Lichtbrechung, die durch ein Wasserprisma entsteht.

Traue deinen Augen nicht

Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken – diese fünf Sinne sind für den Menschen der Schlüssel zur Welt. Doch Sinne müssen trainiert werden, genau wie ein Muskel, sonst verkümmern sie.

Davor hat bereits Hugo Kükelhaus, der Entwickler des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne, gewarnt. Der 1984 in Soest verstorbene Philosoph sah im technologischen Fortschritt eine Gefahr für die Sinneswahrnehmung des Menschen.
„Denken sie an einen Sommelier, der noch die feinsten Nuancen erschmecken kann. Das ist einfach Übung. Und genau wie man die Sinne trainieren kann, können sie eben auch abstumpfen“, erklärt Riccarda Schmidt, Pressesprecherin des Erfahrungsfeldes bei der Wöhrder Wiese in Nürnberg.

Der Barfußweg auf dem Erfahrungsfeld der Sinne.

Der Barfußweg auf dem Erfahrungsfeld der Sinne.

„Wir sagen immer: Wir sind ein Aktionsparcours. Es geht nicht darum, sich einfach nur berieseln zu lassen, also nur auf einen Monitor zu schauen, wie es in der technisierten Welt leider immer häufiger passiert. Die Besucher sollen selbst in Aktion treten. Das hat auch einen nachhaltigeren Effekt.“
An über 80 Stationen können Kinder und Erwachsene ihre Sinne erfahren und auf die Probe stellen. Denn nicht immer kann der Mensch seinen Sinnen trauen. Treffen äußere Reize auf die Rezeptoren in den Sinnesorganen werden über das zentrale Nervensystem elektrische Signale an das Gehirn gesendet. Dort werden die Signale organisiert, verarbeitet und basierend auf Erfahrungen sinnvoll zugeordnet. Dieser Prozess führt zur mentalen Präsentation der wahrgenommenen Umwelt.

Wann unsere Sinne uns täuschen

Was passiert, wenn diese Informationen nicht zusammenpassen, können Besucher des Erfahrungsfeldes, mit ihrem Gleichgewichtssinn erproben. Sie stellen sich auf einem Bein vor eine schwarz-weiß gestreifte Wand. Mit dem Blick zur Wand versuchen sie das Gleichgewicht zu halten. So noch keine große Herausforderung – doch wird die Wand dann ruckartig nach links oder rechts verschoben, verlässt die meisten Besucher das Gleichgewicht.
„Das ist ein ähnlicher Effekt, wie wenn man im Zug sitzt und der Nachbarzug fährt los. Da kann man dann manchmal schlecht einordnen, ob der Nachbarzug losfährt oder man sich selbst bewegt“, erklärt Eric Treutlein, Assistenzarzt im Gleichgewichtslabor der HNO-Klinik des Uni-Klinikums Erlangen. „Da ist es im Grunde so, dass die Informationen, die an das Kleinhirn geschickt wurden, nicht zusammenpassen.“

Optische Täuschungen auf dem Erfahrungsfeld der Sinne in Nürnberg.

Optische Täuschungen auf dem Erfahrungsfeld der Sinne in Nürnberg.

Das Kleinhirn als Rechenzentrum

Das Kleinhirn ist so etwas wie das Rechenzentrum für Gleichgewicht und Koordination. Verschiedene Sensoren sammeln Informationen aus der Peripherie und senden diese an das Kleinhirn. Der Gleichgewichtssinn setzt sich vereinfacht aus drei Informationssträngen zusammen. „Einmal bekommt das Kleinhirn Input vom Gleichgewichtsorgan selbst, das ist sozusagen die Wasserwaage. Es sitzt im Innenohr und liefert Informationen über Winkel- und Querbeschleunigung. Das zweite sind die Augen, die zum Beispiel Informationen über die Lage des Horizonts liefern. Und dann gibt es noch Dehnungsrezeptoren in Muskeln und Sehnen, vor allem in der Nackenmuskulatur, aber auch in den Armen und Beinen. Diese senden dem Kleinhirn Informationen über die Lage des Körpers im Raum. Dadurch weiß man unter anderem auch bei geschlossenen Augen, ob der Arm oder das Bein angewinkelt ist.“ Wenn der Nachbarzug also losfährt, melden die Augen, dass sich etwas bewegt. Das Gleichgewichtsorgan jedoch meldet einen Stillstand. „Diese Informationen passen dann scheinbar nicht zusammen und stiften so ein wenig Verwirrung im Kleinhirn. Ein ähnlicher Effekt wie bei der Reisekrankheit, wodurch man dann Übelkeit empfinden kann“, erklärt Treutlein weiter. Dieser Effekt ist bei allen Sinnestäuschungen ähnlich. Sie sind das Ergebnis widersprüchlicher Informationen, die die Sinnesorgane aufnehmen und an das Gehirn senden.
Hugo Kükelhaus erschuf mit dem Erfahrungsfeld eine Art Gehirnjogging-Parcours für die Sinne, in dem Besucher erleben können, wie die Sinne miteinander oder gegeneinander arbeiten. Denn kein Sinn steht für sich alleine und nur Übung macht den Sinnesweltmeister.

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