Wo Früchte noch nach Früchten schmecken

Tadschikistan – ein Land, das wohl den wenigsten Menschen in unseren Breitengraden ein Begriff ist. Das Land grenzt direkt an Afghanistan und China, Duschanbe ist die Hauptstadt und in etwa so groß wie Frankfurt am Main. 22 Jahre lang war die größte Stadt des Landes die Heimat von Irina Christ.

Die Entscheidung, nach Deutschland auszuwandern und ihren kleinen Sohn dort aufzuziehen, traf die junge Tadschikin mit ihrem damaligen Ehemann. Dieser hatte bereits Verwandtschaft in der Bundesrepublik. Doch bevor sie das Land verlassen konnten, brach die Sowjetunion zusammen und in Tadschikistan der Bürgerkrieg aus. Drei Monate vergingen bis die Einreisegenehmigung aus Deutschland vorlag. „Wir sind dann zu Fuß von unserem Viertel zum Flughafen gelaufen, weil keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr fuhren. Wir hörten unterwegs überall Schüsse“, erzählt Irina.

Endlich Sicherheit

Nach einigen Stunden Flug landete die Familie im sicheren Frankfurt am Main. Von dort aus ging es dann direkt weiter nach Nürnberg, wo sie zwei Wochen im Grundig-Gebäude untergebracht waren. „Es war gerade Weihnachtszeit und keine Behörde, die unseren Antrag hätte bearbeiten können, war geöffnet“, sagt die 47-Jährige. Als die Sammelstelle wieder besetzt und die Formalitäten geklärt waren, konnten sie ihre Reise fortsetzen. Das Aussiedlerheim in Obererlbach sollte ihre Heimat für die nächste Zeit werden. Sechs Monate lang besuchte das Paar einen Sprachkurs im nahegelegen Gunzenhausen. Den Weg bestritten die beiden per Anhalter, da in dem kleinen Dorf nur dreimal am Tag ein Bus hält. Die Sprache beherrschte die junge Mutter schnell und auch der mittelfränkische Dialekt in der Region stellte für sie keine große Hürde dar.

Irina beim Spielen mit ihren beiden Hunden
Foto: Tobias Rühl

Den Plan, nach Nürnberg zurückzukehren verwarf Irina, als sie Kontakte geknüpft und gute Freunde gefunden hatte. Ihr zweijähriges Studium im Bereich Biologie und Chemie konnte sie in Deutschland nicht mehr weiterführen, da sie ihren kleinen Sohn versorgen musste. Somit entschied sich die gebürtige Tadschikin für eine Ausbildung zur Krankenschwester. Nach kurzer Zeit in der Altenpflege wechselte sie in ein Therapiezentrum für chronisch alkoholkranke Menschen. Dort lernte sie ihren heutigen Ehemann kennen, mit dem sie seit 17 Jahren verheiratet ist.

Den größten Unterschied zwischen den Menschen in Deutschland und ihrer alten Heimat sieht Irina vor allem in der Reserviertheit: „Früher war es so, dass ich jemanden einfach spontan besuchen konnte. Hier musst du erst einen Termin ausmachen“, erzählt sie lachend. „Oder wenn ich damals vergessen habe Salz zu kaufen, klopfte ich beim Nachbarn und habe welches bekommen. Hier ist das eher nicht üblich.“

Ski fahren im Sommer

Schildkröten wie diese gibt es in Tadschikistan so häufig wie hierzulande Frösche
Foto: Tobias Rühl

Die schöne Natur, mit ihren wilden Flüssen und hohen Gebirgen, vermisst die 47-Jährige besonders an Tadschikistan. Ski fahren bei plus 40 Grad im Sommer? Kein Problem auf den Gletschern der gewaltigen Berge. Früchte wie der Granatapfel, die Kaki oder riesige Wassermelonen sind in dem rauen Land beheimatet. „Die schmecken einfach viel besser als die Früchte hier“, schwärmt Irina. Den größten Vorteil an Deutschland sieht sie im Rechtssystem: „Wenn du hier im Recht bist, kannst du es dir immer vor Gericht erstreiten, was in Tadschikistan fast unmöglich ist. Dort haben die Leute recht, die mehr Geld haben. Das ist alles sehr korrupt.“ Auch die Infrastruktur, besonders die Straßen, sind in der Bundesrepublik viel besser ausgebaut als in ihrem zentralasiatischen Herkunftsland. Auf dem Land ist der Unterschied besonders gravierend, da dort teilweise noch Häuser aus Lehm gebaut werden.

Mit der Zeit hat sich Irina auch an die fränkische Küche gewöhnt: „Das erste Mal, als ich Klöße gegessen habe, dachte ich mir noch: Was ist das denn für klebriges Zeug? Aber mittlerweile schmeckt mir das sogar.“ Und wenn es doch mal etwas aus der alten Heimat sein soll, fährt die Hundeliebhaberin einfach in die nächste Stadt und kauft dort etwas im russischen Laden ein.

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