Schillingsfürst, America second

Alexa Meininghaus schlendert gelassen auf den Flugplatz. In ihrer beigen, zweigeteilten Umhängetasche sind entbeinte und in Streifen geschnittene Happen Tierfleisch versteckt. Ihre linke Hand ist umschlossen von einem klobigen, braunen Handschuh aus dickem Leder.

 

Der Geier Arthur ist im Anflug. Foto von Robert Conrad

„Bitte bleiben Sie während der Show auf Ihren Plätzen, stehen Sie nicht auf und laufen Sie nicht herum“, mahnt die ausgebildete Jägerin die circa 80 Gäste, während sie in die Mitte des Flugplatzes schreitet. Mit ihrer rechten Hand friemelt sie ein Stück Fleisch aus der Umhängetasche, positioniert dieses gut sichtbar in ihrer Linken und reckt sie empor. Die Spannung steigt, die Gespräche der Zuschauer verstummen. Gebannt starren alle Gäste auf den in den Himmel gestreckten Arm. Plötzlich ist er zu sehen. Ludger, die Schleiereule rast aus dem Nichts kommend auf Meininghaus zu. Pfeilschnell, absolut lautlos und im Tiefflug. Wenige Meter vor ihr schlägt er kräftig mit den Flügeln, bricht den Tiefflug ab und landet sicher auf ihrer linken Hand. „Wie Sie sehen können, ist Ludger von Mutter Natur mit einem lautlos daher gleitenden Gefieder ausgestattet worden“, sagt die Falknerin.

Alexa Meininghaus mit Aguja Cisco auf dem Arm. Foto von Robert Conrad

Der Flugplatz des fürstlichen Falkenhofes liegt im Graben des Schlosses Schillingsfürst, einem malerisch schönen Herrenhaus auf einem steilen Bergsporn der Frankenhöhe. An einer Seite ist der Flugplatz durch eine hohe, von der Zeit gezeichneten, Schlossmauer abgegrenzt. Nach vorne gerichtet, bietet sich – aufgrund der erhöhten Lage – ein attraktiver Ausblick auf die Stadt Schillingsfürst. Links davon führt eine alte Steintreppe hinaus aus dem Graben und hinauf auf die Schlossbrücke. Diese überspannt den Graben mit fünf Bögen und bildet die Rückseite des Flugplatzes. Von Ende März bis Ende Oktober finden dort von Dienstag bis Sonntag je zwei Flugvorführungen am Tag statt. Unterstützt wird Meininghaus dabei von Gabi Voigtländer und Klaus Schmich. Heute bekommen die Gäste insgesamt 13 Tiere zu sehen – neben zehn Raubvögeln auch drei Frettchen. Fiodora, Fite und Bärchen unterstützen nicht nur die drei Wüstenbussarde Polly, Amigo und Ernesto bei der Jagd, sondern sie sind auch als Publikumslieblinge auszumachen. Nicht zuletzt deswegen, weil sie die einzigen Tiere der Show sind, die sich streicheln lassen.

Showtime für Falkendame Lea

Meininghaus steht inmitten der mit Gras, Gänseblümchen und Löwenzahn bewachsenen Manege. Sie ist athletisch, trägt braune Trekkingschuhe, eine waldfarbene Hose und – farblich darauf abgestimmt – ein weit geschnittenes Oberteil. Ihr Pferdeschwanz ist geschickt durch die Öse ihrer Cappy gefädelt, deren Muster stark an das Federkleid eines Steppenadlers erinnert. Behutsam schwenkt sie eine Art Angel, an deren Ende ein Faden mit einem Büschel schwarzer Krähenfedern festgebunden ist. Falknerkollege Schmich steht auf der Schlossbrücke, mit Falkendame Lea auf dem Arm. „Die Beutetiere der Falken befinden sich in der Luft, nicht am Boden“, sagt Meininghaus, während sie die Krähenimitation zunehmend wilder durch die Luft zu wirbeln beginnt. Leas Aufmerksamkeit ist geweckt. Das Ziel fest im Blick breitet sie ihre Schwingen aus und stürzt sich in die Tiefe. Sie verliert schnell an Höhe und gewinnt ebenso schnell an Geschwindigkeit. Als die Falkendame nur noch wenige Meter von der kreisenden Krähenimitation trennen, zieht die 48-jährige Falknerin diese ruckartig in eine andere Richtung. Lea schlägt einen hörbaren Haken in der Luft und dreht ab. „In der Wildnis würde sich die Krähe auch nicht einfach ergeben“, erklärt die Leiterin des Falkenhofs ihr Handeln.

Klaus Schmich mit Falkendame Lea. Foto von Robert Conrad

Lea steigt derweilen bis weit über den Schlossturm auf und holt in einem weiten Bogen aus. „Im Sturzflug erreichen Falken eine Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometer pro Stunde. Die Beute wird dann durch den Aufprall in der Luft getötet“, erklärt Meininghaus die Jagdtaktik von Falken. Lea ist mittlerweile hinter dem Schlossturm, und somit aus dem Blickfeld der Falknerin verschwunden. Ein Vorteil, dem sie sich durchaus bewusst ist. Während Meininghaus hilflos den Himmel nach ihr absucht, bringt diese sich hoch oben, im Rücken ihrer Ziehmutter, in Stellung. Die stolze Falkendame ist bereit. In einem zweiten Versuch stürzt sie sich mit angewinkelten Flügeln in die Tiefe. Bis Meininghaus durch die Zuschauer erfährt, aus welcher Richtung Lea angeschossen kommt, ist es zu spät. Blitzschnell hat der Raubvogel die Krähenimitation erfasst und die Angel dabei beinahe aus der Hand der Falknerin gerissen. Lea sitzt, mit ihrer Beute fest in den Klauen, auf der Wiese. Triumphierend und neugierig beugt sie sich vorn über, um zu erkunden was genau sie da gerissen hat.

 

Website des Fürstlichen Falkenhofs Schloss Schillingsfürst.

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