Griechisches Temperament

Als ich Maria Peloponisiou für das Interview am Nürnberger Weihnachtsmarkt treffe, kommt sie mir freudestrahlend entgegen und umarmt mich herzlich. Die Kälte macht der Südländerin nichts aus, denn der Winter ist ihre liebste Jahreszeit.

„Ich mag Weihnachten, wenn es schneit und alles so schön geschmückt ist.“ Viele Unterschiede gibt es zwischen dem katholischen und dem orthodoxen Weihnachtsfest nicht. „Der einzige Unterschied ist, dass wir die Geschenke an Silvester verteilen. Und natürlich gibt es hier noch Schnee. Den gibt es bei uns nicht.“

Denn Maria wurde in Griechenland geboren und ist mit 18 Jahren alleine nach Deutschland ausgewandert. Seitdem lebt die heute 25-jährige Studentin in Erlangen. Grund der Auswanderung war ein Biologiestudium, das sie jedoch nach zwei Jahren abbrach. Sie wechselte zu Life Science Engineering. Das gab sie aufgrund der technischen Schwerpunkte und dem fehlenden kommunikativen Aspekt ebenfalls auf und wechselte zu Technikjournalismus. Mittlerweile ist Maria im siebten Semester an der Technischen Hochschule in Nürnberg und steht kurz vor ihrem Abschluss.

Für ihren derzeitigen Lebensabschnitt bereiteten Marias Eltern sie lange auf die Auswanderung vor. Ein Auslandsstudium war speziell für Marias Mutter sehr wichtig, denn sie studierte selbst in den USA. Als sie sich für Deutschland entschieden hatten, lernte Maria von klein auf die deutsche Sprache und Kultur kennen. Ab der siebten Klasse besuchte sie eine deutsche Schule in Athen, auf der sie viele Unterrichtsfächer, wie zum Beispiel Mathematik und Physik, auf Deutsch hatte. Fächer wie Religion und Altgriechisch wurden jedoch auf Griechisch unterrichtet. Von deutschen Mitschülern lernte sie die deutsche Lebensart und Sprache noch besser kennen. Nachdem sie das griechische und deutsche Abitur im Bereich Technologie bestanden hatte, konnte sie sich voll und ganz auf das Auswandern konzentrieren.

Foto: Daniel Wilpert

Über Bekannte, die in Erlangen leben, war Marias neue Heimat schnell gefunden. Damit sie reibungslos in Deutschland starten konnte, halfen sie ihr mit der Bürokratie und der Wohnungssuche. Bevor Maria in Deutschland ankam, hatte sich die Auswanderin etwas vorgenommen: „Ich wollte mich nicht mit Griechen befreunden, dass ich mich besser integriere.“ Dabei fiel ihr auf, dass die Deutschen sehr zurückhaltend sind. „Damit habe ich nicht gerechnet, dass ich auf die Deutschen zugehen muss, um Kontakte zu knüpfen. Die Griechen sind viel offener.“ Jetzt, nach sieben Jahren in Deutschland, hat sie viele Freunde gefunden. Ihr Freundeskreis ist international und mittlerweile sind darunter auch Griechen. Trotz vieler Freunde vermisst sie ihre Familie sehr. Ein täglicher Kontakt zu ihren Eltern ist Pflicht. Ebenso wie regelmäßige Besuche. Maria versucht zweimal im Jahr in ihre Heimat zu fliegen. „Im Sommer besuche ich meine Eltern eigentlich immer. Ich muss schauen, wie es klappt, entweder an Ostern oder Weihnachten.“ Oft sagt ihre Mutter zu ihr, dass sie typisch deutsch geworden ist. Maria empfindet das jedoch nicht so: „Ich war schon immer pünktlich und strukturiert. Ich bin ein Mischmasch. Ich habe die deutsche Denkweise und das griechische Temperament.“

Foto: Daniel Wilpert

Bei jedem Heimatbesuch sieht sie aufs Neue kulturelle Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Ein Beispiel sind die öffentlichen Verkehrsmittel: „Hier fährt der Bus um 11:09, wenn es da steht. In Griechenland ist nicht mal sicher, ob er überhaupt kommt“, sagt sie genervt und fügt lachend hinzu, dass das eventuell das Deutsche in ihr ist und sie sich deshalb darüber aufregt. Auf die Frage, zu welcher Staatsangehörigkeit sich Maria zugehörig fühlt, antwortet sie, dass sie sich hier als Griechin und in Griechenland als Deutsche fühlt. So richtig erklären kann sich Maria das Gefühl nicht. Sie vermutet, dass es daran liegt, weil ihre Familie nicht typisch Griechisch ist. Zu Hause wurde viel Englisch und Deutsch gesprochen, um sie bestmöglich auf ein Leben im Ausland vorzubereiten. In Griechenland fühlt sie sich daher teilweise wie ein Besucher. Nichtsdestotrotz hat sie ihren Ursprung in Griechenland und interessiert sich für das politische und wirtschaftliche Geschehnis dort.

Um auf dem Laufenden zu bleiben hat sich die Studentin diverse Apps auf ihr Smartphone heruntergeladen. Hier checkt sie regelmäßig die griechischen Nachrichten. Besonders die Wirtschaftskrise trifft die griechische Bevölkerung. „Das war in Deutschland auch ein riesiges Thema“, sagt die Griechin. Sie hat deswegen oftmals Anfeindungen gegen Griechenland gespürt. „Wir sind keine Griechen oder Deutsche. Wir sind Europäer“, appelliert sie an den europäischen Zusammenhalt. Seit der Krise wandern viele junge Griechen aus, da sie keine Chance auf einen gut bezahlten Job haben. „Meine beste Freundin arbeitet als Krankenschwester in einem großen Krankenhaus in Griechenland. Sie verdient gerade mal 800 Euro. Eine Milch kostet 2,50 Euro, das Klopapier um die 5 Euro. Da bleibt am Ende des Monats nicht viel übrig.“

Solange sich die Situation in Griechenland nicht ändert, hat Maria nicht vor zurückzukehren. Ihr Traum ist es als Diplomatin in den USA zu arbeiten, was sie aber selbst für unwahrscheinlich hält. Ein weiterer Traum wäre für sie, in Kriegsgebiete zu reisen und über die Umstände vor Ort zu berichten, denn „Journalismus ist für mich nicht nur das, was passiert, sondern was Menschen dabei fühlen und denken“, erzählt sie. Zukünftig wird sich zeigen, wohin sie ihr Weg führt. Für Maria steht momentan der Abschluss ihres Studiums an erster Stelle. Diesen wird sie voraussichtlich im Sommer 2018 absolvieren.

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