Ein Bruch mit der Vergangenheit

Beim Betreten des Foyers sind es die hohe Decke und die Backsteinwände, die die Besucher des Dokumentationszentrums faszinieren und zugleich erschauern lassen. Der gläserne Pfahl durchbricht das massive Gebäude.

Er erinnert an einen chirurgischen Schnitt, der sich quer durch einen rechtwinkligen Bau zieht. Das kolossale Granitsteingebäude der Kongresshalle wird durch architektonische Kunst durchbrochen.

Das 2001 errichtete Dokumentationszentrum in Nürnberg erinnert nicht nur an das Dritte Reich und das Naziregime, es ist ein begehbares Exponat. Durch die architektonische Arbeit des Grazer Architekten Günther Domenig bietet die Fläche des nördlichen Kopfes der Kongresshalle eine einmalige Erinnerungsstätte. Dunkler Boden, schwache Beleuchtung und große Tafeln mit Bildern und Videos lassen den Museumsbesucher in die düstere Zeit des Nationalsozialismus eintauchen. „Dieses schummrige Licht an den Backsteinwänden unterstreicht all die grausamen Ereignisse“, erzählt Susanne. Sie ist für diesen Museumsbesuch extra aus Bamberg angereist und geht derzeit in die zwölfte Klasse eines Gymnasiums. Sie bewegt sich langsam und bedächtig von Tafel zu Tafel. In ihrer Haltung spiegelt sich beinahe ein wenig Angst wider, ein ungutes Gefühl. „In einem Museum wie diesem bin ich noch nie gewesen. Ich kenne nur Ausstellungen an Wänden und nicht ein ganzes Gebäude als Museum“, sagt die Schülerin.

Verschiedene Materialien zur Verwirklichung

Domenig schafft mit seiner Architektur bewusst Distanz zum Nationalsozialismus. Die Bilder, Videos und Tonaufnahmen hängen nicht direkt an den Backsteinwänden, es wird immer ein kaum merklicher Abstand gewahrt. Der Architekt bricht mithilfe von Formen und Materialien den monströsen und größenwahnsinnigen Baustil Hitlers samt seines Architekten. Das charakteristischste Bauelement ist der knapp 110 Meter lange Pfahl aus Glas und Stahl, der sich einmal quer durch das Museum streckt. Dr. Martina Christmeier, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentationszentrums, beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit der Architektur des Museums: „Der Pfahl bringt Licht in die großen und dunklen Räume, aber eben auch Licht in die Geschichte.“ Die Arbeit mit Glas bricht die tristen Gemäuer und bringt Transparenz in die Geschichte und die Räumlichkeiten. Zwei weitere neue Bauten zieren den Kopf der Kongresshalle. Ein eingehängtes Kino ragt über den Köpfen der Besucher in das Foyer und ein neuer Glasaufbau befindet sich auf dem Dach des Gebäudes. Der Grazer Architekt verzichtet auf rechtwinklige Konstruktionen, um sich bewusst der nationalsozialistischen Bauweise quer zu stellen. Er verfolgt das Ziel, eine architektonische und gestalterische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu schaffen.

Historische Luftaufnahme des Geländes Foto: Vanessa Neuß

Stefan Motzel steht in der Ecke eines Raumes der Ausstellung und starrt diagonal bis zur anderen Seite: „Ich bin schon oft hier gewesen, da ich jedes Mal aufs Neue beeindruckt bin und immer wieder neue Eindrücke gewinne.“ Die tiefhängende Decke, die nackten Wände und die eckigen Abgrenzungen der Ausstellungsstücke wirken mystisch. „Ich fühle hier die nackte Wahrheit.“ Mit seiner architektonischen Arbeit gelingt es Domenig, nicht vergessen zu lassen. Nicht nur die Augen sehen die Vergangenheit, alle Sinne werden beansprucht und gefordert. Durch den gläsernen Pfahl gelangen die Besucher vorbei an monumentalen Säulen wieder zurück ins Foyer.

 

 

Informationen zum Museum

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände
Bayernstraße 110
90478 Nürnberg

Öffnungszeiten: Mo – Fr 09:00 – 18:00 Uhr, Sa – So  10:00 – 18:00 Uhr

http://www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum/

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