Nürnbergs Wunsch von der Zukunftsmobilität

Die Stadt Nürnberg hat eine Vision von der nachhaltigen Mobiltität. Mithilfe von verschiedensten Konzepten soll die Stadt für die E-Mobilität ausgebaut werden. Eine komplexe Aufgabe, die unter anderem einen Ausbau der Infrastruktur voraussetzt.

Im Laufe dieses Jahres soll das innovative Parkhaus der N-Ergie in Nürnberg-Sandreuth eröffnet werden. Mit einer Ausstattung von rund 130 Ladesäulen für Elektroautos sowie Ladestationen für E-Bikes und E-Roller, intelligenter Steuerung der Parkbelegung und Solarmodulen auf dem Dach könnte dieses Parkhaus als ein Sinnbild für Zukunftsmobilität stehen. Das Konzept gleicht der eines autonomen E-Autos: futuristisch und mit allerhand innovativer Technologie ausgestattet. Für die zukünftige Mobilität Nürnbergs steht fest: Sie soll so nachhaltig sein wie nur möglich. Zwar tragen Elektromobilität und Digitalisierung einen Teil zur Verkehrswende bei, allerdings kennzeichnet ökologisches Denken eine ganzheitliche Betrachtung des Verkehrssystems.

Die Stadt Nürnberg hat in ihrem letzten Nachhaltigkeitsbericht 2018 einen Schwerpunkt auf nachhaltige Stadtentwicklung gelegt mit dem Thema Zukunftsmobilität. Ziel ist es, die Stadt und den Verkehr möglichst nachhaltig zu gestalten. Für die Umsetzung braucht es ein effizientes Mobilitätskonzept. „Klar fördern wir Elektromobilität, aber nicht als Heilsbringer für alle Probleme in der Stadt. Es geht nicht darum, lediglich die heutigen Fahrzeuge, die wir auf der Straße haben, durch Elektromobilität zu ersetzen“, erklärt Frank Jülich, Leiter des Verkehrsplanungsamtes Nürnbergs. Demnach liegt die Aufgabe darin, für Bewohner und für Pendler eine attraktiv gestaltete und stabile Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Zugleich sollten Klimaschutz und die bestmögliche Lebensqualität gewährleistet werden. Dazu müssen Faktoren wie die Umweltbelastung durch Kohlenstoffdioxid, Lärmbelästigung, Urbanisierung und Flächennutzung für Siedlungs- und Verkehrszwecke berücksichtigt werden. Genau diese Aspekte gilt es zu minimieren. Hingegen sollen Maßnahmen zur Unabhängigkeit des Menschen vom Auto gefördert werden. „Am liebsten würden wir es gerne sehen, wenn wir die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren.“ Die meisten Autos werden nämlich nur rund 30 Minuten am Tag bewegt. Die restlichen Stunden stehen sie rum und nehmen wertvolle Fläche in Anspruch.

Weg von der privaten Massenmotorisierung

Nürnberg gehört zu den Spitzenreitern, wenn es sich um die Anzahl angemeldeter PKW pro Kopf handelt. Im Jahr 2019 waren es etwa 296.000 Fahrzeuge. Im Vergleich zu 2018 gab es einen Anstieg von über 1900 Autos. Nach dem aktuellen Modal Split, also die Verteilung der Wege auf die verschiedenen Verkehrsarten, belaufen sich rund 39 Prozent des Verkehrs auf die Nutzung privater Autos. Nürnberg will den Kfz-Verkehr auf 32 Prozent verringern. „Das heißt, von den 100 Prozent aller Wege, die die Nürnbergerinnen und Nürnberger zurücklegen, das sind ungefähr 1,5 Millionen pro Tag, müssten wir sieben Prozentpunkte reduzieren“, erläutert der Verkehrsplanungsamtsleiter. „Das ist eine Menge, aber wir wissen, dass sehr viele Autofahrten in Nürnberg unter fünf Kilometern liegen, für die es keinen Sachzwang gibt. Insofern ist grundsätzlich ein hohes Potential für Verkehrsverlagerungen vorhanden.“

Jedoch ist die Infrastruktur in Deutschland für die Streckenbewältigung mit dem Auto ausgelegt. Somit hängen Mobilität und Stadtentwicklung eng zusammen. Es herrscht ein Bedürfnis nach Raum für Fußgänger und Fahrradfahrer. Besonders, was den Fahrradverkehr angeht, braucht es ein Konzept, das Lücken in den Radverkehrsnetzen ergänzt und die Sicherheit der Fahrradfahrer berücksichtigt oder im besten Fall garantiert. Aber ebenso müssen die öffentlichen Verkehrsnetzte erweitert werden. „Das erfordert aber viel Mut und politische Unterstützung in der Umsetzung. Heißt, ganz starke Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, stark in den Radverkehr investieren und die Situation für die Fußgänger verbessern“, betont Jülich. Hinsichtlich dieser Punkte ist die Stadt zwar schon seit einigen Jahren aktiv dabei Fortschritte zu erzielen, doch bis zum erwünschten Ergebnis braucht es mehr Zeit und Geld. Jülich sieht unter Betrachtung der meist sehr kurzen Strecken, die mit dem Auto gefahren werden, Carsharing als potenzielles Zukunftsmodell. „Wir wollen das gerne im öffentlichen Raum deutlich stärker platzieren.“ Seit 2016 stehen insgesamt 55 Charsharing-Fahrzeuge an 30 Mobilpunkten beziehungsweise ÖPNV-Haltestellen.

Mehr E-Motoren auf Nürnbergs Straßen

Nürnberg braucht eine effiziente Infrastruktur, welche Fahrradfahrer, Fußgänger und den ÖVPN mehr fördert Foto: Vanessa Arendt

Selbst wenn der Fokus darauf ausgerichtet ist, die Stadt von Autos zu entlasten, lässt sich der PKW-Verkehr nicht komplett vermeiden. Dabei sind sich Frank Jülich und Guido Weissmann, Physiker und Verantwortlicher für die Kompetenzstelle Elektromobilität bei Bayern Innovativ einig. Für den notwendigen Verkehr, das heißt die unvermeidbare PKW-Nutzung und die öffentlichen Verkehrsmittel, sei Elektromobilität aktuell die effizienteste Lösung. Durch elektrifizierte Fahrzeuge wird der Kohlestoffdioxidausstoß verringert und die Lebensqualität verbessert.  Dementsprechend gab es von der Bundesregierung das Sofortprogramm Saubere Luft von 2017 bis 2020, das die Digitalisierung und Elektrifizierung kommunaler Verkehrssysteme unterstützte. In Nürnberg kümmert sich die Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) um die Elektrifizierung der Busse. Was dabei nicht außer Acht bleiben darf, ist die Ladeinfrastruktur. Anhand des Förderprogramms für ökostrombetriebene Ladesäulen wird diese verbessert. Primär ginge es aber darum „den Menschen die Sicherheit zu geben, dass sie nicht stehenbleiben“, sagt Guido Weissmann als Zuständiger für das Programm. Folglich wird so auch die private Nutzung von E-Fahrzeugen unterstützt. Weissmann ist überzeugt, es sei sinnvoll einen stärkeren Fokus auf E-Mobilität zu legen. „Momentan gibt es schon über 500 000 Elektroautos in Deutschland mit enorm steigenden Absatzzahlen.“

Bekannterweise bringen E-Fahrzeuge eine Co2-Last mit sich, da bei der Herstellung der Batterien eine Menge an Energie benötigt wird. Für Nürnbergs Co2-neutrale Mobilität möge es sich rentieren auf E-Motoren zu setzen. Doch wie nachhaltig ist diese wirklich, wenn der Herstellungsprozess mit betrachtet wird? „Die Realität ist, dass nicht alle Batterien aus China mit einem schlechten Energiemix kommen“, erzählt der Physiker. „Das E-Auto ist immer umweltschonender als der Verbrenner.“ Dies bestätigt auch die Studie von der Technischen Universität Eindhoven im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion. Fakt ist: Bei der Produktion der Batterien werden nach Angaben der Studie in der EU hauptsächlich Erneuerbare Energien verwendet und dieser Anteil wird in den kommenden Jahren steigen. „Das E-Auto wird mit jeder neuen Windkraftanlage einfach ökologischer“.  Darüber hinaus werden die Fahrzeuge preiswerter. Eine Studie der Unternehmensberatung PwC ergab, dass im Jahr 2024 batterieelektrische Mittelklasse-Pkw mit 300 Kilometer Reichweite sogar günstiger sein sollen als vergleichbare Verbrenner.

Elektromobilität versus Wasserstoff

Als weitere zukünftige Alternative für den Fahrzeugantrieb kommt immer wieder Wasserstoff zur Sprache, weil dieser umweltfreundlicher sei als eine E-Batterie. Wasserstoff ist effizienter für Langstrecken oder Schwertransporte, wie bei Lkw und Flugzeugen, für Autos jedoch nicht. „Wenn ich grünen Wasserstoff haben will, dann muss ich den mit grünem Strom machen. Da bräuchte ich noch mehr Strom als bei der E-Batterie, um dann damit fahren zu können“, unterstreicht Weissmann. Grund dafür ist der Produktionsprozess des Stroms. Dieser erfordert deutlich mehr Schritte als bei der Stromerzeugung für E-Fahrzeuge. Die Kernproblematik: Wasserstoff muss unter deutlich höherem Energieaufwand produziert werden. Der Energieträger ist folglich klimatisch nur bedingt vorteilhaft.

Vorerst wird es zumindest im privaten und öffentlichen Nahverkehr bei der Elektromobilität bleiben. Dennoch steht als Zielsetzung, das Transportaufkommen auf die PKW-freien Bewegungsmöglichkeiten zu lenken. Hierbei sei es im Endeffekt aber eine Frage der Attraktivität. Das Angebot müsse so gestaltet werden, dass es den Menschen den Anreiz gebe sich unabhängig vom Auto zu bewegen.

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