Kräftemessen auf dem Volksfest

Auf dem Nürnberger Volksfest können sich die Besucher schwindelerregenden Rotationen hingeben und einen atemberaubenden Ausblick über die Stadt genießen. Für Adrenalin-Junkies gibt es diese Aussicht sogar mit Highspeed-Ticket nach unten.

Ein Beitrag von Bruno Strömer

Hinter all den Attraktionen stecken ingenieurtechnische Meisterleistungen, die dafür sorgen, dass die Besucher sicher nach oben und auch wieder runter kommen. „Die einen schreien laut auf, den anderen bleibt die Luft weg“, erzählt Toni Van der Beek-Doornberg, der Betreiber des Skyfall, einem 80 Meter hohem Freifall-Turm. Leistungsstarke Elektromotoren ziehen die Gondel gleichmäßig nach oben. Zwar löst sie sich nach ein paar Minuten mit einem sanften Ruck vom Förderschlitten, doch durch den Überraschungseffekt gibt es wohl kaum jemanden, dem in diesem Moment nicht das Blut durch die Adern schießt. Der Schausteller sitzt abseits vom Festgeschehen in einem abgetrennten Bereich auf einem Gartenstuhl, während er spricht, dennoch sind im Hintergrund die Schreie der Fahrgäste und die Sprüche der Schausteller zu hören, die über ein Mikrofon ihren Schabernack mit den Passagieren treiben und die Gäste zur Teilnahme animieren.

Ohne Seilverbindung in den freien Fall

Alle Fahrgeschäfte sind abends beleuchtet Foto: Julia Schneider

Zu fünft arbeiten die Männer am Skyfall. „Während einer die Kasse macht, kümmern sich die anderen um die Passagiere und die Gondel. Bis zu 24 Personen haben im Fahrkorb Platz. Pro Person geht man pauschal von circa 100 Kilogramm Gewicht aus. Gondel und Schlitten wiegen zusammen zusätzlich noch etwa sieben Tonnen“, erklärt Van der Beek-Doornberg.  Um dieses Gewicht, das bei maximaler Teilnehmerzahl ungefähr 9,4 Tonnen beträgt, in knapp 80 Meter Höhe zu befördern, arbeiten gleichzeitig vier Gleichstrommotoren mit einer Leistung von je 40 Kilowatt. Da die Elektromotoren parallel laufen, ergibt sich eine Kraft, die mit der eines Audi A6 des aktuellen Modells zu vergleichen ist. Es ziehen also rund 200 Pferdestärken den Fahrkorb über eine Seilwinde am Turm nach oben.

Das Seil ist mit dem Förderschlitten verbunden, an dem wiederum an zwei starken Haken der Fahrkorb hängt. Oben angekommen, wird die Gondel von den Haken in den freien Fall abgelassen.

Todsicher

Auch wenn die Fahrt eine Menge Mut erfordert, „ist es absolut ungefährlich“, erklärt Van der Beek-Doornberg. „Selbst wenn der Strom ausfällt oder einer der Haken bricht, kann nichts passieren.“ Sollte sich die Gondel also unverhofft lösen und zu allem Unglück im selben Moment der Strom ausfallen, würde womöglich nichts anderes passieren als beim planmäßigen Betrieb. Die Magnetbremsen des Towers funktionieren völlig ohne Strom, was eine Bruchlandung ausschließt.

„Wenn die Gondel oben hängen bleibt, haben wir eigentlich das größte Problem“, sagt der Schausteller. „Dann müssten wir hochklettern und den Fahrkorb manuell zum Fallen bringen.“

Ab der Mitte des Turms abwärts sind immer im Vierer-Paar die sogenannten Finnen angeordnet. Finnen sind längliche Magnete, die aus verschiedenen Legierungen gebildet werden. Aufgrund der abweichenden Zusammensetzung haben sie ein unterschiedlich starkes Magnetfeld. Durch die richtige Anordnung ist dafür gesorgt, dass der Fahrkorb mit den Passagieren sanft abbremsen kann.

„Das System ist todsicher. Die Bremsmagnete sind unglaublich stark. Schließlich rast die Gondel mit knapp 100 Kilometern pro Stunde in die Bremsen“, sagt Van der Beek-Doornberg, ein Mann, der angesichts seiner Statur den Glauben stärkt, er wisse wovon er spräche, wenn es um Kraft geht.

Vier Motoren, ein Rad

Viel Kraft wird auch benötigt, um das bei Nacht von circa 600.000 Leuchtdioden beleuchtete Riesenrad zu bewegen. Mit einer Drehgeschwindigkeit von zweieinhalb Metern die Sekunde geht es hier etwas langsamer zu als beim Freifall-Turm. Damit ist es eher etwas für Besucher, die eine schöne Aussicht ohne anschließenden Adrenalinkick bevorzugen.

Das Riesenrad wird von vier 50 Kilowatt starken Gleichstrommotoren angetrieben. „Die Motoren sind rechts und links vom Einstiegsbereich angeordnet“, erklärt Sebastian Willenborg, der Besitzer des knapp 50 Meter hohen Fahrgeschäfts. „Die Motoren übertragen die Kraft auf Reibräder, die an das Riesenrad gepresst sind.“

Strom für eine Kleinstadt

Willenborg-Riesenrad Foto: Bruno Stömer

Die Geräusche und Lichter von hunderten von Ständen und Fahrgeschäften erzeugen die einzigartige Jahrmarktsatmosphäre. Um dieses Ambiente, die Bewegung und Beleuchtung zu herzustellen, bedarf es der Energieversorgung wie für eine Kleinstadt. Zwischen all den auf Hochtouren laufenden Maschinen und den blinkenden Lichtern stellt sich dem einen oder anderen Besucher vielleicht die Frage nach der Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit so einer Veranstaltung.

Mit der Verwendung von Leuchtdioden statt Glühbirnen konnte bereits eine Menge an Energie und Kosten eingespart werden. „Seit alles mit Leuchtdioden bestückt ist, fordert die Beleuchtung 80 Prozent weniger Leistung als noch zu Zeiten der Glühbirne“, sagt Van der Beek-Doornberg. „Als alles noch mit Glühbirnen beleuchtet wurde, waren es etwa 50 Kilowatt allein für die Beleuchtung.“

Der Betreiber des Freifall-Turms ist mit dieser Änderung aber noch nicht zufrieden. Er zieht den Vergleich zur Autoindustrie, konkret zu den als umweltfreundlich und nachhaltig beworbenen Elektrofahrzeugen, für deren Produktion eine mitunter umweltschädigende Form des Rohstoffabbaus betrieben werde. „Man weiß ja nicht mal, ob man jetzt überhaupt etwas besser macht als vorher“, sagt der Schaustelle. Zwar kosten die Leuchtdioden weniger Strom, aber ob diese letztendlich nachhaltig sind, darauf will sich er nicht festlegen. Aber in Sachen Energieverbrauch sei ein großer Schritt in die richtige Richtung getan.

 

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