Wenn die Terlik bis nach Deutschland fliegen

Die Deutschen stehen fest in ihren Hausschuhen, doch die sogenannten „Terlik“ (zu deutsch: Pantoffeln) fliegen einem in der Türkei um die Ohren. Keineswegs soll damit das Klischee der wütenden Mutter bestätigt sein,

die mit einem Pantoffel in der Hand ihren Nachkommen hinterher jagt, um sie ihnen dann in einem passenden Moment zielsicher an den Kopf zu schleudern. Viel eher soll es darauf hinweisen, dass sich auch Deutschtürken ab und an neu adaptieren müssen.

Sobald der erste Schritt aus dem Flugzeug getan ist, ist es für die Meisten ein Zeichen dafür, dass der Urlaub beginnt. Für mich ist es ein kleines Stückchen Heimat. Izmir ist mit etwa vier Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Türkei und liegt in Westanatolien an der Küste des Ägäischen Meeres. Außerdem gilt sie kulturell als besonders modern und westlich. So weltoffen die Bevölkerung hier ist, so offen sind allerdings auch die Verkehrsregeln ausgelegt. Rechts vor links, rote Ampeln, überholen von links? Wäre ja langweilig. Fracht auf dem PKW sichern? Frei nach dem Motto: Wir stapeln einfach so viel Ladung drauf, dass es nicht schlimm ist, wenn bei 100 Kilometer pro Stunde in der Kurve etwas verloren geht. Als ich automatisch beim Einsteigen nach dem Gurt im Auto greife, gibt meine Sitznachbarin ein belustigtes Schnauben von sich. „Deutsche!“ sagt sie, bevor sie kopfschüttelnd kichert. Sich anpassen ist gut, aber Sicherheit ist besser. Abschätzige Blicke begleiten den Prozess, mit dem die Schnalle einrastet. Der Kommentar, dass „die Deutsche“ wenigstens überleben wird, wenn doch mal eine der wunderbar gesicherten Metallstangen von einem der rasenden Laster fliegt, bleibt unausgesprochen. Sarkasmus wird hier nämlich schnell als aggressiv und unhöflich aufgefasst und dementsprechend weniger gut vertragen.

Das Getränk der Nation

Persönlicher Tipp: besonders gut schmeckt der türkische Tee mit einer Scheibe Zitrone. Foto: Seden Kantarci

Küsschen links, Küsschen rechts. Danach der obligatorische Çay, den die Türken gerne trinken. In jedem türkischen Haushalt wird er den Gästen angeboten. Es ist der schwarze Tee, der in einer zweiteiligen Teekanne aus Edelstahl zubereitet wird. Dazu erhitzt das reine Wasser im unteren Teil bis es kocht, während im oberen Teil der stark konzentrierte schwarze Rize-Tee aufbrüht. Dadurch hält der unten entstehende heiße Wasserdampf auch den Tee oberhalb warm. Beim Einschenken kann jeder nach Belieben und individuell variieren, ob der Tee kräftiger („dunkler“) oder milder („heller“) sein soll. Die Form der traditionellen Teegläser erinnert an eine Sanduhr. Sie soll dazu beitragen, dass das Glas gut haltbar ist und der Tee seine Hitze möglichst lange beibehält. Deswegen gilt auch, das Glas immer nur am oberen Rand zu fassen, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Die Variante, den Schwarztee mit Milch zu trinken, ist übrigens sehr verpönt.

Wenn Skorpione Pantoffeln tragen

Soziales Miteinander ist in der türkischen Kultur essentiell. Es ist nicht unüblich, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Café neue Bekanntschaften zu machen. Wer das nicht gewohnt ist, ist schnell mal irritiert. Wer möchte schon von einem Fremden gesagt bekommen, dass man sich wohl schnell vom Freund trennen sollte, weil die Sternzeichen doch offensichtlich nicht kompatibel sind? Diese Bemerkung ist allerdings keinesfalls böse gemeint. Ein Gespräch über Wind und Wetter wird als oberflächlich empfunden. Besonders auffällig in der Interaktion miteinander ist auch die Fürsorge, die vor allem für Familienmitglieder überschwänglich ausfällt. Wenn die „Anneanne“ (Oma) also möchte, dass du die Terlik in deinem Koffer mit nach Deutschland nimmst, dann nimmst du die Terlik gefälligst auch mit nach Deutschland. Sonst hast du sie eine Woche später mit einem übergroßen Care-Paket sowieso im Briefkasten.

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