Die nackte Wahrheit

Mittwochmorgen 9 Uhr. Die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos. Perfekte Voraussetzungen für einen schönen Flug. Ich stehe vor dem Nürnberger Flughafen und laufe Richtung Terminal 1. Unter meinem Pullover spüre ich das Maniküre-Set – ich habe es extra dort versteckt und bin gespannt, ob der Körperscanner es entdeckt.

Groß, weiß, Glaswände an den Seiten, vorn und hinten ist er offen. Der Scanner erinnert mich an eine Duschkabine. Vor der Kabine ist nicht viel los. Einige Passagiere durchlaufen die vertraute Kontrolle und lassen sich vom Flughafenpersonal überprüfen, andere werden durch den Körperscanner gelotst. „Jacke, Uhr und Gürtel ab. Laptop und Handy in die Plastikwanne!“ Für Personal und Vielflieger reine Routine.

Die gelben Flecken zeigen: Hier hat der Scanner etwas Verdächtiges entdeckt. Foto: dpa

Körperscanner im Selbstversuch

Nun bin ich dran. Leicht angespannt begebe ich mich auf die vorgesehene Position. „Arme über den Kopf strecken und Hände verschränken!“, befiehlt mir das Sicherheitspersonal. Die Kontrolle dauert keine drei Sekunden. Achtsam studiert eine uniformierte Frau den Monitor – es erscheint ein gelbes Viereck. Genau dort, wo sich das versteckte Maniküre-Set befindet. Der Sicherheitsmann winkt mich aus dem Scanner: „Bitte entleeren Sie Ihre Hosentaschen!“ Der Körperscanner hat den Test bestanden.

Bisher wurden laut dem Bundesministerium des Inneren in Deutschland Körperscanner nur für die zusätzliche Sicherheitskontrolle im Flugverkehr in die USA und Israel an den Flughäfen Frankfurt/Main, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, München und Berlin-Schönefeld eingesetzt. Seit 2015 auch in Nürnberg.

Millimetertechnologie für Sicherheit

Ganzkörperscanner erkennen im Gegensatz zu den klassischen Metalldetektoren mit Hilfe von Millimeterwellen Materialien, wie zum Beispiel Flüssigkeiten, Gummi, Kunststoffe, Keramik und Pulver – also Materialien ohne Metallanteile. Als potenziell gefährliche Gegenstände werden auch künstliche Darmausgänge oder Windeln angezeigt. „Der Nürnberger Flughafen setzt mit den Scannern auf eine vereinfachte und beschleunigte Passagierkontrolle“, erklärt Flughafengeschäftsführer Dr. Michael Hupe. Doch die menschliche Muskulatur und Schweißflecken oder auch Bonbonpapier in Hosentaschen führen zu Scanwiederholungen – das wiederum verzögert die schnelle Kontrolle. Versteckte Gegenstände wie Sprengstoff und Waffen in Hautfalten, Körperöffnungen oder Schuhen übersehen die aktuellen Scanner komplett. Dort sind sie blind.

Keine Verletzung der Privatsphäre

Nicht nur wegen diesem Problem waren die Scanner bei Sicherheitsexperten lange umstritten, sondern Flugreisende empfanden den „Nacktscan“ als Verletzung ihrer Privatsphäre. Der Körperscanner ProVision2 vom Hersteller L3 ist ein System, das ohne die Erstellung von Bildern auskommt – Körperformen und -konturen sind nicht dargestellt. Die Sicherheitsbeamten erhalten ein immer gleiches Piktogramm.

Flughafen München rüstet auf

Flugpassagiere müssen bei diesen neuen Modell am Münchner Flughafen nur noch vorbeilaufen, ohne dabei die Arme zu heben. Foto: Regierung von Oberfranken

Vor wenigen Wochen hat der Flughafen München fünf neue Geräte in Betrieb genommen. Im Terminal 2 ist somit der Kontrollbereich zur Hälfte mit den Sicherheitsscannern der neuesten Generation ausgestattet. Diese gewährleisten eine noch sicherere Zukunft des Flugverkehrs. Die Passagierkontrolle ist einfacher als bei den herkömmlichen Scannern. Der Fluggast muss sich lediglich in aufrechter Körperhaltung mit leicht abgespreizten Armen in den Scanner stellen. Potenziell gefährliche Gegenstände werden sofort erkannt. Es erfolgt eine grafische Darstellung der Person mittels eines standardisierten „Avatars“.

Keine Strahlenbelastung durch Scanner

Es gibt drei technische Methoden für den Ganzkörperscanner: Röntgenstrahlen, aktive Terrahertzmethode und die passive Methode. In Europa dürfen keine Scanner mit Röntgenstrahlen eingesetzt werden. „Der Scanner in Nürnberg beruht auf Terrahertzstrahlung. Dadurch ergibt sich keine Strahlenbelastung auf den Körper durch Röntgenstrahlung“, erklärt Dr. Wolfgang Langlouis, Facharzt für Radiologische Diagnostik. Diese passive Strahlung der Scanner ist um ein Vielfaches niedriger als bei anderen elektronischen Geräten.

Freiwillige Kontrolle

Sieben Tage später, 21 Uhr. Ich stehe am Londoner Flughafen und es regnet. Eine lange Schlange von Fluggästen wartet darauf, kontrolliert zu werden. Diesmal befindet sich kein verbotener Gegenstand unter meinem Pullover. Im Gegensatz zur Sicherheitskontrolle in Nürnberg prüfen die Sicherheitsbeauftragten hier mit Hilfe der herkömmlichen Metalldetektoren. In Deutschland ist die Scan-Kontrolle freiwillig. Wer nicht durch den Körperscanner will, kann alternativ durch die Handkontrolle überprüft werden. Es ist beunruhigend zu wissen, dass Metalldetektoren im Gegensatz zu Ganzkörperscannern nicht in der Lage sind, Sprengstoff und Flüssigkeiten zu erkennen. Mit einem mulmigen Gefühl steige ich ins Flugzeug.

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