Elektromobilität im Kleinformat

Viele kennen ihn, wissen aber nur wenig über die Art und Weise wie er funktioniert – der Autoscooter. Ein Experte erklärt das Fahrgeschäft.Womit die Industrie und Automobilhersteller seit Jahren zu kämpfen haben, meistert ein Autoscooter schon seit knapp einem Jahrhundert mit Leichtigkeit:

Das Befördern von Personen mithilfe von elektrischem Strom. Die Elektromobilität der Fahrzeugindustrie steckt hingegen noch immer in den Kinderschuhen.

Ein lautes Startsignal ertönt: Wie aus der Pistole geschossen schieben die Fahrer der bis zu 10 km/h schnellen fahrbaren Untersätze ihren Chip in den Schlitz. Einrastende Gaspedale sind zu hören, das dreirädrige Gefährt rollt geräuschlos nach vorn. Keine zehn Sekunden vergehen bis zum ersten Zusammenprall. Der Knall der Kollision übertrifft nicht nur die laute Partymusik im Hintergrund, sondern auch das Gelächter der kreischenden Jugendlichen. Verletzungen? Fehlanzeige.

In Windeseile wird der wendige Autoscooter um 180 Grad manövriert, weiter geht die Fahrt. „Wenn die Jugendlichen abends da sind, drehen wir schon mal eine Stufe auf und fahren schneller, damit’s auch Spaß macht!“, sagt Johannes Braun, Schausteller und Betreiber in der achten Generation.

Ein Vorbild für die Straße

Elektrische Oldtimer  Foto: Jan Hauck

Dass das erste Fahrzeug mit Verbrennermotor von Ford nur knapp 20 Jahre vor dem ersten Autoscooter in Deutschland vom Band lief, ist wohl nur wenigen bekannt. Viel hat sich an der Funktionsweise im Grunde nicht geändert. Noch immer werden Bumper Cars, so der geläufige Name in Amerika, über ein 360 Grad frei drehbares Elektrorad im Frontbereich angetrieben. Was mit diesem Rad möglich ist, zeigen begeisterte Fahrer im rhythmischen Licht: Graziöse Pirouetten werden gedreht, manch einer bevorzugt sich rückwärts fortzubewegen. Umso größer ist das Gelächter beim erneuten Zusammenprall.

Aber ohne Strom – kein Antrieb. Deshalb befindet sich eine große Antenne hinter der Rückbank, die in Kontakt mit einem gespannten Stromnetz über der Fahrfläche steht. „Wir haben in der Kasse eine große Gleichrichter-Anlage von Siemens, die mit einer 90 Volt Spannung arbeitet. Wenn die Fahrt losgeht, geben wir ein Plus-Signal an das Decken-Stromnetz, während der Boden ein Minus-Signal erhält. Über den Stromabnehmer, die Antenne, funktioniert das System“, erklärt der Scooter-Experte.

Das Fahrzeug leitet die Elektrizität anschließend über eine aus Stahl bestehende Kontaktbürste am Unterboden weiter. Erst dann ist der Stromkreis geschlossen und Energie verwandelt sich in Vortrieb. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Besucher bei Berührung mit der Fahrfläche vor Stromschlägen geschützt sind. Was die dreirädrigen Scooter technisch im Kleinformat leisten, vollbringen Straßenbahnen täglich. Mithilfe von Oberleitungen werden tausende Passagiere sicher und entspannt ohne Verbrennermotor innerhalb Nürnbergs transportiert. Ganz nach Vorbild des Autoscooters, nur mit einem fest vorinstallierten Schienensystem.

Können ist gefragt

„Unsere Autos sind mittlerweile 16 Jahre alt“, sagt Johannes Braun. Tatsächlich sind jedoch bei genauerer Betrachtung verhältnismäßig wenige Gebrauchsspuren zu erkennen. Freilich fühlt sich der Gummi-Rahmen, der sich wie ein Rettungsring um das Fahrzeug schlängelt, stärker abgenutzt und rau an. Allerdings absorbiert dieser auch sämtliche Kräfte eines Aufpralls. Die Fahrerkabinen hingegen hinterlassen meist einen gepflegten, tadellosen Eindruck. „Die Autos müssen jeden Tag gewartet, kontrolliert und dokumentiert werden. Wir drehen sie außerdem aller drei Tage einmal um und reinigen die Kontakte für eine möglichst geringe Reibung.“ Das bedeutet viel Arbeit für den Betreiber und sein Team: „Wir machen zum Glück alles selbst. Das muss ein Schausteller auch können. Egal ob es sich um schweißen, bauen oder lackieren handelt.“

Spaß für jede Altersgruppe  Foto: Matthias Friedel

In der Saison 2020 sollen alle Autoscooter ausgetauscht werden. Allerdings sind auch die neuen nicht mit einem Akku-Speicher ausgestattet, sondern weiterhin mit Antennen und Kontaktflächen. Noch immer steckt der Betrieb über Batterien in den Kinderschuhen. Aber nicht nur der teure Herstellungsprozess, sondern auch die auf Dauer abnehmende Kapazität der Energiespeicher stellt ein Problem dar. Für das altbewährte System ist ein stundenlanger Betrieb ohne Pause keine Herausforderung. Dafür verlangt die Nutzung der elektromobilen Scooter auch ein Arsenal an Ausrüstung vor Ort. „Wir brauchen für den Transport vier Anhänger mit jeweils zwölf Meter Länge. Unser Fuhrpark besteht aus 28 Fahrzeugen und der Kasse, in der alles Wichtige enthalten ist: Lauflichtgeräte, Musikanlage und Gleichrichteranlage.“

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