Muster über Muster: Der Moiré- Effekt

Ein gutes Hemd, Anzug und die schönen Lederschuhe. Alles, was ein Mann braucht, um auf einem Bewerbungsfoto gut auszusehen. Beim Fotografen werden die Bilder geschossen und direkt einmal betrachtet. Doch irgendwas ist faul.

Auf Hemd und Anzug zeichnet sich ein seltsames Muster ab, das die Freude über die Bilder schmälert – der Moiré-Effekt. Der Fotograf Kevin Pham steht mit seinem Kunden an der Kamera und betrachtet die eben geschossenen Fotos. Die Verwirrung ist dem Modell immer noch ins Gesicht geschrieben, doch Kevin beruhigt ihn schnell. „Die Musterungen auf Hemd und Anzug sind nur in der Kamera zu sehen. Das liegt am Display. Sobald ich sie am Computer zur Bearbeitung habe, wird die Musterung verschwunden sein.“ Worauf er anspielt, ist der Moiré-Effekt. Es sieht aus wie unterschiedlich dicke Striche, die sich kreuz und quer über das Hemd und den Anzug ziehen. Die eigentliche Musterung verschwindet dabei teilweise und das Ergebnis sieht aus wie ein Fehler im Material.

Nicht so wie es scheint

Der Moiré-Effekt auf der Kleidung. Foto: Pascal Geck

Der Moiré-Effekt ist eine Art von Überlagerung. Hier liegen verschiedene Raster, also Gitter mit Punkten in immer gleichen Abständen, übereinander. Verdrehen sich diese nun gegeneinander, zum Beispiel durch die Art wie der Stoff des Hemdes fällt, kommt es zu einer Art Interferenz. Es gibt Stellen, an denen nun Punkte näher beieinander sind und Stellen, an denen das Raster gleich bleibt. So bilden sich dunkle und helle Stellen im Muster. Bei Kevins Foto bildet die Pixelstruktur im Display der Kamera das zweite Raster. Je nachdem, wie das Foto geschossen wird, liegen das Raster der Kleidung und das des Displays nicht mehr regelmäßig übereinander und es kommt zur Musterung. Diese kann stärker oder schwächer ausfallen oder je nach Kleidung auch gar nicht auftreten. Derselbe Effekt tritt auch auf, wenn es Raster mit unterschiedlich großen Abständen sind. Hier lässt sich ein Moiré nicht vermeiden. Auch eine Kombination beider Fälle kann auftreten und zum beschriebenen Ergebnis führen.

Was Kevin also als unproblematisch dargestellt hat, ist demnach auch so. Die Musterung ist nicht im Bild sondern lediglich bei der Darstellung auf dem Display zu erkennen. In der Fotografie gibt es allerdings auch Fälle, bei denen dieser Effekt nicht so einfach zu handhaben ist. Tritt ein Moiré zwischen fotografiertem Objekt und dem Sensor in der Kamera auf, so ist die Musterung fest im Bild und muss über Nachbearbeitung entfernt werden.

Ein einfacher Tipp, so Kevin, ist: „Einfach mal auf der Kamera ins Bild hineinzoomen. Wird der Effekt schwächer, so ist die Musterung im fertigen Bild nicht zu erkennen. Bleibt er beständig, muss nachbearbeitet oder nochmal fotografiert werden.“ Des Weiteren erwähnt der Fotograf noch andere Anwendungsfelder in denen ein Moiré auftreten kann. Der Digitaldruck ist eines davon.

Ein digitales und analoges Phänomen

Moira-Effekt im Punktraster. Grafik: Pascal Geck

So wird beim Druck von Magazinen oder Zeitungen mit unterschiedlichen Rasterweiten und Rasterwinkeln gearbeitet. Passen diese nicht mit dem Raster der verwendeten Motive zusammen, kann im fertigen Printerzeugnis ein Moiré auftreten. Eine Garantie, den Effekt hier zu vermeiden, gibt es nicht. Die einzige Möglichkeit sind Probedrucke, was eine deutlich teurere Methode ist, um Fehler zu vermeiden. Doch die sind allemal billiger als eine ganze Charge an Fehldrucken.

Der Moiré-Effekt ist in vielen Gewerben eher unerwünscht und führt zu Schwierigkeiten, doch er findet auch positive, meist kunstvolle Anwendungen. Ein Beispiel hierfür ist Moiré-Papier, welches als Vorsatzpapier oder für Bucheinbände genutzt wird. Der Name kommt von der Musterung oder Marmorierung in Moiré Optik. Zur Herstellung werden grob-gerippte Lagen Papier oder Karton, die das Raster bilden, aufeinander gelegt und gegeneinander verdreht. Zwischen erhitzten Walzen werden diese anschließend gepresst und an den Überlagerungen der Rippen kommen helle, glänzende Stellen in der Musterung zum Vorschein. Eine ähnliche, gewollte Musterung kann man auch bei Seidenbändern finden. Das Moiré entsteht durch die übereinandergelegten Stoffschichten und verleiht dem Stoff so mehr Struktur.

Moiré in der Natur

Neben all den sehr speziellen Anwendungen kann man den Effekt jedoch auch in freier Wildbahn in der Natur betrachten. Geländer sind vermutlich einer häufigsten gesehenen und übersehenen Träger des Moiré-Effekts. Läuft man an einem Geländer vorbei und achtet darauf, so kann man zwischen dem vorderen Geländer und dem Hinteren durch die Lücken ein Moiré erkennen. Die Verschiebung der Raster passiert hier durch den Blickwinkel des Betrachters, da weiter entfernte Stangen näher beisammen erscheinen als andere.

Nach kurzer Wartezeit sind die anfänglich geschossenen Bilder nun durchgeschaut, die besten ausgewählt und auch schon bearbeitet. Ein Klicken der Maus später fängt der Drucker an zu rattern und die fertigen Bewerbungsbilder kommen heraus. Kevin hatte Recht und die Musterung ist auf den Bildern nicht zu erkennen und der Kunde ist glücklich über die tollen Bilder.

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