Von A wie Akkubohrmaschine bis Z wie Zimmerlampe wird im Feuchter „Repair Café“ quer durch die Bank nahezu alles repariert. Foto: Tina Neubert

Wegwerfen? Denkste! Das „Repair Café“

Reparieren und Wissen vermitteln: dafür steht das Repair Café in Feucht. Die Mitglieder Gerd Steuer, Erwin Wenzel und Bettina Meier berichten, wie sie für die Region ihren Beitrag zur Kreislaufwirtschaft umsetzen.

Die Situation beim Betreten des „Repair Cafés“ in der Marktgemeinde Feucht wirkt außergewöhnlich. Überall wuseln überwiegend ältere Menschen umher, stellen Tische und Stühle auf und tragen Werkzeugkisten mit sich herum. Darunter Gerd Steuer, einer der Gründungsmitglieder. Er erklärt, dass das nicht schon immer so war: „Der Anfang des Cafés war sehr schleppend. Niemand wollte sich um die Organisation kümmern und auch ehrenamtliche Reparateure ließen sich kaum ausfindig machen. Als wir dann doch ein paar Leute gefunden hatten und das erste Mal die Türen öffneten, war jedoch nichts los. Erst beim zweiten Anlauf gab es erste Erfolge. Mittlerweile haben wir hier jeden Monat zwischen 20 und 30 Reparaturen“.

Ein „Repair Café“ ist ein Ort, an dem sich alles um das Reparieren dreht. Allerdings wird hier nicht wie im klassischen Sinne ein Gerät abgegeben und in funktionsfähigem Zustand wieder abgeholt. Vielmehr wird gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern gebastelt, getüftelt und dem Besucher nebenbei nützliches Wissen vermittelt. Das allererste „Repair Café“ öffnete am 18.10.2009 in Amsterdam. Es wurde von Martine Postma ins Leben gerufen, einer Niederländerin, die sich für Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene einsetzt. Für Martine war das der Startschuss für die Gründung der Stiftung „Stichting Repair Café“. Diese niederländische Non- Profit-Organisation bietet seit 2011 lokalen Gruppen professionelle Unterstützung bei der Gründung eines eigenen „Repair Cafés“. Auch die Feuchter sind mit der Organisation verknüpft und haben ihr Konzept, das Logo und rechtliche Angelegenheiten von den Niederländern übernommen.

Repair Cafés im Kampf gegen Gegenstands übliche Alterungsprozesse

Als die Besucher ins Feuchter Café eintreten, wird direkt mit der Inspektion der mitgebrachten Gegenstände begonnen. Schon nach kurzer Zeit sind alle freien Tische besetzt und einige Gäste müssen auf Stühlen warten, bis sie an der Reihe sind. Erwin Wenzel, Organisator und Reparateur, hilft immer wieder gerne bei der Instandsetzung. „Zum Öffnen der Geräte muss man nur wissen, wie man drankommt. Manchmal sind auch nur Aufkleber im Weg. Wir hatten auch schon mal, dass einfach nur der Reset-Knopf gedrückt werden musste und dann ging das Gerät wieder“, sagt er. Auf einem kleinen Tisch etwas abseits des Reparaturgeschehens liegt ein von den Veranstaltern geführtes Buch. Dort befinden sich alle Presseberichte und Zeitungsartikel über die Selbsthilfewerkstatt. „Nachdem ein neuer Artikel veröffentlicht wurde, merken wir, dass mehr los ist. Massiven Andrang gab es mal, als das „Repair Café“ Altdorf und Feucht gleichzeitig in der Zeitung standen“, erklärt Wenzel.

Im Feuchter „Repair Café“ wird einmal monatlich nahezu alles repariert. Häufig ist es Elektronik wie beispielsweise Lichter, Radios oder Filmapparate. Ein besonderes Highlight für Wenzel war die Reparatur des ersten Transitradios aus Zeiten der DDR. Darüber hinaus wird auch der sogenannten geplanten Obsoleszenz von Gegenständen der Kampf angesagt. Diese liegt vor, wenn Dinge nicht einfach nur zu früh kaputtgehen, sondern der Hersteller dabei seine Hände im Spiel hat. Dieser manipuliert seine Produkte, um sie kürzer haltbar zu machen und so einen Anreiz zu schaffen, neue zu kaufen. Um der Notwendigkeit einer Neuanschaffung entgegenzuwirken, hilft das „Repair Café“ dabei, alte Gegenstände so lange wie möglich nutzen zu können.

Nachhaltige und berührende Ergebnisse

Auf den Tischen der Reparaturwerkstatt sind viele Sachen ausgestellt, die fast jeder auch bei sich zu Hause findet. Menschen schrauben an Akkubohrmaschinen, Staubsaugerrobotern, Uhren, ferngesteuerten Autos und Co. herum. Bettina Meier, die für Kaffee und Kuchen während der Veranstaltung zuständig ist, unterstützt den nachhaltigen Gedanken des Cafés.

„Jeder kennt die Situation, dass zu Hause etwas herumsteht, das gar nicht mehr oder nicht mehr so richtig funktionieren will. Hier im Café kann einfach geprüft werden, ob noch etwas zu machen ist und muss es nicht direkt wegwerfen. Das ist eine gute Sache“, erklärt sie. Aufgrund des hohen Andrangs und des Werkstattcharakters ist häufig lautes Surren oder Klopfen wahrnehmbar. Doch oft ertönt auch Jubel, weil wieder etwas repariert wurde. Bei den Reparaturen sind auch berührende Situationen zu beobachten. „Eine Frau brachte mal den Schwibbogen ihrer verstorbenen Oma vorbei. Das ist ein Bogen, der gerne an Weihnachten aufgestellt wird und mit Lichtern bestückt ist. Die Lampen brannten jedoch nicht mehr. Als dieser dann hier repariert werden konnte, hatte die Frau Tränen in den Augen“, erzählt Kristina Pohle, die ebenfalls zum Team des Cafés gehört.

Ein verantwortungsvollerer Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und ein bewussterer Konsum sind für die Zukunft unseres Planeten unerlässlich. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind nicht einmal zehn Prozent der genutzten Ressourcen Teil einer Kreislaufwirtschaft. Zudem produziert jeder Mensch im Durchschnitt 7,3 Kilo Elektroschrott pro Jahr. Die Deutschen nutzen ihr Smartphone zum Beispiel gerade einmal 18,8 Monate, bis sie sich ein neues kaufen. Das Raster „Konsum“ trägt außerdem zu über 30 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks einer Person in Deutschland bei.

Veranstaltungen laufen dank Spenden und Förderungen

Immer wieder klingelt die selbstgebastelte Spendenbox im Feuchter „Repair Café“. Fast jeder, der die Räumlichkeit wieder verlässt, hinterlässt eine kleine Gabe. „In die Box kann freiwillig Geld geworfen werden, aber unsere Helferinnen stellen für unsere Besucher ja auch selbstgemachten Kaffee und Kuchen. Da freut man sich schon, wenn eine Kleinigkeit gespendet wird, und das machen die meisten auch“, erklärt Steuer. Doch das Geld wird nicht in die eigenen Taschen gesteckt, sondern kommt in Form von neuer Ausstattung dem „Repair Café“ zugute. „Das gespendete Geld brauchen wir für Werkzeuge, Schmiermittel oder spezielle Schraubenzieher. Das besorgen wir alles selbst. Und als „Entlohnung“ gehen wir mit dem Rest zweimal im Jahr zusammen essen“, sagt Steuer.

Auch diejenigen, denen bei der Reparatur nicht geholfen werden konnte, hinterlassen oft dankbar eine Spende. Foto: Tina Neubert
Auch diejenigen, denen bei der Reparatur nicht geholfen werden konnte, hinterlassen oft dankbar eine Spende. Foto: Tina Neubert

Generell besteht auch bei nachhaltigen Organisationen kein Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung. Der Markt Feucht fördert jedoch seine Vereine, Verbände und Organisationen auf freiwilliger Basis, sofern diese einen gemeinnützigen Zweck verfolgen. So werden die Räumlichkeiten dem Feuchter „Repair Café“ kostenfrei überlassen, was Philipp Ankowski, Sachbearbeiter des Markts Feucht, bestätigt. Das ist jedoch nicht in allen Orten gängige Praxis. Die Tatsache, dass in Deutschland bereits rund 960 „Repair Cafés“ registriert sind, zeigt aber, dass die Idee dennoch ein Erfolgskonzept ist. Nachhaltiger Konsum ist also machbar. Und es zahlt sich aus – für unseren Geldbeutel und unsere Umwelt.

Von Tina Neubert

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