Eine Reise durch die Schulzeit

Es riecht nach altem Holz, der Boden quietscht. Neben der Eingangstür warten ein alter Rechenschieber, ein kleines Pult und eine große grüne Tafel auf Schüler, die nicht zum Lernen hierher kommen.

Ein Beitrag von André Dyntar

Über den Raum verteilt stehen kleine Holztische und Bänke, die alles andere als komfortabel aussehen. In einer Vitrine am anderen Ende des Raumes liegen in die Tage gekommene Lernmaterialen. Es handelt sich um ein originales Klassenzimmer aus dem Jahre 1910, das im Untergeschoss des Museums für Industriekultur in Nürnberg zu sehen ist. Hier wird fast täglich „Unterricht um 1910“ gehalten. Das Museum bietet seit dem 31. März 2008 das Schulmuseum als Dauerausstellung an. Unter dem Titel „Bildung für alle“ werden hier 500 Jahre Schulgeschichte erzählt.

Römisches Schreibwerkzeug Foto: Andre Dyntar

Schon im 3. Jahrhundert nach Christus haben sich die Römer Gedanken darüber gemacht, wie sie etwas auf einer Oberfläche verewigen können. Sie verwendeten zum Beispiel Metall oder Holzstäbchen, um damit etwas in ein Wachstäfelchen zu ritzen. Was genau hineingeritzt werden sollte, musste wohl überlegt sein, denn so etwas wie Tipp-Ex oder Radiergummis gab es nicht.

 

 

Die Schulpflicht gibt es noch nicht lange. Diese wurde erst Mitte des 17. Jahrhunderts verordnet. Richtig durchgesetzt und eingehalten wurde sie allerdings erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Die Eltern sahen damals nicht die Notwendigkeit,  die Kinder zur Schule zu schicken, denn damit verloren sie wichtige Arbeitskräfte. Das heutige Bildungsideal, die Kreativität, eigene Ideen und selbstständiges Denken der Schüler zu fördern, war damals nicht denkbar. Disziplin, Gehorsam und Ordnung waren vor allem in der Kaiserzeit (1871-1918) die übergeordneten Ziele der Schulen. Wer sich nicht daran hielt, wurde sofort bestraft. Auch nach der Kaiserzeit wurde weiterhin auf Züchtigung durch den Lehrer gesetzt.

Züchtigung mit dem Zollstock

Horst Toffeleit, der inzwischen 87 Jahre alt ist, hat es hautnah miterlebt. Er ging zur Zeit des Nationalsozialismus zur Schule, als diese auch als Rekrutierungsanstalt für das Militär diente. Wie war das denn mit der körperlichen Züchtigung? „Der Lehrer hatte neben seinem Pult einen Zollstock stehen, und wenn man beim Schiefsitzen oder Schwätzen erwischt wurde, hat er den Schüler ans Pult geholt und mit dem Stock auf die Handflächen geschlagen oder eine Kopfnuss verteilt.“ Das hat doch sicher irrsinnig weh getan als Kind? „Naja schön war es nicht, aber es war ganz normal dass wir ab und zu mal ein paar Schellen oder Prügel bekommen haben, egal ob Zuhause oder in der Schule.“ In den 1960er Jahren wurde die körperliche Züchtigung an den deutschen Schulen überwiegend abgeschafft.

Handgranaten und Spickzettel

Attrappe einer Handgranate Foto: Andre Dyntar

Die Methoden der Vergangenheit haben nicht mehr viel mit den heutigen gemeinsam. Das veranschaulicht auch ein Utensil aus dem Sportunterricht aus dem Jahr 1942: die Attrappe einer Handgranate, mit der spätere Flakhelfer das Granatenwerfen geübt haben. Ein Phänomen existiert hingegen seit vielen Jahrzehnten:. der Spickzettel! Was wäre die Schulzeit gewesen ohne den Versuch, auf einem verschmierten Stück Papier einen Satz in Schriftgröße 1 abzulesen? Und wer denkt, dass es Spicker in der Zeit von Zucht und Ordnung nicht gab, irrt. Schon damals haben Schüler sich bemüht, die eine oder andere Note mit einer „Lernhilfe“ zu ermogeln. Auch die Rolle des Lehrers hat sich im Laufe der Zeit von einer elitären Respektperson zum Ansprechpartner in schwierigen Situationen verändert. Ebenso beinhaltete der Stundenplan neben grundlegenden Fächern wie Religion, Lesen, Schreiben, Singen und Rechnen für die Jungen das Fach „Leibesertüchtigung“, das auf den Kriegsdienst vorbereiten sollte. Die Mädchen hatten „Handarbeit“.

Spicker aus dem Jahr 1928 Foto: Andre Dyntar

Der Schulbesuch bot Kindern aus ärmlichen Verhältnissen unter günstigen Umständen  eine Chance, wichtige Kompetenzen zu lernen und verborgene Fähigkeiten zu wecken. Die Schule konnte so den Weg zum sozialen Aufstieg bereiten.

 

Informationen zum Museum

Museum Industriekultur
Äußere Sulzbacher Str. 62
90491 Nürnberg

Öffnungszeiten: Di – Fr 09:00 – 17:00 Uhr, Sa – So 10:00 – 18:00 Uhr

http://www.museen.nuernberg.de/museum-industriekultur/

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