Der Weg des Think Global – Act Local

Nachhaltigkeit wird im Seebachgrund über den Pfad der Nachhaltigkeit kommuniziert. Das Bildungsprojekt möchte zum konkreten Handeln anregen. Es ist ein Beispiel dafür, wie die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie auf kommunaler Ebene umgesetzt werden kann.

„Liebe Gäste! Primär bezieht sich die Agenda 2030 auf die Ebene der Nationalstaaten. Relevant ist die Agenda 2030 jedoch auch für die regionale und lokale Ebene. Kommunen sollen im Rahmen der Agenda 2030 anhand der SDGs lokale Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln. Es stellt sich die Frage: Macht es generell Sinn in einem solch von der Globalisierung bestimmten Thema als Kommune aktiv zu werden? Ist unser Anteil an der weltweiten nachhaltigen Entwicklung nicht etwa so gering, dass unser Engagement nur der oft zitierte Tropfen auf dem heißen Stein sein wird? Meine Damen und Herren, ich hoffe, wir alle sind uns einig. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass es andere schon für uns tun werden. Nein. Wir müssen als Kommunen vorangehen und unseren Beitrag leisten“, plädiert Jürgen Jäckel Bürgermeister von Großenseebach bei der Eröffnung des Pfades der Nachhaltigkeit Ende November letzten Jahres in Heßdorf im Seebachgrund (Landkreis Erlangen-Höchstadt). Dieser Wanderpfad ist ein kommunales Projekt der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Heßdorf.

Ein Teil der Projektbeteiligten bei der offiziellen Eröffnung des Pfades der Nachhaltigkeit. Foto: Vivien Hermann
Ein Teil der Projektbeteiligten bei der offiziellen Eröffnung des Pfades der Nachhaltigkeit. Foto: Vivien Hermanns

Die 2017 von der Bundesregierung verabschiedete deutsche Nachhaltigkeitsstrategie „Transformation unserer Welt“ strebt einen kulturellen Wandel der Gesellschaft und Wirtschaft an. Dafür werden kommunale Projekte zum Beispiel von Unternehmen wie Engagement Global im Auftrag des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Sustainable Developement Goals (SDGs) umzusetzen und zu kommunizierten ist auf lokaler Ebene nicht einfach. Vor allem nicht, wenn es um nicht gewinnorientierte nachhaltige Projekte geht.

In den letzten zwei Jahren ist auf die Initiative der Pfarreien Hannberg und St. Kilian Kairlindach der Wanderweg mit 17 Stationen mit einem Team aus ehrenamtlichen Helfern geplant und umgesetzt worden. „Die Ehrenamtlichen haben sich schnell gefunden. Das hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer und hat gezeigt, dass sehr viele Leute gerne mit machen möchten und nicht nur so passiv sein wollen. Das hat uns echt motiviert“, berichtet der Projektleiter Stefan Reif. Eine Station besteht aus einer Stele mit einem farbigen Würfel. Die Texte auf den Würfeln erläutern ein Nachhaltigkeitsziel und verweisen per QR-Code auf lokale Projekte zu dem jeweiligen Ziel. Dazu möchte das Projekt zum Berichten von eigenen regionalen Ideen zum jeweiligen SDG im Seebachgrund animieren.

Die Projektidee

„Gefühlt jagt aktuell eine Krise die nächste. Anstelle Krisen präventiv zu vermeiden, geht es häufig erst im Nachhinein um Schadensbegrenzung. Spätestens die Klimakrise lässt sich damit aber nicht bekämpfen. Heute lebt so gut wie keiner nachhaltig. Das schließt auch jeden einzelnen von unserem Projektteam mit ein“, beschreibt Stefan Reif die Motivation hinter der Idee. Er ist neben Stefan Reimann Impulsgeber für das Projekt. Deswegen soll der Pfad zum konkretem Handeln anregen. Die Würfel auf den Stelen werden alle paar Monate gewechselt. Die Positionen bleiben, denn die Würfel sind an strategischen Plätzen mit viel Publikumsverkehr verankert. Das Projektteam hatte die Intension alle Vorbeilaufenden mit den Themen zu sensibilisieren. Auch Hanne Jung, ehrenamtliche Helferin und Vorsitzende im Umweltausschuss der evangelischen Kirche St. Kilian hofft, dass über alltägliche Wege durch die Gemeinden die Bürger*innen sich beteiligen: „Dann kann ich da auch auf diesem Weg andere Ziele sehen. Und ich kann wieder neu nachdenken.“

„Das Schlimmste wäre Allen zu sagen, was zu tun ist. Dann hast du nie Eigenmotivation. Im Sommer hatten wir diese Hochwasser auch in Großenseebach. Viele fühlen sich hilflos, aber es gibt Dinge, die wir ändern können und auch dringend ändern müssen. Alle auf der Welt können das tun und die gemeinsame Basis sind die Nachhaltigkeitsziele. Das verbindet.“

Stefan Reif
Projektleiter Stefan Reif. Foto: Vivien Hermanns
Projektleiter Stefan Reif. Foto: Vivien Hermanns

Bei dem Projekt handelt es sich um ein Bildungsprojekt für nachhaltige Entwicklung. Deshalb förderte Engagement Global das Projekt mit zwanzigtausend Euro: „Die Projektidee hat den Auswahlkriterien entsprochen und stellt darüber hinaus einen innovativen Ansatz zur Sichtbarmachung der Agenda 2030 dar, der einen Zugang für diverse Zielgruppen sicherstellt.“

Der Deutsche Entwicklungsdienst vom BMZ versteht Globales Lernen im Rahmen solcher Projekte als pädagogische Antwort auf die Anforderungen, die die zunehmende Globalisierung aller Lebensprozesse an uns stellt. „Es gibt Antworten auf die Frage „Was habe ich damit zu tun?“ und es zeigt Möglichkeiten auf, sich selbst aktiv für eine gerechtere Welt einzusetzen.“  Seit der Eröffnung nimmt die VG Heßdorf die aktive Rolle des Projektträgers ein und verantwortet neben Projektkosten die Öffentlichkeitsarbeit. Das beinhaltet auch die Inhalte Website des Projektes. Sie soll als virtuelle Abbildung des Pfad der Nachhaltigkeit agieren. Die Beispiele von aktiven Beteiligten ordnen diese online selbst ein.

Warum ist es relevant kommunale Nachhaltigkeitsprojekte umzusetzen?

Die Bundesregierung gibt die politischen Rahmenbedingungen für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie vor, welche nur auf kommunaler Ebene umgesetzt werden können.  „Diese Transformation ist nicht nur technologisch, sondern sie ist auch ein kultureller Wandel“, sagt Stefan Reif. Es sei relevant diese Ziele in den Gedanken der Bevölkerung mit Beispielen ins Bewusstsein zu rufen. Der gelernte Ingenieur interessiert sich bereits seit 2006 für das Gesamtbild Nachhaltigkeit und den Zusammenhang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Deshalb habe er den Master in Sustainable Change gemacht. Dies ist auch in der Projektabwicklung bei den Texten der Würfel eingeflossen: „Viele politische Couleurs müssen sich damit identifizieren. Die Nachhaltigkeitsziele sind universal. Es ist in allen Parteien mehr oder weniger verankert mit verschiedenen Schwerpunkten. Deshalb muss man sehr aufpassen, was man da drauf schreibt.“

SDG 4 Hochwertige Bildung. Foto: Vivien Hermanns
SDG 4 Hochwertige Bildung. Foto: Vivien Hermanns

Unter anderem wurde das Projekt von der Fairen Metropolregion Nürnberg unterstützt. Als Netzwerk der Fairetrade Kommunen wurde an der inhaltlichen Gestaltung des Würfels mit dem SDG 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion) mitgewirkt. „Wir sehen das als Ort, wo einfach der lokalste und engste Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern besteht und ein großer Handlungsspielraum und eine große Vorbildfunktion von Seiten der Kommunen vorliegt“, sagt Marina Malter Projektleiterin der Entwicklungsagentur Faire Metropolregion Nürnberg. Auch kennt sie ähnliche Projekte wie den Pfad der Nachhaltigkeit: „Was es immer wieder gibt, sind kritische Stadtrundgänge. Da gibt es in Nürnberg zum Beispiel auch einen, der Bezug auf die SDGs nimmt.“ Sie haben die Idee unterstützt, weil es ein großes Thema in einem nicht verschulten Zusammenhang sichtbar mache.

Laut Engagement Global engagieren sich auch andere Kommunen entwicklungspolitisch und arbeiten an der Aktivierung der Bevölkerung. „Stadtführungen, Plakatierungen und ähnliches Öffentlichkeitswirksame Projekte leisten einen wertvollen Beitrag zur Bekanntmachung der Agenda 2030 und lässt diese für die Bevölkerung der Kommunen greifbarer erscheinen. So können Optionen des eigenverantwortlichen Handels präsentiert werden und zur Anwendung bzw. Umsetzung anregen. Auch tragen diese Projekte dazu bei, die Relevanz der kommunalen Ebene bei der Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu verdeutlichen.“

Neben der Pandemie und den Lockdowns lagen die Herausforderungen in der Komplexität des Themas und der Langlebigkeit der Würfel sowie deren Inhalte. Die Inhalte sollten auch in den kommenden Jahren interessant und nicht überholt sein, sondern die Leute im Alltag begleiten. Im Team wurden die Aufgaben nach Stärken und Interessen an den einzelnen SDGs aufgeteilt. Auch für den Studenten Christian Jung war es ein spannendes Projekt: „Es ist nicht nur vom Wanderfaktor her was Schönes den Seebachgrund mal kennenzulernen, sondern parallel noch interessante und auch wichtige Informationen zu lernen.“ Ihm gefalle auch das Aufzeigen von regionalen Beispielen zu den einzelnen SDGs. Für ihn habe der Pfad einen edukativen Charakter.

Zwei Spaziergänger auf ihrer Stammrunde an einer Stele mit dem Würfel zu SDG 6. Sie finden es gut, dass die Inhalte auf den Stelen rotiert werden. Foto: Vivien Hermanns
Zwei Spaziergänger auf ihrer Stammrunde an einer Stele mit dem Würfel zu SDG 6. Sie finden es gut, dass die Inhalte auf den Stelen rotiert werden. Foto: Vivien Hermanns

Resonanz auf Fränkisch

In den letzten Monaten bekam die VG Heßdorf bereits per E-Mail Rückmeldungen von Bürger*innen, die die Idee wunderbar fanden. „Oft wird ja nicht so viel Feedback gegeben, weil das in Franken weniger üblich ist. Das „passt schon“ ist das größte fränkische Lob. Solange keiner schimpft, ist es in Ordnung. Aber dank der Homepage wissen wir auch, dass es sehr viele Zugriffe sind“, informiert Stefan Reif mit einem Schmunzeln.

Ein bisschen Marketing steckt auch hinter der bisherigen und weiteren Berichterstattung. Über bestehende Kompetenzen im Projektteam, die VG Heßdorf und den Einbezug der Presse wurde bereits während der Projektentwicklung über den Pfad kommuniziert, um im Vorfeld ein Bewusstsein für die Initiative zu schaffen. Aber auch Mundpropaganda hat sich bewährt. „Aber es gibt jetzt kein Gremium, das sich darum kümmert, dass jetzt hier noch irgendwie Aktionen gemacht werden oder noch was erweitert wird. Das gibt es in diesem Sinne nicht, sondern es ist ein abgeschlossenes Projekt und steht jetzt bis 2030“, berichtet Stefan Reif.

Pfad der Nachhaltigkeit Flyer. Foto: Vivien Hermanns
Pfad der Nachhaltigkeit Flyer. Foto: Vivien Hermanns

Doch nicht überall kamen die Würfel an den ausgesuchten Positionen gut an. Neben der Beschädigung des Friedenswürfels im letzten Jahr oder der Kritik an der Installation eines rosa Würfels neben einem Kriegerdenkmal, wurde beispielsweise angesprochen, dass die zwanzigtausend Euro lieber in Obstwiesen finanziert werden sollten. „Wir wollen damit nicht provozieren, aber mit Themen, die eigentlich jeden tangieren und wo jeder was damit anfangen kann, motivierend und mitnehmen. Und das, ohne aufdringlich zu sein“, erläutert Stefan Reif die Situation. Auch Hanne Jung sieht das ähnlich: „Manchmal muss man die Leute ganz einfach darauf hinweisen. Wenn man das nachliest und wieder sieht und es vors Auge geführt bekommt, dann denke ich, ist es auch immer wieder ein neuer Denkanstoß. Und ja deswegen kann man ja Obstbäume immer noch pflanzen.“ Laut VG Heßdorf eignet sich der Pfad für Firmen-, Vereins- und Schulausflüge.

Seit der offiziellen Eröffnung wollen Stefan Reif und das Team das Projekt vorerst weiter im öffentlichen Raum wirken lassen, damit das Ziel die Bevölkerung für Bildung für nachhaltige Entwicklungen zu motivieren und Aktivitäten zu triggern in Zukunft weiter erreicht wird. „Man könnte natürlich sich noch vieles ausdenken, aber das Problem ist dann immer die ehrenamtliche Arbeitslast. Die hat uns schon erschlagen. Auch das dauerhaft Durchzuhalten ist schwierig. Und so ist es erst mal okay. Wir haben gesagt, das ist die Rahmenbedingung. Die Leute können damit interagieren und was sich daraus entwickelt, kann man in ein paar Jahren sehen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert