Weniger ist Mehr

„Was waren das noch für Zeiten“, als Opels Admiräle und Kapitäne mit ihren laufruhigen Sechszylindermotoren souverän über die Straßen schnurrten. „Das waren noch Autos!“, schwelgen Väter und Großväter in Erinnerungen. Und unsere Generation wird es ihnen früher oder später gleichtun, wenn es nicht schon längst der Fall ist.

Denn die automobile Welt entwickelt sich rasend schnell weiter und wird in naher Zukunft von Digitalisierung, autonomer Fortbewegung und alternativen Antrieben beherrscht.

„Der gute alte Saugmotor war gestern“, sagt Andreas Iberl und beugt sich dabei über den Motor eines knapp 200 PS starken Kleinwagens. Der selbstständige Kfz-Meister schraubte schon „an fast allem, was so rumfährt“. Heute wird aufgeladen. Einfach, doppelt und zum Teil schon dreifach. Das erhöht nicht nur die Leistung, sondern senkt gleichzeitig auch noch den Verbrauch. „Die Motorentechnik wird immer komplexer, das macht es mir nicht unbedingt einfacher“, erklärt der Autoschrauber.

Trend der Motorenverkleinerung nicht neu

Vor fast 40 Jahren startete dieser Trend, angetrieben durch Audis damaligen Technik-Vorstand Ferdinand Piëch. Dieser untermauerte den Markenslogan „Vorsprung durch Technik“, in dem ein Audi erstmals mit einem Fünfzylinder-Motor und Turboaufladung entwickelt wurde. Der Audi 200 5T kam damals mit einem Zylinder weniger als seine Mittelklasse-Konkurrenz aus München und Stuttgart aus und war damit  eine der schnellsten Limousinen ihrer Zeit.

Betrachtet man die Fahrzeuge von heute, so kommt man in urbanen Gebieten nicht an den günstigen Stadtflitzern Opel Adam, VW UP oder den Modellen von Smart vorbei. Diese gibt es wahlweise schon mit 1,0-Liter-Motor und drei Zylindern. Kein Wunder, dass Automobilliebhaber hier die Augen verdrehen. Bis ihnen erklärt wird, dass die Ingenieure aus diesen Motörchen bis zu 115 PS holen, bei einem Verbrauch von knapp fünf Liter auf 100 Kilometer. Die Technik, um die es geht, nennt sich Downsizing und wird nicht nur im Kleinwagenbereich, sondern in allen Größenklassen angewendet. So erfahren Verbrennungsmotoren, also Otto- und Dieselmotoren aller Hersteller, deren Fahrzeuge auf dem europäischen Markt verkauft werden, diese Verkleinerungskur. Denn die EU-Mitgliedsstaaten haben festgelegt, dass ab 2021 nur noch Neuwagen mit einem maximalen CO2-Austoß von 95 Gramm pro Kilometer verkauft werden dürfen. Geringerer CO2-Ausstoß lässt sich durch eine Reduzierung des Verbrauchs herbeiführen. Dies geschieht durch eine gezielte Motorendiät, genauer gesagt durch Zylindereinsparung kombiniert mit weniger Hubraumvolumen. Der dabei zwangsläufig entstehende Leistungsverlust kann aber, zum großen Gefallen aller sportlichen Autofahrer, kompensiert werden. Die Kraft der Motoren entsteht nicht mehr nur vornehmlich in den Brennräumen der Zylinder, sondern wird durch den Einsatz von Turboladern, zum Teil auch Kompressoren, und der elektronischen Motorsteuerung erzeugt.

Effizienz vs. Langlebigkeit

Mindestens gleiche Leistung bei weniger Verbrauch? „Jaein!“, meint Iberl. „Die markenübergreifend sehr niedrigen Verbrauchsangaben der Neuwagen sind real fast nicht zu erreichen. Ältere Fahrzeuge liegen hier oft nur knapp darüber.“ Dies haben auch Praxistests erwiesen. Die neue Spritspartechnologie hat ihre Vorteile vor allem im normalen Fahrzeugbetrieb. Bei Vollgasfahrten ergibt sich häufig ein höherer Kraftstoffverbrauch zu den klassischen Saugmotoren.

Der Verbrennungsmotor ist noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt (Quelle: Bosch, VDA)

Dem wollen namhafte Automobilveredler unter anderem entgegenwirken. Trotz nochmaliger Mehrleistung versprechen sie bei gleicher Fahrweise gleichen, zum Teil auch geringeren Verbrauch und dadurch weniger CO2-Emissionen. Dazu bedienen sie sich hauptsächlich dem Motorsteuergerät, dem Herzstück moderner Fahrzeuge. Diese Schaltzentrale kann „durch geeignete Optimierung aller Parameter die Leistung, das Fahrverhalten und auch den Spritkonsum verbessern“, bestätigt Richard Neumann, Fachabteilungsleiter Prüfwesen bei der DEKRA. Leistungsreserven der Motoren, die von Originalherstellerseite nicht ausgenutzt werden, machen sich diese Firmen so nachweisbar zu Nutze. Der Vorteil: Leistungsgesteigerte Fahrzeuge liefern oft schon bei Teillast mehr als ausreichende Fahrwerte.
Dr. Jan Lohbreier, Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg, sieht das aber auch mit einem kritischen Auge: „Diese Leistungsreserven sind eine Art Sicherheit. Es ist möglich, dass nachträglich leistungsgesteigerte Motoren in umweltbedingten Extremsituationen, wie Hitze oder Kälte, anfälliger sind.“
Stichwort Lebensdauer: Während alte Mercedes Benz-Saugmotoren heute noch mit weit über 500000 Kilometern unterwegs sind, stehen viele downgesizte Fahrzeuge schon nach ein paar Jahren und unter 100000 Kilometern auf dem Tacho regelmäßig in den Werkstätten. In diesem Punkt sind sich Lohbreier und Neumann einig: „Je mehr Technik in einem Motor verbaut wird, desto mehr kann auch kaputt gehen.“

Reine Verbrennungsmotoren vor dem Aus?

Und wie sieht die Zukunft aus? „Einer sollte es schon noch sein“, witzelten Experten auf dem Wiener Motorensymposium 2014 über die Verkleinerung der Motoren und wie weit es mit der Zylinderzahl denn noch hinabgehen würde. „Technisch möglich ist es“, meint Lohbreier, der aber auch Bedenken zwecks der Lautstärke und der damit verbundenen Alltagstauglichkeit eines solchen Motors hat.  Auf der anderen Seite scharren Elektromotoren in den Startlöchern schon mit den Rädern. Sie kommen aktuell im Schnitt aber nur circa 200 Kilometer weit und müssen dann erst wieder stundenlang aufgeladen werden. Und der Hybridantrieb? Eine Symbiose aus Verbrennungs- und zuschaltbarem Elektromotor, die zu noch weniger Verbrauch und einer abermaligen Verringerung des Schadstoffausstoßes führt. „Beides Technologien für die mobile Zukunft“, ist sich der Physik-Professor sicher.

Mittlerer CO2-Ausstoß von PKW in der EU (Quelle: European Environment Agency)

Wer weiß, vielleicht schwärmen wir in nicht all zu ferner Zukunft von den Autos unserer Zeit, als wir Motoren noch am Zylinderklang erkannten, egal, mit wie viel Hubraum und ob mit oder ohne Turbo. „Das waren noch Autos!“

 

 

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