Anschluss für indische Dörfer

Indien befindet sich auf der Schnellstraße zur Industrienation. Von der schnellen Entwicklung des Landes profitieren bislang jedoch hauptsächlich Ballungszentren. Energieversorgung und Internetzugang sind immernoch Privilegien von denen die Landbevölkerung größtenteils abgehängt ist. Ein ambitioniertes Forschungsprojekt der TH-Nürnberg möchte dafür eine Lösung liefern.

Ein Beitrag von Nico Weiß

Bereits seit Jahren gilt Indien als eine der am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes wird sich in einigen Jahren voraussichtlich mit dem Chinas und der USA messen können.

Doch die Infrastruktur Indiens hinkt bis heute stark hinterher: Trotz des wirtschaftlichen Wachstums lebt dort bis heute ein Drittel der Bevölkerung ohne Zugang zu Elektrizität. Das entspricht  etwa einem Viertel aller Menschen weltweit ohne Stromanbindung. Umfassende Elektrifizierung, insbesondere durch Solarenergie, steht seit vielen Jahren auf der politischen Agenda – die Landbevölkerung spürt bislang jedoch wenig von dem Fortschritt der restlichen Nation.

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Nächtliche Satellitenfotos zeichnen ein düsteres Bild der ruralen Gegenden im Nordosten des Landes. Foto: NASA

In zahlreichen Dörfern stellen Dieselgeneratoren meist die einzige Stromquelle dar. Deren Versorgung mit importiertem Erdöl ist kostspielig, die Emissionen umwelt- und gesundheitsschädlich. Die Leistung deckt zudem längst nicht den Bedarf an Elektrizität.
Ein Forschungsprojekt an der TH-Nürnberg namens ODDURE (Overcoming the digital Divide by using renewable Energies) hat es sich zum Ziel gesetzt, Generatoren schrittweise zu ersetzen, und erneuerbare Energien in diesen Regionen nutzbar zu machen.

Grüner Strom für Informationstechnik

„Es geht hier darum, eine Energieanlage zu entwickeln, die sich aus regenerativen Energiequellen speist, um diese Energie dann beispielsweise Mobilfunkmasten zur Verfügung zu stellen. Grundgedanke ist dabei die Verwendung einer Windkraftanlage mit vertikaler Drehachse, unterstützt von Photovoltaikmodulen”, erklärt Dr. Stefan Ströhla, einer der beiden Forschungsleiter.

Damit wäre endlich ein Anschluss an die Informationsgesellschaft möglich. Smartphones sind zwar bereits verbreitet, die für ein Funknetz nötigen Masten können jedoch nicht zuverlässig mit Strom versorgt werden. Die ländliche Bevölkerung lebt bis heute nahezu ausschließlich von Agrarwirtschaft. Gerade dort würde ein Kommunikationsnetz enorme Chancen bieten: Wetter- und Marktinformationen für örtliche Landwirte, Online-Bildungsangebote sowie unmittelbarer Kontakt zu Rettungs- und Hilfsdiensten könnten zur humanitären sowie nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.

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Rajasthan, Indien: Im „Barefoot College“ werden Dorfbewohner dazu ausgebildet, eigene Solarmodule betreiben zu können. Trotz solcher Projekte leben noch etwa 300 Millionen Menschen ohne Zugang zu Strom. Foto: Knut-Erik Helle via Flickr

Herausforderungen und Chancen der Hybrid-Anlage

Da die Anlage die Energiequellen Sonne und Wind zugleich nutzt, kann eine konstante Stromversorgung sichergestellt werden. Die vertikale Windanlage steht eindeutig im Fokus der ersten Forschungsphase. „Diese weist einen massiven Vorteil gegenüber herkömmlichen, horizontalen Windanlagen auf: Sie ist windrichtungsunabhängig. Aber es gibt auch Nachteile, und zwar insbesondere den schlechteren Wirkungsgrad. Ein Vorläuferprojekt beschäftigte sich bereits vor zwei Jahren mit der Untersuchung geeigneter Maßnahmen, um die Energieeffizienz solcher Anlagen zu verbessern – und da wollen wir ansetzen”, erklärt Ströhla.

Kollege und Forschungsleiter Dr. Klaus Hofbeck, zuständig für Photovoltaikmodul und Kontrollsystem, blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Ist das Projekt von wissenschaftlicher Seite erst einmal abgeschlossen, ist die Produktion großer Serien ein Hebel, um Kosten zu drücken, und das stellt auch die Möglichkeit zum Export in weitere Länder dar.“

Bewährt sich die Anlage in Tests und schließlich im Einsatzgebiet Indien als zuverlässig, ebnet das den Weg für gesellschaftliche Akzeptanz und Offenheit gegenüber der Idee von grüner Energie. Indien steht bereits auf Platz drei der Nationen mit den höchsten Treibhausgas-Emissionen und will die eigene Kohleproduktion in Zukunft noch ausbauen. Das Angebot von Alternativen und ein Umdenken bei Lösungen des Energieproblems ist gerade hier langfristig und global betrachtet unerlässlich.

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