Dampfmaschine mit Antriebsrad. Foto: Julian Zeilinger

Druck auf dem Kessel

Spielzeuge können einfache mechanische Antriebe zeigen und helfen zu verstehen. Dampfmaschinen. Während heute der Spielzeugtrend zu Solaranlagen geht, haben früher Dampfmaschinen begeistert. Die Spielzeugmuseumsleiterin Prof. Dr. Karin Falkenberg berichtet über eine heutige Rarität.

Ein alter Mann steht in grünem Hemd und roter Hose mit seinem Hammer an seinem Arbeitsplatz. Seine Kleidung ist verdreckt und sein Gesicht von Ruß überzogen. Eine logische Konsequenz, denn sein Arbeitsplatz ist nur 30 Zentimeter von einer Dampfmaschine entfernt. Trotzdem schafft der Schmied es auch noch nach geschätzten 120 Jahren im Beruf seinen Hammer, wenn auch leicht wackelnd, im Takt zu schwingen. Hauptberuflich übt er sein Handwerk jedoch schon lange nicht mehr aus. Denn die meiste Zeit seines wohlverdienten Ruhestandes verbringt er mit den restlichen Komponenten einer alten Spielzeugdampfmaschine hinter Glas in einer Vitrine.

Seit James Watts Weiterentwicklungen ab 1769 trieb die Dampfmaschine die Industrielle Revolution voran und bereits 1908 wird sie rückblickend als „bedeutsamste aller Kraftmaschinen für Industrie und Verkehrswesen“ in Meyers großem Konversations-Lexikon beschrieben, einem beliebten Nachschlagewerk der damaligen Zeit. Nach den bahnbrechenden Erfolgen als industrieller Antrieb fand die Dampfmaschine „ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts Einzug ins Kinderzimmer“, erklärt Prof. Dr. Karin Falkenberg, Leiterin des Spielzeugmuseums Nürnberg. „Oder eher noch Einzug in die Spielzeugwelt“, fügte sie direkt an, denn: „Erwachsene sind ganz oft die Entscheider und kaufen das Spielzeug nicht nur für die Kinder.“

Spielzeugreise durch die Zeit

So fand auch diese Spielzeugdampfmaschine nach Angaben der Familie vom damaligen Fabrikbesitzer Johann Feuerhake bereits um das Jahr 1900 und vor der Geburt seines ältesten Kindes ein Zuhause. Auch heute noch zieren seine Initialen in erhabenen Lettern die Halterung des Dampfkessels. Sie sind trotz des leichten Rosts, der sich über die Jahrzehnte durch die schwarze Lackierung arbeitete, noch gut lesbar. Seither befand sich das Modellspielzeug in Familienbesitz und für über 120 Jahre spielten nachkommende Generationen mit diesem ehemaligen Sinnbild des Fortschritts.

Doch das lange Leben ging nicht spurlos an dem Schmied vorbei. Dünne Farbschichten seiner fröhlichen Bemalung platzen von Kopf bis Fuß ab. „Ich würde vermuten, dass die Dampfmaschine früher noch weitere Figuren antrieb“, kommentiert Falkenberg die zwei ungenutzten Riemen auf der Umlenkrolle. Die Montage auf einer ausgedienten Sperrholzplatte wirkt pragmatisch und weil die Schnüre für die Kraftübertragung wohl eines Tages rissen, spannen diese mit Knotenbündeln versehen über den letzten genutzten Riemen. Kein reines Schauobjekt – ein Spielzeug.

Spielzeugdampfmaschine. Foto: Julian Zeilinger
Spielzeugdampfmaschine. Foto: Julian Zeilinger

Kulturmaschine Dampfmaschine

„Im Trend sind inzwischen eher modernere Arten der Energiegewinnung wie Solaranlangen in Spielzeug“, erklärt Falkenberg die heutige Situation „wir haben hier im Spielzeugmuseum sogar ein Atomkraftwerk.“ Lachend fügt sie an, dass diese allerdings ohne radioaktive Brennstoffzellen funktionieren. „Die Überlegung von Kraftübertragung ist immer noch die gleiche wie bei den alten Modelldampfmaschinen.“

Obwohl inzwischen in Kinderzimmern kaum noch so eine Wärmekraftmaschine auffindbar ist, erzeugen wir auch heute noch einen großen Teil unseres Stroms mit dem designierten Nachfolger der Dampfmaschine, der Dampfturbine. Einen Kultstatus wie ihr Vorgänger erreichten diese allerdings nie. Als Modeobjekt der jüngeren Vergangenheit erfreuten Dampfmaschinen in Miniaturformat immer noch Sammler, Modellbauer und Tüftler unabhängig von Alter und Geschlecht. „Die Begierde und Begeisterung von diesem Spielzeug findet man ja beispielsweise auch bei Karlsson vom Dach“, erklärt die Museumsleiterin.

Spielzeugschmied (Foto: Julian Zeilinger)
Spielzeugschmied (Foto: Julian Zeilinger)

Spiel mit dem Feuer

Denn wenn die Flammen unter dem mit Wasser gefüllten Kessel genug Druck aufgebaut hat, um den heißen Dampf durch die alten Messingrohre zu schießen, vergrößert das nicht nur Kinderaugen. Direkt nach einem beherzten Anschubsen des Antriebsrads zum Betriebsstart ist zu hören, wie der Schmied unermüdlich den Amboss mit seinem Hammer bearbeitet. Das sich schnell wiederholende helle Klirren schneidet durch die Geräuschkulisse von ratternden Rollen und dem Pfeifen der Maschine. Die Knoten in den über die Riemen schnellenden Schüren sind durch deren Geschwindigkeit kaum noch erkennbar. Die Flammen verbrauchen immer mehr von dem weißen Brennstoff unter dem Kessel.

Nur wenige Sekunden nachdem das Feuer dann schließlich erlischt, verschwindet auch das helle Klirren des Hammerschlags. Nach Auskühlung und Reinigung wandert der alte Mann mit grünem Hemd und roter Hose zurück in die Vitrine. Könnte er sprechen, wäre er sicherlich ein vielgefragter Gastredner. Er bleibt ein stummer Zeitzeuge – und ein ganz besonderes Spielzeug.

Von Julian Zeilinger

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