la famiglia è la patria del cuore

So oft es geht fährt Sandra Strunz nach Italien. Genauer genommen nach Verona. Dort leben ihre Mutter und ihre beiden Schwestern. Ihr Vater ist vor einem Jahr verstorben. Sandra lächelt: „Ich bin der totale Familienmensch.“

„Ich weiß nicht, ob das am Italienischen liegt, aber wir sind schon sehr eng verwurzelt. Obwohl wir so weit auseinander wohnen, haben wir total viel Kontakt“, erzählt sie. „In Deutschland habe ich mich mittlerweile gut eingelebt, aber die Familie fehlt schon.“

Italienisches Temperament

Sandras grüne Augen strahlen. Ihre kurzen schwarzen Haare betonen ihr gepflegtes Gesicht. An ihrem gebräunten Handgelenk glitzern drei Armbänder. Schon immer war die Italienerin sehr extrovertiert und lebensfroh. Sandras Mutter kommt aus Bosnien. Ihr Vater ist Deutscher. Er ist aber vor vielen Jahren nach Italien ausgewandert. Deshalb wurde Sandra in Italien geboren. Aufgrund der verschiedenen Kulturen ihrer Eltern ist sie dreisprachig aufgewachsen. Heute arbeitet sie als Fremdsprachenkorrespondentin. Auch ihre beiden Kinder hat sie mit der italienischen Sprache aufgezogen.

Nicht nur in der Aussprache unterscheiden sich die deutsche und italienische Sprache. Italiener reden unheimlich viel mit ihren Händen und ihrem Körper. Sie bewegen sich viel beim Sprechen. Auch Sandra gestikuliert viel: „Als ich am Anfang in Deutschland war, haben die Leute ständig gesagt: Hör mal auf zu fuchteln.“ Mittlerweile hat sie sich das ein bisschen abgewöhnt, doch eigentlich gehört das für sie dazu. Sie lacht: „Und Italiener sind einfach laut. Das ist nicht böse gemeint und die sind auch nicht immer sauer, wenn sie sich so laut unterhalten.“ Italiener unterhalten sich schlichtweg in einer anderen Lautstärke, denn sie sind sehr temperamentvoll.

Diese Geste nennen Muttersprachler: „den toten Italiener.“ Foto: Anna Neubauer

Diese Geste ist ein typisch italienischer Meinungsverstärker. Foto: Anna Neubauer

 

 

 

 

 

 

 

 

Ihren Mann Frank kennt Sandra, seit sie klein ist. Er und seine Familie kommen aus Deutschland. Durch Sandras Vater sind die zwei Familien schon lange befreundet. Als die Italienerin geboren wurde, hat der zehn Jahre ältere Frank sie im Kinderwagen geschoben. Immer wieder kam er nach Italien zu Besuch. Sandra war oft bei ihrer Oma in Deutschland. „Irgendwann hat es gefunkt und wir haben uns entschieden, den Weg gemeinsam zu gehen“, erzählt sie begeistert. Mit 19 Jahren ist sie zu ihm ins Fichtelgebirge gezogen, ein Jahr später nach Nürnberg, weil es dort mehr Arbeit gab. Dann ist Sandra schwanger geworden. Als ihr Kleiner zwei Jahre alt war, haben sie ihren Wohnsitz dann in das Dorf Unterhaidelbach verlegt. Mit Kindern finden sie es auf dem Land schöner. Mittlerweile hat das Paar noch einen zweiten Sohn.

Essen heißt Gemeinschaft

Bei ihren Kindern legen Sandra und Frank sehr viel Wert darauf, immer zusammen zu essen. Die Kultur des Essens ist in Italien eine andere. Dort geht es nicht nur um die Essensaufnahme. Essen heißt Gemeinschaft: stundenlang am Tisch sitzen und sich unterhalten. Gerade am Wochenende verbringt sie viel Zeit damit. Auch in Deutschland hat Sandra gerne Besuch und lässt sich Zeit beim Essen. Ihr Lieblingsgericht sind Gnocchi mit Gorgonzola. „Es ist schade, dass man die italienische Küche immer nur mit Pizza und Nudeln verbindet“, sagt sie. „Das gehört natürlich dazu, aber Italiener essen noch viel mehr.“ Sie essen unheimlich viel Gemüse. Auch Fleisch- und Fischgerichte sind sehr beliebt. „Zu jedem Essen gehört ein Glas Wein. Das ist für uns wie das deutsche Bier“, führt Sandra weiter aus. 

Sandra und ihr Mann Frank. Typisch italienisch: Sobald die Sonne scheint, ziehen sie eine Sonnenbrille auf. Foto: Sandra Strunz

Ein absolutes No-Go? Cappuccino wird nicht am Nachmittag oder am Abend getrunken. „Das ist einfach so. Espresso kann man trinken, aber Cappuccino trinkt ein Italiener nur vormittags“, sagt Sandra. „Das ist bei mir Zuhause auch eine Regel.“

In Bezug auf den Essensablauf hat sie sich an die deutschen Sitten angepasst. Sie frühstückt und isst zu Mittag. Italiener essen morgens eigentlich nichts. Das klassische Frühstück besteht aus einem Espresso oder einem Cappuccino und wenn überhaupt ein Brioche, eine Art Croissant, dazu. Mittags wird oft etwas Leichtes, wie einen Salat, zu sich genommen. Weil es sehr heiß ist und die Leute oft bis 19 Uhr arbeiten, essen Italiener deutlich später zu Abend.

Immer in Kommunikation

Am Anfang hat sich Sandra in Deutschland fremd gefühlt. Sie hat sich schwergetan, hier reinzukommen. „Wenn man mal die Menschen kennt, wird das besser“, sagt die Mutter zweier Söhne. „Aber gerade in Franken ist es schwierig, neue Leute kennenzulernen.“ In Italien ist alles viel lockerer. Die Menschen sind offener. Dass die Italienerin hier reingewachsen ist, hat sich vor allem durch ihre Kinder ergeben. „Durch den Kindergarten, die Schule oder den Fußballverein kommt man eher ins Gespräch mit der einen oder anderen Mutter“, sagt sie. „Gedauert hat es schon so drei Jahre“, führt sie weiter aus. Es kommt eben auch darauf an, wie offen die Person selbst ist. Sandra wollte sich integrieren und hat hauptsächlich deutsche Freunde hier.

„Für mich war es anfangs sehr komisch, dass man in Deutschland mit Freunden einen Termin ausmachen muss, um sich zu treffen“, erklärt Sandra lachend. „In Italien ist es normal, dass du bei Bekannten einfach klingelst.“ Bei ihr gilt die Regel: Jeder kann kommen, wann er will. Das hat sie so beibehalten. Sandra nimmt sich gerne Zeit für Freunde. Gesellschaft, Gemeinschaft, Miteinander: Das sind Werte, die in Italien sehr wichtig sind. Ein Italiener hat immer sein Handy dabei. Immer in Kommunikation miteinander. Auch Sandra ist immer in Kontakt mit ihren Schwestern.

In Deutschland schätzt sie jedoch die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Das ist in Italien gar nicht wichtig. Da ist es nicht schlimm, wenn der Besuch ein bisschen später kommt. Ein bisschen bedeutet dabei aber nicht fünf Minuten, das kann eine halbe Stunde sein oder die erwarteten Gäste kommen eben gar nicht. „In Deutschland habe ich das anders erlebt“, freut sie sich. „Wenn man etwas ausmacht, dann ist es auch wirklich so.“

In Italien möchte Sandra nicht mehr leben. Das, was ihr jedoch fehlt, sind ihre Familie und die Wärme. Selbst nach 20 Jahren fallen ihr die Kälte und die langen Winter schwer. Aber die Lebensqualität findet sie hier besser. Sandra ist froh über die Möglichkeiten, die ihre Kinder hier haben. „Man müsste nur ein bisschen Italien-Feeling nach Deutschland bringen“, sagt sie grinsend.

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