Heitere Karambolage

Im Gegensatz zu einem Verkehrsunfall bereiten die Kollisionen in Autoscootern viel Vergnügen. Doch warum sind diese Art der Stöße für Fahrer nicht gefährlich? Ein Blick in die Physik schafft Klarheit.

Foto: Rebecca Herrmann

Den Kraftstoß in der Praxis testen: Bereits zur frühen Stunde beweisen sich erste Gäste auf der Fahrfläche. Foto: Rebecca Herrmann

Schon eine halbe Stunde vor Öffnung der Fahrgeschäfte warten die ersten Besucher gespannt und suchen sich ihre favorisierten Autoscooter aus. Pünktlich zur Eröffnung ertönt die Musik und die Lichter an der Decke stimmen die Besucher farblich auf das Spektakel ein. Ein lauter Hupton verkündet den Start, die Chips klimpern in die Schlitze der Scooter und schon rollen die Wagen los. Gespannt verfolgen sich die Fahrgäste und flitzen kreuz und quer über das Parkett. Mit lauten Stößen knallen die Scooter ineinander. Trotz der Wucht ist das Gelächter groß. Der Clou: Anders als bei einem Verkehrsunfall verläuft der Stoß elastisch.

Die Physik hinter dem Phänomen

Um die Bewegung von Objekten beschreiben zu können, wird der Impuls angewendet. Er ist das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit eines Körpers. Die Physik unterscheidet beim Impuls zwischen elastischen und inelastischen Stößen. Inelastisch bedeutet: Ein Teil der Bewegungsenergie geht beim Stoß verloren, beispielsweise in Wärme oder die Verformung von Objekten. Es gibt viele Alltagssituationen, die den Unterschied verdeutlichen: Der Einschlag eines Steins in den Boden, der Zusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge oder der Hammerschlag auf einen Nagel. Prallen hingegen zwei Autoscooter gegeneinander, zeigt sich der gleiche Effekt wie beim Stoß zweier Billardkugeln oder dem Wegschlagen eines Golfballs: Die Körper weisen nach dem Stoßvorgang keine Verformung auf und nehmen wieder ihre ursprünglichen Form an. Für beide Arten der Stöße gilt die Impulserhaltung, nicht aber die Energieerhaltung. Genau darin liegt der Unterschied. Beim elastischen Stoß ist die Bewegungsenergie nach dem Stoß genauso groß wie vor dem Stoß. Im System bleibt diese also erhalten. Da es sich bei Autoscootern um beschleunigte Massen handelt, ist neben dem Impuls eine weitere physikalische Größe von Bedeutung: Beim Zusammenprall erfahren beide Stoßpartner eine Kraft. Diese Wechselwirkung wird durch das dritte Newtonsche Gesetz „actio gegengleich reactio“ beschrieben. Beide Wagen üben gleichzeitig eine Kraft auf das andere Fahrzeug aus und erfahren dabei jeweils die Wucht des Stoßpartners. Die Kräfte wirken gegengleich.

Von der Theorie zur Praxis

 

Foto: Marcello Soldani

Bis zu 56 Personen können gleichzeitig Spaß am Fahrvergnügen haben. Foto: Marcello Soldani

Bis zu 20 km/h können die Wagen schnell werden. Aus Sicherheitsgründen wird in der Regel aber nur mit der Hälfte des Tempos gefahren. Gesteuert wird die Höchstgeschwindigkeit über eine angelegte Spannung zwischen Boden und Decke, die vom Kassenhaus aus kontrolliert wird. Beim Gewicht bringt ein einzelner Autoscooter ganze 200 Kilogramm auf die Waage. „Diese müssen so schwer sein, damit die Wagen beim Stoß nicht zu sehr verspringen“, erklärt der Besitzer der Anlage, Johannes Braun. „Die Scooter müssen natürlich stabil sein und auch einiges aushalten können.“ Dazu ist jedes Fahrgerät mit einem dicken Stoßdämpfer aus Gummi verkleidet, der Fahrer und Scooter zusätzlich schützt. Um die Reibung am Boden gering zu halten und dadurch eine möglichst große Schubkraft zu ermöglichen, ist die gesamte Fahrfläche mit einer Graphitschicht überzogen. Damit im Betrieb auch alles läuft und die Sicherheit gewährleistet ist, werden die Scooter täglich gewartet und die Kontakte gereinigt.

 

 

Viele mögliche Variationen

Skizze: Matthias FriedelSekundenbruchteile vor der Karambolage wird die Anspannung in Erwartung der Wucht auf den Höhepunkt getrieben. Die Kraft des Aufpralls setzt dann einen Adrenalinstoß frei. Beides in Kombination macht den Reiz am Autoscooterfahren aus. Doch welcher Fahrer geht letztendlich als Gewinner von der Fläche? Das Geheimnis, um auf dem Parkett möglichst zu dominieren, liegt an der Art des Stoßes und der dabei ausgeübten Kraft. Physikalisch wird eine Kraft aus einer Masse mal deren Beschleunigung beschrieben. „Die Maximalgeschwindigkeit ist durch die Netzspannung begrenzt. Leichtere Fahrer sind aber flinker“, verrät der Schausteller Peter Braun. Demnach können diese schneller auf das Höchsttempo beschleunigen. Bei einem großen Gewichtsunterschied erfahren leichtere Teilnehmer jedoch einen stärkeren Rückstoß als schwerere. Der heftigste Stoß entsteht bei einem frontalen Zusammenprall mit gegengleichen Geschwindigkeiten. Zwei gleich schwere, aber verschieden schnelle Fahrzeuge tauschen bei der frontalen Kollision ihre Geschwindigkeiten aus. Prallt dabei beispielsweise ein fahrender Scooter in einen stehenden, kommt der eintreffende Wagen zum Stillstand. In den häufigsten Fällen treffen die Fahrgeräte jedoch nicht zentral, sondern schräg aufeinander auf. Zentral, das bedeutet in der Physik immer längs einer Achse. Auch hier bleibt der Gesamtimpuls erhalten, nur verteilt sich dieser dann in zwei Raumrichtungen.

 

Die Gesetzmäßigkeiten der Physik lassen also viele interessante Effekte auf dem Parkett zu. Alleine die Energiebilanz entscheidet, ob der Stoß elastisch oder inelastisch verläuft. Da Autosooter mit begrenzter Geschwindigkeit fahren und elastisch zusammenstoßen, stellt das Fahrgeschäft keine Gefahr für den Menschen dar. Allein diese Tatsache reicht jedoch nicht aus, um elastische Kollisionen grundsätzlich als ungefährlich einzuordnen. Viel entscheidender sind bei einem Stoß die beschleunigten Massen und die daraus resultierende Kräftewechselwirkung. Würden Autoscooter in Geschwindigkeitsbereichen des Straßenverkehrs unterwegs sein, wären die Folgen einer Karambolage ebenso verheerend.

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