Bei der Exkursion ins Germanische Nationalmuseum durften Studierende den Jakobsstab ausprobieren.

Sonne, Sterne und Seefahrer

Ob in der Uni, bei der Arbeit oder bei privaten Treffen: Jeder braucht die Uhrzeit, um pünktlich beim Termin zu sein. Im Mittelalter war das anders, denn Verabredungen konnten ohne Uhr nur sehr grob zu einer bestimmten Tagesphase aber nicht minutengenau getroffen werden.

Bei der Exkursion ins Germanische Nationalmuseum durften die Studierenden Nachbauten der Exponate selbst ausprobieren. Foto: Julian Hörndlein

Bei der Exkursion ins Germanische Nationalmuseum durften die Studierenden Nachbauten der Exponate selbst ausprobieren. Foto: Julian Hörndlein

Die Entwicklung der Uhr und ihre Auswirkungen beispielsweise auf die Seefahrt hat Brunhild Holst den Zweitsemestern des Studiengangs Technik-journalismus bei einer Exkursion ins Germanische Nationalmuseum vorgestellt.

Viele der Exponate sind zu kompliziert oder zu klein, um sie hinter der Glaswand der Vitrine richtig zu erschließen. Deswegen hat Brunhild Holst gleich zu Beginn der Führung eine Box dabei, in der sich Nachbauten zum Anfassen befinden. So können die Studierenden Sonnenuhren selbst ausprobieren und versuchen, eine mittelalterliche Weltkarte zu entziffern. Das erste Thema der Führung war die Entwicklung der Zeitmessung. „Nürnberg ist ab 1450 ein Zentrum der Sonnenuhrherstellung gewesen“, weiß Holst. Räderuhren seien erst später entstanden, lange waren sie zu unzuverlässig.

Zeitzonen

Bei den Sonnenuhren unterscheidet man zwischen Klappsonnenuhren und Äquatorialsonnenuhren. Tragbare Äquatorialsonnenuhren besitzen eine heb- und senkbare, kreisförmige Ableseskala. Zur Zeitbestimmung musste die Skala auf den jeweiligen Breitengrad eingestellt werden; dazu verkauften die Händler zusammen mit der Sonnenuhr eine Polhöhentabelle, in der für viele Orte die jeweiligen Breitengrade eingetragen waren. Im Mittelalter ging die Liste von Kairo als südlichster Punkt bis nach Uppsala in Schweden.

Klappsonnenuhren waren vor allem in der Renaissance und im Barock beliebt und wurden aus Elfenbein oder Holz angefertigt. Diese Art von Sonnenuhr befindet sich in einer aufklappbaren Schatulle, ein gespannter Faden wirft einen Schatten auf das Anzeigeblatt. Brunhild Holst erklärt  die Bedeutung solcher Uhren für Nürnberg: „Der Mathematiker Regiomontanus hat von Papst Paul II. den Auftrag bekommen, den bis dahin fehlerhaften Kalender zu reformieren.“ Die Techniker zur Uhrentwicklung habe er in Nürnberg gefunden, das Regiomontanus zu Lebzeiten als das „Zentrum von Europa“ bezeichnete. Nachdem der Mathematiker im Zuge seiner Einberufung durch den Papst im Jahr 1471 in Rom an der Pest starb, wurde die Kalenderreform erst unter Papst Gregor XIII. verwirklicht. Dieser war daher auch Namensgeber des Gregorianischen Kalenders.

Erste Weltkarten entstehen…

Museumsführerin Brunhild Holst zeigt eine Zylindersonnenuhr. Foto: Julian Hörndlein

Museumsführerin Brunhild Holst zeigt eine Zylindersonnenuhr. Foto: Julian Hörndlein

Das Germanische Nationalmuseum beherbergt noch weitere, außergewöhnliche Uhrenexponate: So stehen in einer Vitrine etwa Zylindersonnenuhren oder die Becher-Sonnenuhr von Markus Purmann aus dem Jahr 1590, die nur funktioniert, wenn ein transparentes Getränk wie Weißwein in den Becher gefüllt wird. Um nachts die Uhrzeit bestimmen zu können, war ein großes Wissen über den Nachthimmel nötig. So wurden Sternkarten, sogenannte Astrolabien entwickelt, mit deren Hilfe Uhrzeit, Datum und Sternbild bestimmt werden konnten. Brunhild Holst führt weiter zum Jakobsstab, einem Instrument zur Bestimmung des Breitengrads. Dazu durften sich drei Studierende selbst als Seefahrer versuchen. Mit dem Stab wird der Winkel zwischen Polarstern und Horizont gemessen; so kann der Breitengrad bestimmt werden.  Durch die Fortschritte in der Zeit- und Positionsbestimmung wurde auch die Seefahrt erleichtert und erste Weltkarten konnten angefertigt werden. So zeigte die Museumsmitarbeiterin eine Karte von Andreas Walsperger, in der Nord und Süd vertauscht waren und Jerusalem als das Zentrum der Welt galt.

… teilweise zur ungünstigsten Zeit

Einer der ältesten, noch erhaltenen Globen der Welt wurde 1492 als Auftrag des Nürnberger Stadtrats von Martin Behaim angefertigt, allerdings kurz vor der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus. Dadurch war der Globus schnell unbrauchbar und wurde nach einigen Jahren im Nürnberger Rathaus wieder entfernt. „Die Konstrukteure waren sehr gut darin, die Breitengrade herauszuarbeiten, Längengrade gab es aber noch nicht“, sagt Brunhild Holst. Das führte dazu, dass auf den ersten Weltkugeln die Proportionen in der Breite noch völlig falsch eingeschätzt wurden. Auf dem Schöner-Globus von 1520 lagen etwa die japanischen Inseln direkt neben dem heutigen Mexiko. Außerdem war Nordamerika zu dieser Zeit im 16. Jahrhundert noch gar nicht entdeckt. „Man sieht Südamerika sehr gut ausgearbeitet, Nordamerika wurde erst knapp hundert Jahre später erforscht“, stellt Holst zum Ende ihrer Führung fest.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert