Die Kameratechnik inszeniert einen Mythos

Das Auto bahnt sich seinen Weg durch die tosende Menschenmenge. Die Kamera wird geschwenkt und zeigt den Rücken Adolf Hitlers. Er steht in dem fahrenden Cabriolet und grüßt die Massen. Eine freudestrahlende Mutter mit einem lachenden Kleinkind auf dem linken Arm begrüßt den Führer euphorisch mit Blumen.

Der Kameramann steht direkt hinter Hitler im Wagen, um die Massen aus dessen Sicht zu zeigen und die Zuschauer durch Nürnberg zu tragen. Die Vorwärtsfahrt samt Kamera und die dadurch entstandenen Bilder sind bis zu diesem Zeitpunkt selten in Filmen zu sehen gewesen. Es handelt sich um eine Szene des von Leni Riefenstahl produzierten Propagandastreifens „Triumph des Willens“, in dem die Reichsparteitage von 1934 inszeniert worden sind. Der Film ist aufgrund seiner revolutionären Kameraführung mit sämtlichen Filmpreisen ausgezeichnet worden.

Außergewöhnliche Kameraeinstellungen

Daneben hat Riefenstahl noch weitere Tricks angewandt, um die Reichsparteitage spektakulärer erscheinen zu lassen und Hitler von verschiedenen Seiten zu zeigen. Bei Hitlers Rede für seine Hitlerjugend wird er hauptsächlich von unten aus der sogenannten Froschperspektive gefilmt. Der achtjährige Jonas sitzt mit großen Augen vor der Leinwand im Dokumentationszentrum, auf der Filmausschnitte gezeigt werden, und wirkt sichtlich erstaunt: „Er wirkt so riesig.“ Sein Großvater betrachtet den Streifen kritischer, aber trotzdem beeindruckt: „Riefenstahl hat es geschafft, ihn wie ein Kaiser zu präsentieren.“ Genau das war die Intention der Filmtechnik, denn der Beobachter sollte zu Hitler emporsehen und sich allein dadurch als unterwürfig betrachten. Um Hitlers Rednerpult sind außerdem Schienen errichtet worden, die eine dynamische Kameraführung ermöglicht haben, bei welcher der Redner von allen Seiten belichtet werden konnte. Sita Berger sitzt ein wenig verdutzt auf der Bank und analysiert: „In dem Film sieht Hitler nicht aus wie ein Mensch. Er lacht selten und es sieht alles sehr choreografiert beziehungsweise statisch aus.“ Tatsächlich wirkt er mit seiner strammen Haltung und seinem entschlossenen Blick wie die Statue eines legendären Herrschers.

Raffinierte Schnitte

„Man sollte sich aber nicht nur auf die Kameraführung des Films versteifen“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dokumentationszentrums, Dr. Martina Christmeier. „Leni Riefenstahl hat in der Nachbereitung den Ablauf der Reichstage verändert, Regentage herausgeschnitten und Szenen für eine interessantere Darbietung vermischt.“ Das heißt, dass es sich nicht um einen klassischen Dokumentationsfilm handelt, sondern eher um eine Inszenierung. „Sie hat es meiner Meinung nach geschafft, nur durch ihre Kameraführung und den Schnitt aus Adolf Hitler als gottesgleichen Menschen zu kreieren.“

Informationen zum Museum

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände
Bayernstraße 110
90478 Nürnberg

Öffnungszeiten: Mo – Fr 09:00 – 18:00 Uhr, Sa – So  10:00 – 18:00 Uhr

http://www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum/

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