Ausgependelt und kopfüber schief abgeworfen

Im richtigen Moment den Absprung zu schaffen ist nicht immer leicht. Manchmal ist das auch gar nicht erwünscht, besonders wenn man gerade im Fahrgeschäft Cyber Space auf dem Nürnberger Volksfest sitzt.

Was aber passiert, wenn das eigene Handy unbeabsichtigt herausgeschleudert wird und wie weit könnte es fliegen? Einmal noch tief durchatmen, mit einem mechanischen Klicken verriegeln die Sicherheitsbügel, welche die Passagiere in der Gondel halten. Langsam beginnt sich das 25 Meter lange Pendel,  an dessen Ende die Gondel gelagert ist, von links nach rechts aufzuschaukeln. An seinem höchsten Punkt ist der Fahrgast fast gleich auf mit dem benachbarten Riesenrad. Doch die spektakuläre Aussicht über das Gelände des Nürnberger Volksfest am Dutzendteich wärt nur kurz, bevor es in einen steilen Sturz nach unten geht. Wie in einem freien Fall werden die Insassen auf einer Kreisbahn beschleunigt und in den Sitz gepresst, während der Wind zu einem lauten Rauschen anschwillt.

Nicht nur hoch, sondern auch richtig schnell, das Cyber Space. Foto: Anna Frey

So fühlt sich der Beginn einer Fahrt im Cyber Space an, dem Fahrgeschäft von Egon Kaiser. „Selbst Fallschirmspringer der Bundeswehr waren schon überrascht, welche Kräfte bei einer Fahrt auf den Körper wirken“, erklärt der Schausteller nicht ohne Stolz in der Stimme. Aus diesem Grund müssen potenzielle Fahrgäste auch körperlich fit und dürfen nicht zu jung, schwanger oder alkoholisiert sein. Und noch eine Regel prangt auf großen Schildern vor dem Eingang zum Fahrgeschäft: Keine losen Gegenstände in den Taschen!

Doch wie weit würde ein aus der Hosentasche gerutschtes Smartphone wohl fliegen? Dabei spielen drei Variablen eine entscheidende Rolle: die Höhe, in der der Gegenstand verloren wird, die Geschwindigkeit, die er währenddessen hat und der Winkel, in dem er abgeworfen wird. Alle drei Variablen sind über die Kreisbewegung des Pendels miteinander verknüpft. Am höchsten Punkt der Fahrt ist die Geschwindigkeit am geringsten und der Abwurf beginnt horizontal, also parallel zum Boden. Physiker sprechen hier von einem waagerechten Wurf. Dieser findet sich auch am tiefsten Punkt der Fahrt wieder, hier ist die Geschwindigkeit zwar am höchsten, allerdings befindet sich der Fahrgast auch fast direkt auf dem Boden.

Ideal für einen möglichst weiten Wurf ist also weder der höchste noch der tiefste Punkt der Fahrt. Tatsächlich ist der kritischste Moment für das Smartphone kurz nach dem Durchqueren des tiefsten Punktes der Fahrt, dann nämlich, wenn die Geschwindigkeit noch sehr hoch ist und der Abwurfwinkel, also die Tangente an die Kreisbahn knapp unter 45 Grad liegt. Wird ein solch schiefer Wurf vom Boden ausgeführt, ist der perfekte Abwurfwinkel exakt 45 Grad. Da der Passagier bei diesem Winkel aber bereits wieder etwas an Höhe auf der Kreisbahn gewonnen hat, befindet sich der optimale Abwurfwinkel knapp darunter. Die Flugbahn, die das Smartphone in beiden Fällen beschreibt, ist als Wurfparabel bekannt.

Schematische Wurfparabeln beim Flug aus dem Fahrgeschäft, Infographik: Roman Beck

Wer jedoch nach dem ersten Looping glaubt zu wissen, wie die weitere Fahrt vonstatten geht, wird sich vor dem zweiten freien Fall wundern. Dann nämlich, wenn Egon Kaiser die Bremse der Gondel löst und diese auf einen Schlag in eine Hollywoodschaukel verwandelt. Mit der kann es dann auch kopfüber nach unten gehen. Die Drehungen der Schaukel verhielten sich immer anders, je nach Gewichtsverteilung auf den Plätzen, erzählt der Betreiber.

Diese zusätzliche Rotation kann im schlimmsten Fall dem ungewollten Flugobjekt noch zusätzliche Geschwindigkeit mit auf den Weg geben. Alles in allem könnte ein Smartphone damit ganze 77 Meter vom Ort des Abwurfs entfernt auftreffen. In der Realität ist dies jedoch kaum der Fall: „Meistens fallen die Handys dann auf die Dachplanen der Nachbargeschäfte und sind dann sogar noch heil“, erzählt Egon Kaiser. Bisher sei noch nichts Schlimmeres an seinen Fahrgeschäften passiert, aber diese würden auch jedes Jahr einer Hauptabnahme durch den TÜV unterzogen und nach jedem Aufstellen durch einen Sachverständigen geprüft.

 

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