Eine Zeitmaschine für Gebäckstücke

Vorsichtig bahnt sich Josef Kittel den Weg durch seine kleine Backstube, dabei schiebt er immer wieder Blechwägen beiseite. Ein grobkörniges Salzkorn zerkracht unter seinem Schuh und zerreißt damit die Stille der frühen Morgenstunde.

 

Es ist 3:30 Uhr als der Bäckermeister die schweren Stahltüren des Gärunterbrechers mit Kraft aufstößt. Langsam schwingen sie zur Seite und ein Schwall schwülwarmer Luft flutet den Raum. Behutsam bugsiert er einen Wagen mit rohen Brezen aus dem Wunderwerk der Technik.

Der Innenraum des Gärunterbrechers blitzt metallisch und ist klinisch rein. An den Wänden kleben dicke Wassertropfen, die Kittel mit einem Abzieher entfernt. „Da drin wird unser Gebäck reanimiert“, erklärt der 58-Jährige. Frische Teiglinge werden am Vortag in dem 30.000 Euro teuren Gerät auf minus zwölf Grad Celsius abgekühlt, der Gärvorgang somit unterbrochen. „Ab 22 Uhr fährt der Gärunterbrecher dann langsam hoch“, sagt Kittel. Um 3:00 Uhr morgens herrschen dann im Inneren 95 Prozent Luftfeuchtigkeit und eine Temperatur von 23 Grad Celsius – optimale Bedingungen für das Gären von Hefeteig.

Die aufgegangenen Teigline werden von Josef Kittel aus dem Gärunterbrecher geholt. Foto von Robert Conrad.

Der Bäckermeister öffnet die Tür zu einem Nebenraum und schiebt den vollbestückten Blechwagen langsam hinein. Die Brezenteiglinge, die vor kurzem noch im Gärunterbrecher waren, sind mollig weich, wohl temperiert und frisch aufgegangen. Eine Weiterverarbeitung in diesem Zustand ist nicht möglich. „Die müssen wir erst absteifen, sonst zerfallen uns die Brezen, wenn wir die Lauge drauf geben“, sagt Kittel während er das Fenster im Nebenraum sperrangelweit öffnet. Klirrend kalte Morgenluft strömt herein, als das Vorstandsmitglied der Fürther Bäckerinnung die Teiglinge alleine lässt, wieder in die Backstube tritt und die Türe hinter sich schließt. „Entgegen der allgemeinen Vermutung ist das Wichtigste an einer Bäckerei nicht nur die Hitze im Ofen, sondern die korrekte Verbindung aus Wärme und Kälte“, erklärt Kittel.

 

Der Gärunterbrecher sei ohne Frage eine immense Arbeitserleichterung, ist sich Ursula Hegendörfer sicher. Hegendörfer ist die zehn Jahre ältere Schwester von Kittel und Miteigentümerin des kleinen Familienbetriebs in Burgfarrnbach. Wenn Hegendörfer zusammen mit ihrem Bruder, und ihrem Sohn Rüdiger Hegendörfer morgens die Backstube betritt, können sie und ihre beiden Kollegen direkt mit dem Backen anfangen. Der Teig ist schließlich am Vortag zubereitet und mithilfe des Gärunterbrechers punktgenau zum Aufgehen gebracht worden. Früher habe sie um ein Uhr damit begonnen, den Hefeteig für das Laugengebäck zuzubereiten. Heutzutage stehe sie erst um drei

Uhr in der Stube. Sie könne somit zwei Stunden länger schlafen, rechnet die 68-jährige Bäckereifachverkäuferin vor. Kittel fügt hinzu: „Der Gärunterbrecher ist eine Zeitmaschine für Gebäckstücke.“

 

Neue Herausforderungen für die Zunft

Ursula Hegendörfer bestückt einen Blechwagen mit rohen Teiglingen. Foto von Robert Conrad

Eins ist allerdings klar: Je komplexer die verwendete Technik ist, desto mehr Know-how erfordert die Bedienung. Ein sorgsamer Umgang mit den Maschinen sei Pflicht, sagt Kittel. Auch dürfe nicht davor zurückgeschreckt werden, Fehler in Maschinen zu suchen und diese entsprechend zu beheben. „Wenn hier früh um drei eine Maschine kaputtgeht, kann ich nicht warten, bis um sechs Uhr der Techniker da ist“, erklärt Kittel. Für schwerwiegende Defekte am Gärunterbrecher bietet der Hersteller deswegen einen 24-Stunden Notdienst. „So können wir unseren Kunden am Telefon erste Schritte zur Problembehebung schildern“, sagt Geschäftsführer Sebastian Girg. Wenn das nichts helfe, könne auch ein Servicetechniker innerhalb kurzer Zeit vor Ort sein, führt der gelernte Kältetechniker und Inhaber der Firma Kälte Reinhard weiter aus.

Drei Stunden sind vergangen, der Gärunterbrecher ist wieder abgekühlt. Kittel und Hegendörfer formen Brezen aus frisch angerührtem Hefeteig. Die Teiglinge werden auf Blechen gesammelt, und diese wiederum in einem Wagen. Als dieser vollbeladen ist, schiebt Kittel ihn in den Gärunterbrecher, tippt eifrig auf das Bedienpanel und startet den Prozess von vorne.

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