Naturstimme aus Fürth

Im Jahr 2021 feiert Reinhard Scheuerlein sein 40-jähriges Jubiläum als PR-Praktiker beim BUND Naturschutz in Fürth. Eine Beziehung, die damals harmlos mit Basteln von Vogelnesten anfing, veränderte sein Leben und brachte ihn letztendlich zu seinen festen Positionen.

Ein Beitrag von Elen Brauer-Martynov

Geschäftsführer der Erlanger Kreisgruppe, Referent in der Oberpfalz und ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender in Fürth. Reinhard Scheuerlein und seine Frau wohnen seit 20 Jahren in ihrem Haus im Fürther Stadtgebiet. Eine ganz bewusste Entscheidung, denn ihnen waren kurze Wege wichtig. Die Kinder haben sich mittlerweile selbstständig gemacht und sind aus dem Haus gezogen. Auch wenn die einzige Vegetarierin – seine Tochter – das Nest verlassen hat, achtet der 57-Jährige weiter auf seine Gewohnheiten und die Ernährung. Auf den Tisch kommt sehr wenig Fleisch, nur aus dem regionalen Angebot und von bestätigten Bio-Lebensmittelhändlern. Früher waren die Schwiegereltern Metzger mit eigener Bio-Zulieferung, nun muss er sich auf den Bio-Handel verlassen. Dabei vermeidet der Naturschützer EU-Produkte, denn es ist seiner Meinung nach nicht ausgeschlossen, dass parallel konventionelle Zucht stattfindet und in den Europäischen Produktionsstätten die entsprechenden Richtlinien nicht eingehalten werden. Der Gelbe Sack ist bei der Familie Scheuerlein alle zwei Wochen mit nur 20 bis 30 Zentimeter Plastik gefüllt und geheizt wird effizient, mit der Wärme, die bei der Energieproduktion des nahen Kraftwerks ohnehin verloren ginge. Der Klimawandel war ihm in seiner beruflichen und privaten Laufbahn stets bewusst. Und gerade die Flora- und Fauna-Veränderungen, die mit klimatischen Extremwetterereignissen zu tun haben, bereiten dem 57-Jährigen am meisten Sorgen.

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1981 haben sie sich dafür entschieden, beim Bund Naturschutz (BN) mitzuwirken. Was hat Sie dazu bewegt?
Ich hatte mich damals viel mit dem Thema Garten beschäftigt, weil ich unter anderem Landespflege in Freising studiert hatte. Dabei traf ich auf ein entsprechendes Buch, das unter anderem vom BN herausgegeben wurde. Es hat mich damals sehr angesprochen. Außerdem war das Thema Klima für mich schon immer allgegenwärtig: Bereits im Jahr 1978 behandelte der Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth in der Sendung Querschnitt den Temperaturanstieg, die CO2-Werte und die Konsequenzen. Diese Faktoren haben mich schon damals besorgt und dazu bewegt, in einer Umweltschutzorganisation mitzuwirken.

An welche Projekte beim BN erinnern Sie sich gerne?

Der BN veranstaltet regelmäßig die eigene Bewegung Families for Future. Foto: Elen Brauer-Martynov

Wir setzten uns sehr viel für Stadtgrün ein. Gerade in einer dicht bebauten Stadt ist es für den Klimaschutz wichtig, auf die Bepflanzung zu achten. Es geht hier um die Anpassung der Städte! Für ältere Menschen und für Kinder sind diese neuen Temperaturen eine enorme Belastung. Denken Sie dabei nur an den Hitzesommer 2003, als Hunderte von Menschen wegen Überhitzung und Dehydrierung gestorben sind. Somit müssen wir die Stadt zwingend architektonisch umdenken: mehr Grünflächen schaffen, mehr Schattenräume installieren. Doch jeder Quadratmeter ist für irgendwas verplant und verkauft. Eines der Erfolgsprojekte war für mich der Erhalt der Konrad-Adenauer-Anlage. Denn der Marktplatz, der nun auf der ehemaligen Busstraße seitlich von dem Park steht, sollte ursprünglich in der Grünanlage auf dem Rasen platziert werden. Das wäre selbstverständlich auf die Dauer nicht sinnvoll. Es hätte nicht nur den Erholungsraum gekostet, der Grund würde mit der Dauer zermatschen. Und dies konnten wir verhindern.

Welche Erinnerung haben Sie an Ihre erste Demonstration?
Es war eine Radlerdemo, wir demonstrierten für bessere Radwege. Es hatte damals gefruchtet: Viele Radwege im Stadtgebiet wurden auf den Gehwegen angelegt. Aktuell sind es leider genau die, die wieder aufgelöst werden, weil man jetzt der Meinung ist, die Fahrräder gehören auf die Straße. Es ist kontrovers: Für die Alltagsfahrer ist es nicht verkehrt, denn die kommen schnell voran, aber die Gelegenheitsfahrer oder Eltern mit Kindern sind da äußerst gefährdet.

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Reinhard Scheuerlein bezeichnet den Klimawandel als Klimakrise, denn das Wort Wandel sieht er als Verharmlosung und es hat für ihn sogar einen positiven Charakter. Diese Krise betrifft ihn persönlich, da er vor allem während der starken Hitzeperioden im Sommer wenig aktiv sein kann. Die Produktivität und Aktivität lassen nach. Das Fahrrad bleibt in der Garage stehen. An einem heißen Tag bleibt Reinhard Scheuerlein in seinem Garten, wo ihm die große Fichte Schatten spendet. Doch seit 2015 sieht der Vorstand auch bei der Fichte die Konsequenzen der verlängerten Hitzeperioden, denn die Spitze ist schon abgestorben und der größeren Nadelverluste wegen werden unter anderem die Aufräumarbeiten am Boden immer umfangreicher.

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Würden Sie sich selbst als Klimahelden bezeichnen?

Reinhard Scheuerlein engagiert sich für den Klimaschutz. Foto: Elen Brauer-Martynov

Ich habe, ehrlich gesagt, allgemein ein Problem mit dem Titel Held. Helden sind für mich besondere Menschen und ich bin keiner. Grundsätzlich kann jeder ein Klimaheld sein, der auf seinen ökologischen Fußabdruck achtet. Für Schüler ist selbstverständlich Greta Thunberg ein Leitbild für den Klimaschutz, wobei der Persönlichkeitskult etwas zwiespältig ist. Für mich ist ein viel größerer Klimaheld ein Landwirt, der sich dafür entscheidet, von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft umzusteigen. Er geht da ja ein großes Risiko ein. Helden sind die Wenigen, die sich schon vor 30 Jahren dafür entschieden haben, die Pioniere, die das ohne die aktuellen Fördermittel geschafft und ihre Existenzen gefährdet haben!

Und wer sind Ihre Helden?
Wenn Sie Namen hören wollen: Hermann Scheer, der Bundestagsabgeordnete von der SPD, der sich für erneuerbare Energien eingesetzt hatte. Josef Göppel, der jahrelang CSU-Abgeordneter war, der die Landschaftspflegeverbände gegründet hat und auch mal gegen die Meinung seiner Partei abgestimmt hatte, aus eigener Überzeugung. Das sind für mich die Helden, die ganz neue Wege gegangen sind, auch mit einem großen persönlichen Risiko. Insofern fühle ich mich da nicht auf einer Ebene.

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Die Postulate für den Klimaschutz sind für Reinhard Scheuerlein: Handeln, Verzicht und Regeln. Er ruft die Politiker auf, feste Regeln in der Klimakrise zu setzen, denn nur dann sei bestätigt, dass ihnen der Klimaschutz am Herzen liege. Nur nach erfolgter Anteilnahme der Politiker könne die breite Masse der Bevölkerung unter anderem für Energiesparmaßnahmen sensibilisiert werden. Außerdem müsse es Priorität haben, die Bevölkerung über Effizienz, Suffizienz und Konsistenz aufzuklären. Denn ohne diese Maßnahmen können die gesetzten Klimaziele kaum erreicht werden. Das letzte Mal ist der 57-Jährige vor 20 Jahren geflogen. Auch, wenn die Fluggesellschaften sich mit synthetischen, CO2-neutralen Kraftstoffen schmücken und die Forscher mit Geo-Engineering Wunder bewirken wollen, hieße das noch lange nicht, dass man sich mit den bewussten, ökologischen Maßnahmen zurückziehen könne. Man müsse eben auf seinen ökologischen Fußabdruck achten, wenn einem die Welt am Herzen liege. Aber Klimaschutz geht nicht nur über den reinen Menschenverstand, sondern vor allem über die Emotionen.

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Auf den Transparenten steht: „Erzähl‘ die Wahrheit“, „Handle jetzt“ und „Über das Politische hinaus“.  Foto: Elen Brauer-Martynov

 

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