Lebendige Erde statt Raubbau

Ein Schotterweg führt vorbei an Gemüsebeeten und Misthaufen. In jeder Reihe auf dem Feld wächst etwas anderes. Es riecht nach den herumliegenden Heuballen und warmen Gras. Der Weg führt direkt zum Münzinghof, einer Dorfgemeinschaft, die zusammen einen Demeter-Bauernhof betreibt.

Versteckt hinter einem Waldstück werden hier Misthaufen geimpft, kosmische Kräfte gesammelt und Pflanzen homöopathisch behandelt. Was erstmal nach Spinnerei klingt, gilt heute als die nachhaltigste Form der Landwirtschaft. 

Gemüsebeet vor dem Münzinghof.      Foto: Mareike Thal

Auf dem Münzinghof im mittelfränkischen Velden wird nach biodynamischen Standards gewirtschaftet. Der Begründer dieser anthroposophischen Bewegung, Rudolf Steiner, war allerdings kein Landwirt, sondern ein Philosoph und Esoteriker. Dennoch gilt diese Form der Landwirtschaft heute als die nachhaltigste. Der Bauernhof wird als Teil der Natur von kosmischen Zeitrhythmen bestimmt. Aussaat und Ernte richten sich nach dem Mondkalender. So eignen sich Wurzeltage, also bei abnehmendem Mond, hervorragend um Karotten anzupflanzen. Nur, wer die strengen Richtlinien des Demeter e.V. erfüllt, darf sein Siegel verwenden. „Demeter ohne Tiere gibt es nicht“, sagt Tobias Wilhelmi, Landwirt auf dem Münzinghof. Idealerweise werden so viele Tiere gehalten, wie das eigene Land ernähren kann. Anfallender Mist und Kompost sorgen für die nötige Bodenfruchtbarkeit, die wiederum die Lebensmittel für die Menschen hervorbringt. „Wir produzieren hundert Prozent des Grundfutters selbst und kaufen dann noch etwas Getreide von einem benachbarten Demeter-Bauern hinzu“, erklärt der studierte Landwirt. Der Respekt vor anderen Lebewesen und die wesensgemäße Haltung der Tiere steht im Zentrum der Philosophie. Kühe sollen ihre Hörner behalten und auf die Wiese dürfen. Leider schreiben die Richtlinien den Weidegang nicht verbindlich vor. Die reine Stallhaltung ist grundsätzlich noch erlaubt.

Die Kraft aus dem Horn

Die Kühe können sich im Laufstall mit Außenbereich frei bewegen.       Foto: Mareike Thal

Im Laufstall liegen die Kühe nebeneinander im Stroh. Nur zwei behornte Damen bedienen sich an der Futtertheke. Sie wirken entspannt. Eine Mitarbeiterin kniet sich zu ihnen und streicht etwas Heu aus dem Nacken. „Ich mach‘ euch schön für das Foto“, sagt sie. Die Milch der 24 Kühe wird in der eigenen Käserei zu Käse, Quark und Joghurt verarbeitet. Von Frühling bis Herbst dürfen sie auch auf die Weide. In der konventionellen Rinderhaltung ist so etwas untypisch. Die Rinder sind meist im Stall angebunden und können sich kaum bewegen. Den Kälbern werden die Hornansätze schmerzhaft mit einem Brennstab zerstört. Zu viele Tiere stehen auf engem Raum zusammen und laufen Gefahr sich gegenseitig zu verletzen. „Dem konventionellen Landwirt ist oft gar nicht bewusst, dass die Hörner auch ein Organ darstellen. Kein Körperteil ist überflüssig“, meint Tobias Wilhelmi. Dem Kuhhorn hat eine ganz besondere Bedeutung: Ihm wird nachgesagt, dass sich darin Lebenskräfte sammeln. Daher werden im Herbst Hörner mit Kuhfladen befüllt und für ein halbes Jahr zum

Tobias Wilhelmi erklärt einem Besucher, wie die Präparate hergestellt werden.
Foto: Mareike Thal

Energieaustausch in der Erde vergraben. Der Inhalt wird später als Präparat auf die Felder ausgebracht und soll die Widerstandskraft der Pflanzen stärken. Es gibt aber auch Präparate aus Kräutern oder Mineralien. Damit werden unter anderem Misthaufen und Kompost geimpft und sollen später als Dünger dienen. Gegen Schädlinge werden Spritzmittel aus natürlichen Zutaten gemischt. Außerdem können auch Raubmilben und Marienkäfer zur Bekämpfung von Läuse eingesetzt werden. Heute finden sich auf konventionell bestellten Feldern vorwiegend Monokulturen, die den Boden mehr und mehr auslaugen. Die biodynamische Wirtschaftsweise soll vor allem die Humusschicht aufbauen und Bodenlebewesen fördern. Das wird von Demeter-Bauern auch als Verlebendigung der Erde bezeichnet.

Keine Abhängigkeit von Konzernen

Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft bedeutet auch eigenes Saatgut zu produzieren. Eine Vielfalt an Gemüse-, Obst- und Getreidesorten soll erhalten bleiben. Daher betreiben Demeter-Bauern auch eigene Zuchtarbeit und lehnen Gentechnik ab. Aus den gewonnenen Samen können im nächsten Jahr wieder Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften gezogen werden. Bei den herkömmlich angebauten Hybriden ist das nicht so. Sie sind zwar ertragreicher, jedoch bringt die Nachzucht zu unterschiedliche Pflanzen hervor. Viele Sorten bieten zudem kaum Nektar für die Bienen. Das Wissenschaftsmagazin PLOS ONE veröffentlichte kürzlich eine Studie, die über 27 Jahre den Rückgang von Fluginsekten untersucht. Zwischen 1989 und 2015 wurde in Deutschland ein Schwund von 75 Prozent nachgewiesen. Das sei zum einen auf die giftigen Spritzmittel, aber auch das geringe Nahrungsangebot zurückzuführen. Für den Bauern ist das eine Einbahnstraße. Er muss jedes Jahr neues Saatgut einkaufen, wodurch eine starke Abhängigkeit vom Züchter entsteht.

Kosmisches Gleichgewicht

Die Hühner laufen auf dem Münzinghof frei herum. Foto: Mareike Thal

„Wenn man zum Münzinghof kommt, spürt man diese besondere Atmosphäre“, schwärmt Stephan Vdoviak, Lehrer an der Waldorfschule in Wendelstein. Man muss nicht jede Praktik wissenschaftlich auf ihre Effizienz überprüfen, um zu sehen, dass sie zumindest im Einklang mit der Natur ist. Ein respektvoller Umgang mit anderen Lebewesen und der Natur kann keine Spinnerei sein.

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