Training unter Strom

Zum Traumkörper ist es ein langer, beschwerlicher Weg. Das denken jedenfalls die Meisten. Training unter elektrischen Impulsen verspricht ein effektives Workout in nur 20 Minuten. Ächzen, Stöhnen, schmerzverzerrte Gesichter.

„Noch drei, zwei, eins und Pause!“ Durchatmen. „Gut gemacht, damit sind wir fertig für heute“, lobt Marc, der Fitnesstrainer. Moritz braucht noch einen Moment, um das Lob zu registrieren. Er hat gerade ein Elektromuskelstimulations-Training absolviert und ist an so einem Gerät per Kabel angeschlossen. Hautenge Sportkleidung und eine Elektrodenweste gehören dazu. Die Elektroden liegen in der Weste und an Manschetten, die eng am ganzen Körper befestigt werden, um die elektrischen Impulse an die Muskeln weiterzuleiten. Sie werden vorher großzügig mit Wasser besprüht, damit der Strom optimal fließen kann. Der Strom kommt von einem EMS-Trainer, der Impulse im Nieder- und Mittelfrequenzbereich abgibt. Es kann aus verschiedenen Programmen ausgewählt werden, bei denen die Länge und die Intensität individuell eingestellt werden können.

EMS-Weste mit Elektroden. Foto: Moritz Gericke

EMS wird in therapeutischer Form schon seit den 1950er Jahren eingesetzt. Der Muskel zieht sich durch die elektrischen Impulse zusammen und wird zusätzlich mit Halte- und Bewegungsübungen zur Ermüdung gebracht. So wird die Muskulatur, ganz ähnlich wie bei einem klassischen Training, beansprucht.  Immer mehr Menschen interessieren sich für diese Art des Trainings und der Markt boomt. Die Anzahl der EMS-Anbieter und sogenannter Mikrostudios steigt rasant. Laut des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen weisen Mikrostudios seit mehreren Jahren das stärkste Wachstum in der Fitnessbranche auf. In über 2.500 Anlagen in Deutschland und Österreich wird inzwischen schon unter elektrischen Impulsen trainieren.

EMS-Training bietet viele Vorteile gegenüber einem herkömmlichen Fitnesstraining

Der Trainer, Marc Schurich (25), studiert Sportökonomie in München und ist seit einem Jahr Übungsleiter in der EMS-Branche. Für ihn sind die Vorteile der elektrischen Stimulation klar: „Dem Menschen wird die Karriere einfach immer wichtiger und er hat demzufolge wenig Zeit für ein konventionelles Ganzkörpertraining.“ Hier machen sich die Vorzüge des 20-minütigen Trainings bemerkbar. „Viele Kunden kommen einfach in ihrer Mittagspause, um zu trainieren und spüren, dass sie sich richtig ausgepowert haben“, sagt der Student. Aber auch die gezielte Belastung, um ein muskuläres Ungleichgewicht zu korrigieren, seien wie bei keiner anderen Trainingsmethode so effektiv umsetzbar. Viele Kunden sind Frauen, die nach einer Schwangerschaft wieder Fitness betreiben wollen oder Menschen, die sich ein normales Training nicht mehr zutrauen. Laut der ersten Endkundenbefragung von 2017 ist das Hauptmotiv von Männern der Muskelaufbau und bei Frauen die Körperstraffung. So konnten fast alle Befragten durch EMS-Training Körperdefinitionen oder Leistungsverbesserungen erzielen.

Moritz beim EMS-Training. Foto: Moritz Gericke

Aber nicht jeder kann bedenkenlos diese Art des Trainings absolvieren. Es gibt sogenannte Kontraindikatoren, die ein EMS-Training zu riskant machen. Bei jedem Probetraining werden zuallererst der Gesundheitszustand und etwaige Vorerkrankungen in Erfahrung gebracht. In manchen Fällen, wie Diabetes, Epilepsie oder Krebserkrankungen ist ein Training verboten. „Es gibt einfach keine Daten, die zeigen, wie sich die EMS auf solche Erkrankungen auswirkt“, erklärt Marc. „Deswegen arbeiten wir mit Arztpraxen zusammen, um bei jedem Kunden sicherzugehen.“ Außerdem empfehlt er jedem ausreichend Wasser zu trinken und sich langsam an die Stimulation zu gewöhnen.

EMS-Training ist vor allem für Menschen eine sinnvolle Trainingsmethode, die aufgrund körperlicher Einschränkungen kein herkömmliches Krafttraining leisten können oder sich nach langer Zeit wieder regelmäßig bewegen wollen. Tatsächlich hat das Training mit der Elektrodenweste nur 20 Minuten gedauert. Schnell ist sie wieder vom Körper gelöst und in der Ecke verstaut. Moritz ist nun frisch geduscht und sieht sehr zufrieden aus. „Keine Sorge“, verspricht Marc, „der Muskelkater kommt noch.“

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