Stark wie ein Superheld?

Zu sein wie Marvels Iron Man, ist ein Traum vieler Menschen. Der Superheld bezieht seine enorme Kraft aus seinem Roboteranzug, einem sogenannten Exoskelett. Nicht ganz so dramatisch ist der Einsatz bei der Firma „Kühne + Nagel“ (K+N): Sie will mit den modernen Geräten den Alltag ihrer Mitarbeiter erleichtern.

Das Paket auf dem Stapel sieht ganz handlich aus. Es ist nicht besonders groß, dafür aber schwer. Bastian Holzhäuser hebt es geübt an. „Man merkt das Skelett“, sagt er und grinst. Rasch zieht er den Hüftgurt des Exoskeletts fester. Gut zwei Kilo wiegt das Gerät. Ilhan Uygun nickt: „Auf acht Stunden Tragezeit bezogen – das Skelett wird schon schwer.“ Das Exoskelett bewegt sich geräuschlos, jeder Ton wird vom Geratter der Förderbänder in der riesigen Halle verschluckt. Holzhäuser hält das Paket in verschiedenen Positionen des Hebens. Das Skelett wirkt unscheinbar, doch der Unterschied bei dieser einfachen Tätigkeit ist enorm, wie Holzhäuser weiß: „Ein Kollege hat beim Heben mal das Skelett geöffnet und man hat richtig gemerkt, was man da hebt.“

Das Heben, Tragen, Um- und Entpacken von Kisten ist Alltag im Ersatzteillager der Firma in Nürnberg-Maiach. Der Logistikanbieter testet seit zwei Wochen die neuen Exoskelette. Die Schichtleiter Holzhäuser und Uygun prüfen dabei, wie gut die Geräte von der Firma Laevo bei den Mitarbeitern ankommen und ob sich deren Einsatz lohnt.

Das Exoskelett bei Kühne & Nagel. Foto: Markus Eberhardt

Unterstützung ohne Batterie

Das Exoskelett, das Holzhäuser nutzt, ist laut Vertreiber iturri zum Schutz der Bandscheiben gedacht. Beugt sich der Träger vor, wirkt eine große Kraft auf seinen Rücken. Die Kraft kann problemlos auf die Beine umgeleitet werden, indem er die Hände auf die Knie stützt. Nur braucht er beide Hände, um Kisten zu heben. Das Skelett springt an dieser Stelle ein. Beim Vorbeugen lehnt sich Holzhäuser gegen die Brustplatte des Geräts. Die Last überträgt sich mechanisch über die Hebelwirkung des Skeletts auf die Beinplatten und somit die Oberschenkel. So hat er die Hände frei und entlastet trotzdem seinen Rücken. Einen Motor oder eine Batterie braucht das Skelett nicht.

Aber ganz so einfach ist es doch nicht. Holzhäuser dreht sich und greift nach einem Gegenstand neben ihm. Das Skelett verschiebt sich und eine Klemme springt lautlos aus ihrer Befestigung an der Brustplatte. Jetzt ist das Gerät nicht mehr stabil. „Gerades Heben und Ablegen ist kein Problem. Aber die Drehung wird von dem Skelett nicht ordentlich mitgemacht. Es verschiebt sich dabei“, erklärt Uygun. Im Hintergrund fährt ein klappernder Wagen voller Kartons vorbei. Das Skelett drücke außerdem zu sehr auf die Brust und die individuelle Einstellung auf einen Mitarbeiter dauere. „Einer allein kann es nicht anziehen“, sagt Uygun. „Die Idee ist gut, aber noch nicht ideal an unsere Bedürfnisse angepasst.“

Die Variante bei K+N stellt die Firma Laevo in den Niederlanden her. Sie besteht laut eines Sprechers von iturri aus Federstahl und Kunststoff. Die tragenden Elemente sind aus Stahl. Gurte aus Textilmaterial und Plastik sollen den Gebrauch so angenehm wie möglich machen. Ein kleiner Hebel seitlich an der Hüfte stellt die Unterstützung des Skeletts ab. So kann der Träger sich mit dem Gerät setzen oder ein Fahrzeug bedienen. Rund 2.900 Euro koste ein solcher Helfer.

Holzhäuser hebt das Paket im Exoskelett an. Foto: Markus Eberhardt

Gesundheit der Mitarbeiter vorrangig

Markus Eberhardt, Projektmanager bei K+N, begutachtet die Geräte. „Man muss die Relation sehen: Wer den ganzen Tag schwere Kisten trägt, erträgt das Gewicht des Skeletts eher, wenn er am Abend dafür keine Rückenschmerzen hat“, sagt Eberhardt mit Blick in die Lagerhalle. Nebenan öffnet sich ein Hallentor summend. Der Geruch von Pappe und Metall liegt schwer in der Luft. Für die Firma sei die Gesundheit ihrer Mitarbeiter ein Unternehmensgrundsatz. Sollte ein Skelett gesundheitlichen Schäden vorbeugen, müssten sie den Umgang damit lernen.

Zum Schutz ihrer Mitarbeiter will die Firma weiter Exoskelette testen. Unter anderem will sie so Arbeitsplätze in der Logistik attraktiver machen. Denn auch hier herrsche Fachkräftemangel. „Mitarbeiter werden immer kostbarer, da investiert man besser in deren Gesundheit“, sagt Eberhardt. Schließlich haben Logistiker und Iron Man eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind auch nur Menschen – und daher nicht unverwundbar.

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