Kletternde Fassade

Endspurt für das erste Grün in der Wölckernstraße. Im Sommer2019 werden die ersten Setzlinge für die Fassadenbegrünung am Parkhaus von Musik Klier eingepflanzt. Nach sechsjähriger Planung wird das Vorzeigeprojekt der Nürnberger Südstadt endlich auch von außen sichtbar sein.

Ein Beitrag von Lucas Ott

Die Wölcknerstraße ist zwar ein extremes Beispiel, allerdings ein gutes, um zu zeigen, woher der Drang nach Grün im Nürnberger Süden stammt: Unmengen an Autos, die seitlich auf den Gehsteigen parken, zwei Fahrspuren in beide Richtungen, die an den Straßenbahnhaltestellen kurzzeitig zu einer werden. Das vorprogrammierte Verkehrschaos wird durch nah zur Straße stehende und monoton aussehende Häuser untermauert. Obwohl es fast den ganzen Tag drunter und drüber geht, vermitteln die Umstände eher ein lebloses Szenario. Inmitten dieser Einöde steht das Parkhaus von Musik Klier, das mit der geriffelten Stahlfassade und der olivfarbenen Lackfarbe sinnbildlich für das Erscheinungsbild der Straße steht.

„Wie kann ich ein hässliches Gebäude schön machen“, fragte sich Andreas Klier. Der Chef von Musik Klier, der seit 2013 Eigentümer des Parkhauses ist, reichte bereits vor sechs Jahren einen Bauantrag für eine begrünte, eventuell vertikale Gartenkonstruktion ein. „Der ursprüngliche Plan war es, die gesamte Südseite, die zur Wölckernstraße gerichtet ist, zu begrünen“, erklärt Klier. Schlussendlich wurden jedoch nur 250 der ursprünglich 600 Quadratmeter verwirklicht. „Zum einen kostet ein Quadratmeter vertikaler Garten circa 750 Euro und zum anderen sorgt die große Fläche für Probleme bei der Statik“, ergänzt Klier. Regenfälle im Winter können für anschließende Blitzeisbildung auf den Pflanzen sorgen, was sich in mehreren Tonnen Eis niederschlägt. Das hält die Fassade des Gebäudes nicht aus.

Industriekletterer beim Montieren des Gitters
Foto: Lucas Ott

Im Inneren des Parkhauses wurden zehn riesige Pflanzkästen platziert, die mit Erde gefüllt um die zwei Tonnen wiegen und genug Wurzelreich bieten. An der Außenwand wurden Gitter befestigt, die Efeu, Blauregen und Wilder Wein nutzen sollen, um innerhalb der nächsten drei Jahre die 14 Meter hohe Fassade zu erklimmen. Obwohl die Hauptarbeit nun von den Kletterpflanzen verrichtet wird und nicht wie ursprünglich geplant auch Blumen, Sträucher oder Bäume eingesetzt werden, kostet die Umsetzung dennoch etwa 85.000 Euro. „Es wurden zum Glück sehr erhebliche Fördermittel zur Verfügung gestellt“, verrät Klier. Neben der maximalen Förderung der Stadt, circa 18.000 Euro, konnte Nürnbergs Umweltreferent Peter Pluschke auch Gelder der Deutschen Nachhaltigkeitsstiftung für das Projekt gewinnen.

Auch wenn die Ästhetik wohl der interessanteste Aspekt ist, hat die grüne Fassade noch andere Vorteile. „Die immense, gen Süden gerichtete Stahlfassade des Parkhauses erhitzt sich sehr stark“, erläutert Andreas Klier. Bei solchen Gegebenheiten kann die vertikale Grünfläche besonders von Nutzen sein. „Durch entsprechende Begrünung können die Oberflächentemperaturen um bis zu vier Grad reduziert werden“, erklärt Doktor Roland Krippner, Professor an der Fakultät Architektur der Technischen Hochschule Nürnberg. Nicht zu unterschätzen sind auch Punkte wie die Verbesserung des Mikroklimas, die Erzeugung eines Biotops und der Lärmschutz – ganz besonders in urbanen Gebieten.

Aber was hilft schon ein grünes Gebäude? Zunächst einmal nicht so viel, aber es gibt einen Klimaschutzfahrplan der Stadt Nürnberg. „Darin ist vorgesehen, dass in stark verdichteten Gebieten wie der Südstadt Vorkehrungen getroffen werden, die der Erhitzung im Sommer entgegenwirken“, ergänzt Krippner. Darunter fällt Gebäudebegrünung, aber auch straßenbegleitende Bepflanzung. Das soll beispielsweise auch bis 2020 in der Wölckenerstraße umgesetzt werden. Neben einem neuen Verkehrskonzept sollen die Gehsteige von Autos befreit und dadurch Platz für mobile Bäume geschaffen werden.

Trotz vieler Vorteile, die die grüne Fassade nach sich zieht, und der aktiven Unterstützung der Stadt existieren bisher nur wenige solcher Projekte in Nürnberg. „Es gibt immer noch ein großes Informationsdefizit hinsichtlich der Gebäudebegrünung“, erläutert Krippner. Umso wichtiger, dass erste Umsetzungen wie am Parkhaus von Musik Klier zu sehen sind. „Wir reden alle über Klima mehr denn je und ich denke, das könnte ein kleines Pilotprojekt werden, was auch andere an den Start bringt“, meint Andreas Klier.

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