Einfach anders

„Ich mache einfach alles anders herum“, sagt die junge Frau mit einem verschmitzten Grinsen auf ihren Lippen. Sie trägt eine Brille mit kreisrunden Gläsern und ein weites schwarz-grün gemustertes schulterfreies Kleid. Die Spitzen ihrer kurzen schwarzen Haare sind blond gefärbt.

Sie streichelt liebevoll ihren runden Bauch. Die 22-jährige Frau heißt Rawan, lebt derzeit in Vilseck und ist bereits Mutter des anderthalb-jährigen Omary. Im September wird ihr zweiter Sohn zur Welt kommen. Sie merkt sichtlich amüsiert an: „Ich habe bisher nur mein Abitur gemacht. Gleichaltrige studieren, machen eine Ausbildung oder sind fertig damit. Bei mir verschiebt sich das etwas nach hinten.“

Rechtlosigkeit der Frauen

Rawan wurde in Schweinfurt geboren. Ihre Eltern emigrierten vor ihrer Geburt aus dem Sudan nach Deutschland. Die junge Mutter erläutert: „Im Sudan haben Frauen fast keine Rechte, da dort das islamische Recht gilt.“ Das war ein Auslöser für die Migration ihrer Eltern. Die Rechtlosigkeit sudanischer Frauen ist ausschlaggebend dafür, dass Rawan weder einen sudanischen noch einen deutschen Pass besitzt. „Dazu müsste mein leiblicher Vater mit mir zum Amt gehen und den Pass für mich beantragen“, ergänzt sie. Das freudige Strahlen entweicht ihren Augen, sie wirkt bedrückt und gibt mit gesenktem Blick preis: „Zu meinem Vater habe ich seit Jahren keinen Kontakt mehr.“

Selbstschutzmechanismus

In Deutschland stellte die junge Frau nach dem Erlangen der Volljährigkeit einen Einbürgerungsantrag. Dieser wurde vor vier Jahren bewilligt, doch einen Ausweis hat sie bis heute noch nicht erhalten, weil noch immer einige Formalitäten erledigt werden müssen. In ihrem Personalausweis würde ihr vollständiger Name Rawan Elhag Sir Elkhatim Ali Elhag stehen. „Rawan ist ein muslimischer Name und ist im Koran ein Fluss im Paradies. Danach folgt der Vorname meines Vaters, Sir Elkhatim ist sein Nachname und nach dem Ali folgt der Name meines Großvaters. Eigentlich gar nicht so schwer“, witzelt die 22-Jährige. Diese Selbstironie ist ein Selbstschutzmechanismus. Jessica Engelhardt, eine ehemalige Schulkameradin, erinnert sich: „Sie ist in der Schule allein durch ihren Namen aufgefallen. Jedes neue Schuljahr begann damit, dass Lehrer über ihren Namen stolperten. Das führte des Öfteren zu Gelächter der Mitschüler.“ Dem Gelächter folgten unüberlegte diskriminierende Sprüche wie: „Nur weil sie Schwarz ist“.

Islamische Hochzeit

Rawan und ihr Mann.
Foto: Elkhatim

Rawans Nachname wird sich im nächsten Jahr ändern. Sie wird den Vater ihres zweiten Kindes, einen US-Amerikaner, standesamtlich heiraten. „Im März wurden wir schon von einem Imam getraut“, erzählt sie mit funkelnden Augen und streichelt unbewusst zärtlich ihren Babybauch. Ein Imam ist mit einem Priester vergleichbar. Neben dem Imam müssen noch männliche Zeugen anwesend sein, die dem Islam angehören. Bei ihr waren das ihr Stiefvater, ihr Onkel und ihr jüngerer Bruder. „Es gibt islamische Hochzeiten, bei denen die Braut nicht anwesend sein muss. Ein Zeuge reicht aus, um den Willen der Braut zu vertreten. Wobei man hier nicht wirklich von einem Willen sprechen kann“, erläutert die frisch gebackene Braut mit ernster Miene. Auf ihrem Hochzeitsfoto trägt Rawan ein traditionelles königsblaues Gewand, das mit goldenen Punkten verziert ist. Die Stirn ist mit einem goldenen Kopfschmuck verdeckt, der in ihrer gelockten Haarverlängerung befestigt ist. Von ihm geht ein goldenes Kettchen aus, das in einem goldenen Nasenring am linken Nasenflügel endet.
Ihre Unterarme sind mit goldenen Armreifen behangen und beide Hände sind mit dem gleichen schwarzen Henna-Tattoo, das einem Schneckenhaus ähnelt, verziert. Rawan schwärmt verträumt: „Das war einer der schönsten Tage meines Lebens.

„Ich werde ihnen nichts verbieten, dass ich nicht selbst einhalte“

In absehbarer Zeit wird das junge Brautpaar zusätzlich die vierjährige Tochter des Mannes aufnehmen. Rawan hat sich bereits Gedanken über die Erziehung ihrer Kinder gemacht: „Ich werde ihnen nichts verbieten, dass ich nicht selbst einhalte.“Die junge Mutter wurde nach muslimischen Regeln erzogen und führt fort:
„Ich halte mich an den Großteil der Normen, die im Koran stehen.“ Sie isst kein Schweinefleisch, trägt keine zu offenherzige Kleidung und versucht während des Ramadans zu fasten. Ein Hindernis für die Einhaltung der Fastenzeit ist der normal geregelte Arbeitsalltag, bei dem es notwendig ist, zumindest zu trinken. „Man muss sich anpassen!“, sagt Rawan nüchtern. Andere muslimische Grundsätze will sie nicht befolgen: „Ich bete nicht fünf Mal pro Tag und ein Kopftuch trage ich ebenso nicht. Das würde ich meiner Tochter auch nicht vorschreiben.“

Der Islam spielt für Rawan eine wichtige Rolle, aber sie betont, dass es Personen gibt, die ihn intensiver ausleben. Ihr Mann konvertierte beispielsweise vom Christentum zum Islam. Sie ergänzt: „Er hat sich bewusst für den Islam entschieden. Bei mir war der Islam immer da und wurde mir vorgelebt, ohne dass ich darüber nachgedacht habe. Jetzt sehe ich das Ganze kritischer und handle nur nach den Grundsätzen, die ich für sinnvoll halte.“ Diese Einstellung führte anfangs des Öfteren zu Konflikten mit ihrer Mutter. „Ab der 10. Klasse schien es, als würde sie aus ihrem Käfig ausbrechen wollen. Sie probierte einiges aus, das sie sich zuvor nicht getraut hatte“, erzählt Jessica.

Dreisprachige Erziehung

Rawan und Omary.
Foto: Elkhatim

Die 22-Jährige wünscht sich, dass sich ihre Kinder trotz ihres sichtbaren Migrationshintergrunds genauso wie sie in die Gesellschaft integrieren können. Deswegen wird zu Hause Deutsch gesprochen. Nichtsdestotrotz soll die arabische Sprache weitergegeben werden. Rawan erzählt stolz: „Omary versteht schon Wörter aus drei Sprachen. Ich spreche deutsch mit ihm, mein Mann englisch und meine Mutter arabisch.“

Die Erziehung von drei Kindern wird nicht leicht. Deswegen will Rawan etwa zwei bis drei Jahre zu Hause bleiben und für ihre Familie sorgen. Sie sagt abschließend: „Dann bin ich erst 25 Jahre alt. Was ich genau machen will, weiß ich noch nicht. Ich kann mir vorstellen, im sozialen Bereich zu arbeiten.“ Nur eine Sache ist sicher: Sie möchte in Deutschland bleiben, denn hier ist ihr zu Hause.

 

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