Karte von morgen Foto Bruno Stömer

Die Karte von morgen – das interaktive Archiv für nachhaltiges Einkaufen

Ein gemeinnütziger Verein aus Nürnberg hat den Bürgern der Stadt über Jahre eine gedruckte Orientierungshilfe für nachhaltigen Konsum bereitgestellt. Dieses Angebot ist mittlerweile online und deckt nicht mehr nur die Region Franken, sondern Deutschland und den Rest der Welt ab.

In der Filiale einer großen Supermarktkette in Nürnberg präsentiert sich das Angebot bunt und in großer Vielfalt. Obwohl die Temperatur vor den Türen des Geschäfts nur knapp über dem Gefrierpunkt liegt, sind die Obst- und Gemüseregale prächtig befüllt. Heidelbeeren aus Marokko, Gurken aus Griechenland oder Avocados und Bananen aus Südamerika. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt – völlig unabhängig von der Jahreszeit oder den regionalen Voraussetzungen für die Kultivierung der Lebensmittel. Exotisches Obst und Gemüse sowie Produkte, die nicht in Saison sind, werden seit Jahren zu Millionen Tonnen aus dem Ausland importiert. Das ist völlig normal geworden, auch wenn derartiger Konsum keineswegs nachhaltig ist. Der Transport über tausende Kilometer hinterlässt einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck und ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Noch weitreichendere Folgen birgt oft die Herstellung der Produkte selbst. Allein die fortschreitende Rodung der Regenwälder für Anbauflächen, die nicht zuletzt aufgrund der hohen Nachfrage der westlichen Welt erfolgt, wird weitreichende Auswirkungen auf den Klimawandel und das Artensterben haben.

Obst und Gemüse werden weltweit verschifft um hier auf den Kassenbändern zu landen. Foto Bruno Stömer

Dazu kommt eine lange Liste weiterer Faktoren, von denen jeder einzelne einen Rattenschwanz verschiedener Konsequenzen für Umwelt und Klima nach sich zieht. Aber es ist bei weitem nicht nur die Nachfrage nach exotischen Produkten, die unseren Konsum als nicht nachhaltig gestaltet.  Die Liste der Lebensmittel, die in Deutschland täglich tonnenweise konsumiert werden und erhebliche Auswirkungen auf unsere Umwelt und das Klima haben, ist lang. Angeführt von Milchprodukten und Fleisch über palmölhaltige Lebensmittel bis hin zu Tiefkühlpommes. Dabei den Überblick zu behalten und ein Bewusstsein für Folgeerscheinungen des globalen Handelsverkehrs, dem Ressourcenbedarf beim Anbau oder der Herstellung der Produkte sowie den direkt damit verbundenen CO2-Emissionen zu erlangen, ist nicht leicht. Dennoch verortet die Politik die Verantwortung für Nachhaltigkeit weitestgehend beim Konsumenten und der „liberale Diskurs neigt dazu, eine öffentliche Diskussion über individuelle Lebensformen zu vermeiden.“ Was können wir also noch getrost kaufen, um unseren Nahrungsmittelkonsum nachhaltiger zu gestalten?

Um diese Frage zu beantworten, hat vor einigen Jahren eine gemeinnützige Organisation namens BluePingu die Initiative ergriffen und den Bürgern im Großraum Nürnberg eine Orientierungshilfe für nachhaltigen Konsum an die Hand gegeben. Der sogenannte „Regionallotse“ ist ein gedruckter Einkaufsführer für die Regionen Nürnberg, Fürth und Erlangen, der verschiedene Betriebe als Anlaufstellen aufführt, die mit ihren Produkten einen Beitrag zu einem gemeinschaftlichen, nachhaltigem Konsumverhalten leisten. Zusammen mit dem Verein „Ideen hoch 3“ hat BluePingu dieses Angebot schließlich auf das Internet ausgelagert und eine Plattform geschaffen, die über eine interaktive Karte, ähnlich wie Google Maps verfügt. „Auf der Karte kann jeder beliebige Nutzer Adressen und Beschreibungen von Betrieben eintragen, die nachhaltige Produkte anbieten oder ihre Spezialisierung nachhaltig ausüben. Das Prinzip ist so ähnlich wie bei Wikipedia“, erklärt Isabell Galster von BluePingu. Die Beiträge werden anschließend von über 800 „Piloten“ moderiert. „Wenn ein Beitrag erstellt oder geändert wird, bekommt der zuständige Moderator eine Benachrichtigung per E-Mail. Wenn alles in Ordnung ist und kein missbräuchlicher Eintrag vorliegt, erscheint der Standort schließlich als farbige Markierung auf der Karte.“

Wenn der Nutzer einen Marker aufruft, öffnet sich ein Reiter, der eine kurze Beschreibung des Betriebs liefert. Darunter ist mit grafischer Unterstützung aufgeführt, welche Aspekte der Nachhaltigkeit die Einrichtung erfüllt. Sechst verschiedene Bewertungskriterien sind vorgegeben, die dem jeweiligen Betrieb anhand von Nutzerbewertungen zugesprochen werden können.

Da der gedruckte Sammelband in seiner dritten Auflage aus dem Jahr 2019 bereits 1.200 Seiten umfasst, bietet das Online-Angebot der sogenannten Karte von morgen eine sinnvolle Erweiterung des Archivs, die dem wachsenden Umfang der Sammlung gerecht werden kann. Anders als der Regionallotse, der sich nur auf die nähere Region beschränkt, bietet die Karte von morgen nämlich auch die Möglichkeit, Anlaufstellen auf der ganzen Welt zu vermerken. Noch sind in Europa, vor allem in Deutschland, die meisten Marker gesetzt, aber auch auf allen anderen Kontinenten wurden bereits Adressen eingetragen.

Im Raum Nürnberg sind viele Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel aufgeführt, wie beispielsweise der älteste Bio-Laden der Stadt: Lotos.

Käsetheke im Lotos Foto Bruno Stömer

Zwar wurde die Markierung auf der Karte nicht von den Betreibern selbst gesetzt, begründen können sie den Vermerk aber trotzdem: „Zunächst ist ja alles biologisch, was hier verkauft wird. Außerdem stammt ein Teil des Sortiments aus der Region und hat nur einen kurzen Weg zu uns“, erklärt eine Angestellte. „Viel des angebotenen Obsts und Gemüses kommt aus der Region und auch in der Käsetheke finden sich einige Produkte von Bio-Bauern aus Franken.“ Trotz der überschaubaren Räumlichkeiten des Geschäfts ist das Angebot äußerst vielfältig und auch frisches Gebäck sowie warme Speisen werden verkauft – natürlich alles aus zertifiziert biologischem Anbau.

Ebenfalls auf der Karte von morgen vermerkt ist das Restaurant Vegöner im Nürnberger Stadtteil Johannis – ein Imbiss, der klassische, fleischbasierte Gerichte wie Döner und Burger auf rein pflanzlicher Basis anbietet. Auch hier wird der Nachhaltigkeitsaspekt schnell klar: Die Verfügbarkeit einer guten veganen Alternative zu einem auf Fleisch basierten Produkt kann dazu beitragen, die klima- und umweltschädliche Produktion von tierischen Lebensmitteln zu reduzieren, auch wenn in dem kleinen Betrieb in Johannis keine regionalen und nicht ausschließlich biologische Produkte verwendet werden. „Wir machen Döner, wir wollen die Menschen auf der Straße ansprechen. Da muss der Preis natürlich stimmen“, erklärt Ayhan Akbal, der Inhaber des Vegöner. „Wenn wir jetzt schon acht Filialen hätten, würde ich sagen, es lohnt sich im Knoblauchsland Ackerfläche zu pachten und das ganze Gemüse selbst anzubauen. Das wäre natürlich der große Traum.“

Soweit es ihm seine Möglichkeiten erlauben ist Ayhan Akbal stets motiviert seinen Betrieb nachhaltiger zu gestalten. Er greift auf einige biologische Produkte zurück, die verwendete Sojamilch und Gemüsebrühe sind immer bio, und sämtliches Verpackungsmaterial ist aus pflanzlich kompostierbaren Rohstoffen.

Das Prinzip der Karte von morgen funktioniert also schon ziemlich gut. Noch zielgerichteter wäre es natürlich, wenn sich die Zahl der Nutzer und damit die Anzahl der Einträge vervielfachen würden, um den Auswirkungen des globalen Handelsverkehrs und dem Konsum von klima- und umweltschädlichen Produkten entgegenzuwirken. Auch die Qualität der Beiträge kann durch eine hohe Nutzerzahl gesichert werden – es kann nämlich auch jeder Nutzer zum ehrenamtlichen Moderator werden, indem er einen Abschnitt der Karte abonniert. Für diesen geografischen Abschnitt bekommt der Nutzer im Anschluss Benachrichtigungen, wenn Beiträge verfasst oder geändert werden. Im Idealfall ist der Moderator gut mit dem ihm zugeteilten Gebiet vertraut und kann entsprechend neue Einträge auf ihre Qualifikation als nachhaltiger Betrieb prüfen.

Für die Zukunft wäre noch praktisch, wenn die Karte von morgen über eine Wegbeschreibungsfunktion à la Google Maps verfügen würde. Gerade im Ausland könnte dieses Feature zu einem reibungslosen Nutzererlebnis beisteuern und einen globalen Beitrag für nachhaltigeren Konsum leisten.

von Bruno Stömer

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