese Art von Schneebesen war für den privaten Gebrauch gedacht. Im fiktiven Interview gibt das Handrührgerät einen Einblick in das Leben, Wirken und die Denkweise eines Küchengeräts.

Einfache und zuverlässige Mechanik Foto: André Dyntar


Wenn Sie heute Ihre Nachfahren sehen, was empfinden Sie dabei?
Ich bin glücklich und traurig zugleich. Denn einerseits freut es mich, dass ich so viele Nachkommen habe. Allerdings ist es schon wirklich schade, wie gebrechlich diese zum Teil sind. Ich bin aus robustem Metall und Holz. Meine Kinder und Kindeskinder bestehen fast nur noch aus Plastik. Das finde ich sehr schade.

Aber sind Sie nicht stolz darauf, wie sehr Sie sich weiterentwickelt haben und welche enorme Leistung Ihre Nachfolger bringen?
Natürlich bin ich das. Allerdings hat sich auch das Arbeitsumfeld stark verändert. Sehr viele meiner Nachfolger kommen aus China und sind für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke zu haben. Ich komme aus den USA und stand zu meiner Anfangszeit nur sehr wohlhabenden Familien zur Verfügung.

Sie erzählen von „wohlhabenden Familien“. Was muss ich mir darunter vorstellen?
Menschen, die nicht selbst kochen mussten, sondern Angestellte hatten, die für sie gekocht haben. Oft gab es dort einen Hausherrn, der meist einen sehr strengen Ton an den Tag legte. Die Haushälterinnen unterhielten sich, wenn er nicht in der Küche war, darüber, wie schlecht er sie behandelt. Vor allem wollte er immer alles sofort haben, aber die Zubereitung einiger Speisen dauerte eben eine gewisse Zeit.

Ein alter Handrührer Foto: André Dyntar

Also waren Sie eine Art „Erlöser“ für die Haushälterinnen?
Als Erlöser würde ich mich nicht bezeichnen, aber ich war eine enorme Hilfe. Als ich mich das erste Mal in einer Küche befand, war ich sehr überrascht darüber, wie die Haushaltshilfen bisher Zutaten zubereitet haben. Sie hatten bisher ein Geflecht aus Zweigen zum Schlagen verwendet. Ich war mit meinen rotierenden Armen aus Eisen deutlich effizienter.

Was waren die Folgen dieser Effizienz?
Es wurde gebacken und gekocht, als gäbe es kein Morgen. Vor allem wurde ich dafür verwendet, Eiklar so lange zu schlagen, bis es schaumig war. Deshalb auch der Name „Schaumschläger“. Es wurden die unterschiedlichsten Gerichte und Gebäcke kreiert und mit verschiedensten Zutaten verfeinert. Die Haushälterinnen freuten sich über meine Arbeit und waren froh, weniger Zeit und Energie aufbringen zu müssen.

Was bedeutete diese Effizienz für das Personal? Gab es Entlassungen?
In erster Linie bedeutete das erst einmal eine Arbeitsersparnis ohne weitere Folgen. Doch als sich um die 1950er Jahre die Technik weiterentwickelte und vor allem die Elektronik eine immer größere Rolle spielte, kam es zu einem Umbruch.  Meine mit Elektronik versehenen Nachfolger waren soweit mich abzulösen. Dies bedeutete weniger Personalbedarf in den Küchen, da im elektrifizierten Betrieb noch effizienter gearbeitet werden konnte.

Das klingt, als hätten Ihre Nachfolger dafür gesorgt, dass viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben?
So einfach kann man das nicht pauschalisieren. Natürlich führte der technische Fortschritt zu einem Rückgang der Angestellten in privaten Haushalten. Allerdings war es Dank dem Fortschritt der Industrie und der Metallverarbeitung möglich, höherwertige Werkzeuge zu günstigeren Preisen anzubieten. So wurde es auch normalen Familien ermöglicht, sich Küchenwerkzeuge wie Mixer und Ähnliches zu leisten.

Was denken Sie über diese Entwicklung? Wo führt der andauernde Fortschritt hin?
Ich bin der Ansicht, dass jede Ära zu Ende geht, so auch meine. Es müssen Platz und Kapazitäten für Neues geschaffen und Veränderungen akzeptiert werden. Die Welt entwickelt sich ständig weiter. So werden auch meine Nachfahren durch Weiterentwicklungen wie den Thermomix ersetzt werden, bis die Küche eines Tages komplett autonom Gerichte zubereiten kann.

Wenn Sie ihr Leben rückblickend betrachten, sind Sie zufrieden?
Da ich lange Zeit ein Patent auf meine Funktionalität hatte, bin ich sehr stolz auf mein damaliges Wirken. Ich sehe mich als Gründervater vieler Küchengeräte. Ich freue mich zu sehen, dass die grundlegende Idee von rotierenden Armen beibehalten und optimiert wurde, auch wenn es manchmal an der Qualität mangelt. Solange das zubereitete Essen schmeckt und ich nicht komplett in Vergessenheit gerate, bin ich zufrieden.

Mittlerweile historische Haushaltsgeräte Foto: André Dyntar

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