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Nürnberg – eine Quelle der Elektromobilität

Der Abgas-Skandal, Fahrverbote wegen Feinstaubbelastung oder die Knappheit fossiler Brennstoffe – der Ruf nach elektrisch betriebener Mobilität wird immer lauter. Heute gilt das Elektroauto als die Innovation für den Individualverkehr im 21. Jahrhundert. Doch schon vor über 100 Jahren rollten die heutigen Hoffnungsträger durch Nürnberg.

Ein Beitrag von Bertram Bose

Drei Männer drehen angestrengt an den Kurbeln ihrer Motorkutschen. Mit einem lauten Knattern springt einer der Wagen an. Doch was war das? Von den Männern zunächst unbemerkt war eine Frau in ihr sehr außergewöhnliches Fahrzeug gestiegen. Ohne Kurbeln startet sie den Motor. Kein Knattern, kein Auspuff, der stinkende Wolken von Abgasen hinterlässt. Freundlich grüßend fährt die Frau in ihrer Elektrokutsche davon.

„Frühe Elektroautomobile hatten bei Herrenfahrern den Ruf von Damen-Fahrzeugen. Sie waren leise, komfortabel und das Ankurbeln des Motors entfiel“, erklärt Dr. Frank Steinbeck, Kurator beim Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München.

Elektrofahrzeuge wurden damals auch in Nürnberg gebaut

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Motorkurbel; Foto: www.pixelio.de, Gaby Schönemann

Elektrisch betriebene Fahrzeuge prägten um das Jahr 1900 das Straßenbild vieler Städte. Heute ist es fast in Vergessenheit geraten, dass damals auch in Nürnberg Elektrofahrzeuge entwickelt und gebaut wurden. Die Automobilbaukunst steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen. Bei den frühen Autos wurde auch auf elektrische Antriebskonzepte gesetzt. Im Jahr 1898 hat Hercules die „Elektrochaise“ in Nürnberg hergestellt. Diese offene Elektrokutsche erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern. Mit ihr konnte eine Strecke von rund 40 Kilometern bewältigt werden. Werte, die im Vergleich zu heutigen Fahrzeugen und dem enormen technischen Fortschritt beeindrucken. Ein moderner BMW i3 erreicht im Alltag eine reelle Reichweite von rund 130 Kilometern.

Auch bei der von Sigmund Schuckert gegründeten Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (vorher Schuckert & Co.) wurden Elektroautos hergestellt. „Schuckert war der wichtigste Elektro-Pionier der Stadt“, sagt Matthias Murko, Leiter des Museums für Industriekultur in Nürnberg. An den Erfindergeist und Industriellen erinnern heute noch Straßennamen sowie der Name eines Nürnberger Gymnasiums. Berühmt ist er vor allem für die 1882 in Nürnberg installierte, erste, dauerhafte elektrische Straßenbeleuchtung Deutschlands. Echte Schuckert-Raritäten sind die Elektrodreiräder und die elektrischen Nutzfahrzeuge, die das Werk zwischen 1899 und 1903 verließen.

„Die alten Elektroautomobile sind heute wirklich extrem selten“, bedauert Murko. Das Schuckert Elektrodreirad konnte mit seinen eineinhalb Pferdestärken beinahe sieben Kilometer zurücklegen. Postzusteller und Firmen nutzten die Dreiräder gerne. Beliebt waren sie trotz der für diese Zwecke geringen Reichweite, weil der Akku sich schnell austauschen ließ. Die Batterien wurden in eigenen Ladestationen gewechselt und neu aufgeladen. Innovativ war auch die Kombination eines Verbrenner-Motors und Elektro-Motoren an den Fahrzeugachsen, die Schuckerts Lastkraftwagen antrieb. Eine weitere Entwicklung waren Gas-Motoren, die einen Gleichstrom-Generator speisten. Der wiederrum versorgte die Antriebsmotoren mit Strom. Die damit ausgerüsteten Mobile sind die Vorgänger der heutigen Hybridfahrzeuge.

Das Elektrofahrzeug konnte sich auf der Straße nicht durchsetzen

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Sigmund Schuckert Büste am Schuckertplatz; Foto: Bertram Boos

Der Einsatz der elektrischen Automobile im Straßenverkehr war jedoch nur von kurzer Dauer. Laut Experte Steinbeck werden „unter Historikern verschiedene Gründe als Ursache des Niedergangs diskutiert. Mit den Erfindungen besserer Einspritz-Systeme, des elektrischen Anlassers und der Magnet-Zündung konnten die Nachteile der Gas-Motoren ausgeglichen werden. Die Vorteile der Verbrenner kamen immer mehr zum Tragen“, schildert Steinbeck. Günstigerer Kraftstoff und die immer weiter steigenden Reichweiten der Verbrenner verdrängten das Elektroauto zunehmend. Die Männer, die das zuerst komfortablere Elektrofahrzeug ablehnten, da es das damalige Rollenklischee der Frau bediente, hatten keinen Grund mehr es zu belächeln – das Elektroauto verschwand von den Straßen.

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