Physik im Schleudergang

In rasanten Kreiseln werden die Passagiere im Break Dance herumgeschleudert. Wo muss der Fahrgast mit der größten Fliehkraft rechnen und wie wirkt sie sich auf dessen Gleichgewichtssinn aus?

In halsbrecherischen Manövern wirbeln die bunten Gondeln auf der Drehscheibe wild im Kreis und versetzen die Fahrgäste in Stöhnen und Kreischen. „Seid ihr bereit für den letzten Kick?“, schmettert es aus einem Lautsprecher. Unter Gejubel nimmt das Fahrgeschäft nochmal ordentlich Fahrt auf, bis die Insassen wenig später sichtlich erleichtert und zwei Hauttöne blasser wieder festen Boden unter den Füßen spüren.

Seit über 30 Jahren ist das Break Dance in Betrieb. Foto: Moritz Gericke

Die meisten Gäste nehmen die Fahrt auf die leichte Schulter, weiß Julian, der seit etwa vier Jahren die Kontrolle über die rotierenden Gondeln übernimmt. Als Rekommandeur kennt er sich bestens mit seinem Fahrgeschäft aus und weiß, wie er seine Gäste so richtig ins Wirbeln bringen kann. Im Grunde hat sich das Break Dance seit seiner Herstellung im Jahr 1987 trotz modernisierter Bauteile nicht großartig verändert. „Ein Jahr jünger als ich selbst“, fügt der Schausteller mit Augenzwinkern an. Das Geschäft besteht aus einer geneigten Scheibe, die sich gegen den Uhrzeigersinn mit 14 Umdrehungen pro Minute bewegt. Die vier darauf angebrachten Gondelkreuze drehen sich doppelt so schnell in die entgegengesetzte Richtung und versetzen die frei drehenden Gondeln in Rotationen. So dreht sich jeder Gast bei einer Fahrt neben zwei sich überlagernden Rotationsachsen noch wild um die eigene Achse, selten mehr als zwei Runden hintereinander in die gleiche Richtung. Das macht auch den besonderen Reiz des Break Dance aus. Dadurch, dass der Rekommandeur wenig Einfluss auf die Bewegungen der einzelnen Gondeln hat, ähnelt keine Fahrt der darauffolgenden. Zudem sind die Fahrgäste in der Lage, die jeweilige Rotation zu begünstigen oder zu verstärken, indem sie sich in die jeweilige Drehrichtung lehnen. Dabei müssen die Rotationsachsen bei voller Fahrt eine Last von bis zu 2,5 Tonnen stemmen.

Die Fliehkraft drücken die Passagiere in ihre Sitze

Was passiert nun mit dem Gast bei einer Fahrt, der nach einem solchen Schleudergang meist einige Zeit benötigt, um wieder Herr seiner Sinne zu werden? Die Fahrgäste spüren beim Umherwirbeln, mal stärker mal schwächer, eine Kraft, die sie in ihre Sitze drückt. Diese Kraft ist die Zentrifugalkraft oder Fliehkraft, welche alle rotierenden Massepunkte aufgrund ihrer Trägheit weg von dem Achsmittelpunkt drückt. Sie ergibt sich aus der Masse m des Fahrgasts multipliziert mit der Winkelgeschwindigkeit zum Quadrat und dem Radius r, der Entfernung des Gastes zum Mittelpunkt: FZ = m · w² · r. In welchem Moment wirkt diese Kraft auf den Passagier am stärksten? Pauschal lässt sich sagen: Wenn das Fahrgeschäft sich am schnellsten dreht und der Fahrgast am weitesten vom Mittelpunkt entfernt ist, muss die Fliehkraft auf ihn am stärksten wirken. Der Bahnverlauf der Gondeln auf der Drehscheibe ist aufgrund der sich entgegen drehenden Achsen so angelegt, dass jede Gondel pro Runde bei maximaler Geschwindigkeit sich zweimal  am weitesten vom Mittelpunkt entfernt. Folglich müsste der Gast bei voller Hochtour zweimal pro Runde mit starken Fliehkräften rechnen.

Informationsüberfluss verursacht Schwindelgefühl

Rasant drehen sich die Gondel um die eigene Achse. Foto: Moritz Gericke

Leider können diese Überlegungen nicht korrekt beschreiben, wie stark die Fliehkräfte auf den Körper während der Fahrt tatsächlich wirken. Die ständig wechselnden Geschwindigkeiten und Drehrichtungen sowie die Neigungen der Achsen machen dieses Problem zu einer sehr komplexen Fragestellung mit vielen verschiedenen Faktoren. Die herrschenden Fliehkräfte im Break Dance seien aber auch gar nicht der ausschlaggebende Grund, warum so viele Fahrgäste mit einem flauen Gefühl im Magen die Fahrt beenden. „Die Fliehkräfte selbst sind nicht so unglaublich groß“, bestätigt Julian. Schwindelgefühl und Übelkeit entstehen vor allem durch die unterschiedlichen und spontanen Drehrichtungen der verschiedenen Achsen und abrupten Beschleunigungen. So werden die verschiedenen Elemente, die am Gleichgewichtssinn beteiligt sind, wie zum Beispiel das im Innenohr befindliche Gleichgewichtsorgan, der Sehnerv oder die Muskulatur, mit verschiedenen Reizen überladen. So kommt es im Gehirn zu einem Überfluss an verschiedenen Informationen, der Übelkeit und Schwindel zur Folge hat. Beim Break Dance wird der Gleichgewichtssinn besonders bei Dunkelheit und mit dem großzügigen Einsatz von Rauchschwaden noch zusätzlich beansprucht. „Die Reizschwelle zur Übelkeit ist bei jedem Menschen verschieden und jeder sollte sich vorher fragen, ob eine Fahrt ohne weiteres verkraftet werden kann“, empfiehlt Julian. Auch vom üppigen Essen kurz vorher rät er ab. Auf die Frage hin, wann er das letzte Mal mit seinem Fahrgeschäft gefahren sei, schüttelt er nur wild den Kopf: „Mir wird beim Karussell fahren einfach nur schlecht!“

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