Nürnberger Unterwelt

Schwere rostige Stahltüren, freiliegende Kabelstränge, Staub, kühle acht Grad und mehrere Meter Stahlbeton über dem Kopf. Geheime Kelleranlagen und Felsengänge wurden bereits im Mittelalter in Nürnberg angelegt.

Ein Beitrag von Piotr Biela

Während der NS-Zeit und im Kalten Krieg wurden diese teilweise zu Luft- oder Atomschutzbunkern umgebaut. Die entscheidene Frage ist, welche dieser Anlagen heute noch intakt sind und ob sie ausreichend Schutz für den Ernstfall bieten würden.

Bereits im Mittelalter entstanden die ersten unterirdischen Bauten in Nürnberg, ein verzweigtes Stollen- und Kellersystem unter der Altstadt. Ursprünglich wurden die Felsengänge ab 1380 erbaut, das Gänge- und Kellersystem zieht sich über mehrere Stockwerke und diente zur Gärung und Lagerung von Bier. Bis zu 40.000 Menschen konnten dort Schutz finden. „Deshalb sagte mal ein alter Nürnberger, dass das Bier unser Leben gerettet hat“, zitiert Achim Burek, Führungspersonal der Felsengänge e.V. aus einem Gespräch. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts war vor allem das Stollensystem geheim.  Die Gänge in den Verteidigungsanlagen der Nürnberger Kaiserburg, also die Kasematten, wurden ebenfalls mit den Kelleranlagen verbunden.

Massive Stahltüren sollten während des Zweiten Weltkriegs die Kunstschätze im Historischen Kunstbunker schützen.  Foto: Piotr Biela

Der Historische Kunstbunker ist deutschlandweit einmalig, was den Bau und die Technik im Zweiten Weltkrieg angeht. Dieser Bunker war für die gesamten Kunst und Kulturgüter aus Nürnberg vorgesehen. Alles Transportierbare sollte hier untergebracht werden. „Er wurde für unwiederbringliche oder einzigartige Kunstschätze genutzt“, sagt Dr. Martin Winter, Historiker und Gruppenführer des Historischen Kunstbunkers. Glasfenster aus den großen Kirchen, der Behaim-Globus oder die Reichskleinodien und später sogar der Krakauer Marienaltar wurden hier geschützt.

Die Kelleranlagen unter der Nürnberger Altstadt: Die Gesamtfläche beträgt über 25.000 Quadratmeter. Während der Kriegszeit fanden hier 20.000 bis 60.000 Menschen Schutz. Foto: Piotr Biela

Psychologische Belastung

Viele Vorkehrungen wurden während der NS-Zeit und dem Kalten Krieg zur psychologischen Entlastung der in die Bunker evakuierten Bevölkerung getroffen. So wurde versucht, den mentalen Stress in solch einer mehrtägigen andauernden Krise in den Griff zu bekommen. Das Bunkerpersonal hatte zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Schulungen für solche Fälle. Personen, die solch einem Stress nicht mehr gewachsen waren, konnten in Panik verfallen, aggressiv oder depressiv werden und ihre Mitmenschen gefährden. Die Schutzsuchenden waren eingepfercht auf engstem Raum. Für 50 Menschen war ein Waschbecken und je nach Anlage nur ein halber Quadratmeter zum Sitzen und Schlafen vorgesehen.

Schutz vor einem nuklearen Schlag heute

Mitten in der Fußgängerzone gibt es noch einen der wenigen erhaltenen und eingerichteten ABC-Bunker in Nürnberg. Fünfzehn Meter geht es in die Tiefe, in eine unterirdische Welt. Über 1800 Menschen sollen dort vor den Gefahren der Außenwelt isoliert werden. Schutz bietet der Bunker vor radioaktiver Strahlung, biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie vor Hitze- und Druckwellen.

Eine US-Fliegerbombe aus dem 2.Weltkrieg. Bestückt wurden damals damit die „Flying Fortress B-17“ Bomber der Amerikaner. Foto: Piotr Biela

Es gab 1965 einen Plan, die gesamten 25.000 Quadratmeter der Kelleranlagen unter der Nürnberger Altstadt als Atomschutzkeller umzubauen. Aus Mangel an finanziellen Mitteln wurden nur der große und kleine Tucherkeller umgebaut. Der DB-Bunker unter dem Hauptbahnhof ist die größte Anlage. Doch alle Anlagen würden heute keinen ausreichenden Schutz bei einem Atomschlag mehr bieten, denn die Betondeckenstärken von 90 Zentimetern reichen nicht aus. Harry Heimbrecht, Vorstandsmitglied des Fördervereins Felsengänge e.V. und Leiter der Abteilung Bau und Technik sieht aus heutiger Sicht keinen ausreichenden Nutzen mehr: „Die Zivilschutzbauten, die in den 1970er und 80er Jahren gebaut worden sind, waren sicherlich nur zur Beruhigung der Bevölkerung gedacht. Dies zeigt auch die maximale Aufenthaltsdauer, die lediglich bei 14 Tagen lag“, erklärt Heimbrecht.

Ein gewöhnlicher Lastwagenmotor wurde während des 2.Weltkriegs im Historischen Kunstbunker zur Stromgewinnung genutzt. Foto: Piotr Biela

Auch Dr. Martin Winter schreibt den Anlagen aus heutiger Sicht höchstens Schutz bei Naturkatastrophen zu: „Inzwischen ist deren Wartung komplett eingestellt. Auch der Atomschutzbunker wird nicht mehr gewartet. Sie sind also nicht mehr einsatzfähig und werden systematisch geräumt. Eine Funktion haben sie also nicht mehr.“

Fazit

Heute gibt es in Nürnberg keinerlei Anlagen oder Bunker, die einen ausreichenden Schutz vor chemischen, biologischen oder radioaktiven Kampfstoffen bieten. Nur bei Naturkatastrophen könnten diese als temporärer Aufenthaltsort genutzt werden. Ein Entkommen vor dem Armageddon gibt es also, zumindest in Nürnberg, nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert