Wie der Hass in Redaktionen kommt

Lautes Gelächter hallt durch das Innovationslabor des Josephs inmitten der Nürnberger Innenstadt. Doch bei Zitaten wie „Man sollte NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz ins KZ stecken“ verstummt es schlagartig. Der Hate Slam der Nürnberger Nachrichten ist eine Veranstaltung der Web Week 2017.

Ein Beitrag von Janosch Ott

Hier zitieren NN-Redakteure aus den ihrer Meinung nach schlimmsten Einsendungen, die sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten von ihren Lesern erhalten haben. Hass-Kommentare gehörten schon immer zum Redaktionsalltag, doch die starke Häufung in den letzten Jahren war der Anstoß für einen offenen Dialog über das Problem.

Der Vortrag beginnt mit ausgewählten Leserbriefen, die die NN-Redaktion auf dem Postweg erhalten hat. Diese Einsendungen sind meist sehr detailliert und direkt an den Autor gerichtet. Oftmals ist zwischen den Zeilen auch sehr viel Hintergrundwissen zum Thema zu erkennen. Solche Kommentare haben eine sehr persönliche Note. So kann es passieren, dass sie sogar einem abgehärteten Redakteur nahe gehen.

„Da waren die Chefredakteure stramm gestanden, als die Direktiven reinkamen, wie?“ Durch solche Einsendungen fühlt sich Kurt Heidingsfelder in seinem Berufsethos gekränkt. „Als Journalist Fakten absichtlich zu verschweigen, ist, als würde ein Bademeister die Nichtschwimmer absichtlich ins tiefe Wasser führen.“ Diese Hass-Kommentare sind eher Vertretern einer älteren Generation zuzuordnen, die Zeitung lesen und deren Inhalte sie umtreiben.

Hass-Kommentare in der Online-Redaktion

 

Alexander Jungkunz, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, führt durch die Veranstaltung. Foto: Nadja Kraus

Etwas andere Beispiele hat Stefan Hofer zu bieten. Er ist Online-Redakteur bei Nordbayern.de. Bei Einsendungen wie: „Du bist anscheinend ganz schön hohl. Wünsch‘ dir im Leben noch viel Glück, du sollst im Leben auch nicht ganz dumm sterben. Opfer“, ist es schwerer, die inhaltliche Kritik auszumachen. Die Kommentarspalten von Online-Medien sind doch eher ein Ort für ein jüngeres Publikum. Die Möglichkeit, seinem Zorn innerhalb von Sekunden freien Lauf lassen zu können, sorgt oftmals für impulsivere Kommentare. „Es ist eben eine ganz andere Ebene, einen Brief zu schreiben, eine Briefmarke darauf zu kleben und ihn an eine Redaktion zu senden“, sagt Stefan Hofer. Doch wie schlägt es sich im Redaktionsalltag nieder, wenn man mit so viel Zorn konfrontiert wird? „Die Regulation solcher Hass-Postings gehört zur täglichen Arbeit einer Online-Redaktion“, erklärt Hofer. Es seien unter der Woche zwei und am Wochenende ein Mitarbeiter damit betraut, die Kommentare zu lesen und freizugeben.

Auf Umgangsformen achten

 

Die Netiquette, also die Benimmregeln ihrer Kommentarspalte, bietet hierfür die Grundlage. Verstöße führen zur Löschung von Kommentaren bis hin zur Sperrung des Accounts. Diejenigen, die sich einen neuen Account anlegen, haben die Redakteure auf dem Schirm. Sie erkennen diese Wiederholungstäter an ihrer Ausdrucksweise oder wenn ein Thema innerhalb von kurzer Zeit häufiger kommentiert wird als vorher. Auch die Notwendigkeit, sich bei Nordbayern.de anzumelden, bevor man etwas kommentieren kann, hält viele User davon ab, unbedachte Inhalte ins Netz zu stellen.

 

Die NN-Redakteure Armin Jelenik und Alexander Jungkunz. Foto: Nadja Kraus

Die jedoch größte Hürde für zornige User, ihrem Frust im Forum Ausdruck zu verleihen, ist die Tatsache, dass jeder Kommentar von der Redaktion genehmigt werden muss. Auch wenn es bei hitzig diskutierten Themen dazu kommen kann, „dass die Bestätigung eines Kommentars auch mal drei Stunden dauert.“ Diese Funktion ist fast eine Garantie dafür, dass die Diskussionen bei Nordbayern.de „sauber ablaufen“.
Diese Maßnahmen bekämpfen zwar das Problem unmittelbar, jedoch nicht dessen Ursachen. Vielleicht helfen Veranstaltungen wie der Hate Slam, öffentliches Interesse auf die Thematik zu lenken, um im Dialog auch zur Prävention des Problems beizutragen.

 

 

 

Interview mit Stefan Hofer

Stefan Hofer, Redakteur bei Nordbayner.de. Foto: Nadja Kraus

 

Hate-Speech greift in sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten von Online-Plattformen immer mehr um sich. Doch wie wirkt sich diese Entwicklung auf den Alltag von Online-Redaktionen aus? Stefan Hofer, Online-Redakteur bei Nordbayern.de war bereit, ein paar Fragen zu beantworten.

 

Greifen Hass-Kommentare bereits so um sich, dass auch banale Themen heftige Reaktionen auslösen?

Normalerweise bedarf es schon eines polarisierenden Themas, um viele Hasskommentare hervorzurufen. Es kann allerdings auch vorkommen, dass Menschen, die einfach nur ihren Frust loswerden wollen, solche Kommentare hinterlassen, auch wenn sie mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun haben.

Denken Sie, dass Pegida ein Auslöser für den rasanten Anstieg von Hass im Internet war?

Ich denke, Hate-Speech im Internet ist kein neues Phänomen. Ich konnte solche Dinge schon immer beobachten, wenn ich im Internet unterwegs war. Allerdings denke ich, dass die Pegida-Bewegung den Fokus mehr auf die Presse verlagert hat, Schlagwort „Lügenpresse“.

Haben Sie die Zeit, Verfasser unangemessener Kommentare anzuzeigen?

Ich hielte es zwar für sinnvoll, solche Leute anzuzeigen. Wir als Redaktion tun dies allerdings nicht. Wir sehen unsere Aufgabe darin, für eine ungestörte Kommunikation zwischen den Usern zu sorgen. Da wir stetig an Reichweite zulegen, im letzten Jahr immerhin um 20 Prozent, müssen wir sowieso schon abwarten, ob unsere dafür eingeplanten Mitarbeiter ausreichen.

 

 

 

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