Die Rolle des Spielzeugs

Miriam ist eine junge Frau, der heute im Museum bewusst wird, wie sehr Spielzeug – früher wie heute – schon Kinder in die gesellschaftlichen Geschlechterrollen steckt. Mädchen spielen Hausfrau, Jungs mit Technik.

Durch die Linse ihrer Spiegelreflexkamera sucht die 20-jährige Miriam Rösch den perfekten Winkel für ein Foto. Das Bild an der Wand des Nebengebäudes ist bunt gehalten. „Spielzeugmuseum“ steht dort geschrieben. „Passt“, ist ihre Antwort auf das geschossene Foto. Sie sieht es sich noch einmal an und macht sich dann auf den Weg ins Gebäude. Auch der Innenraum ist sehr bunt. Rot, Blau und Grün an den Wänden. Es ist ein wenig stickig im Raum, aber es fällt ihr kaum auf. An der Kasse angekommen, zahlt sie als Studentin nur 1,50 Euro. Sie sieht sich erst einmal um. Entgegen aller ihrer Erwartungen sind die meisten Besucher erwachsen. Spielzeugsammler oder historisch interessierte Menschen. Es ist ja auch ein kulturhistorisches Museum, erinnert sich Miriam.

 

Der erste Raum des Museums ist nicht allzu groß. Viele Vitrinen zeigen kleine Holzfiguren und die dazugehörigen räumlichen Ausstattungen. Das meiste stammt aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Miriam schlendert langsam durch die Ausstellung. Noch kann sie nicht viel damit anfangen. Der Weg führt die Studentin weiter die Treppen hinauf, in den ersten Stock. Zwei Legespiele halten sie auf. Einen kurzen Moment lang erkundet die 20-Jährige das historische Spielzeug, dann geht sie weiter.

Puppenküchen zur Vorbereitung aufs Leben

Eisenbahnmodell im Spielzeugmuseum Nürnberg, Foto: Lisa Sturm

Der erste Stock ist in zwei Räume aufgeteilt. Miriam betritt den ersten Raum. Ein großes Eisenbahnmodell nimmt fast den ganzen Raum in Anspruch. Neben dieser riesigen Vitrine wirken die restlichen Spielzeuge unscheinbar. Für die junge Studentin ist der nächste Raum jedoch viel spannender. Die vielen Porzellanpuppen und die dazugehörigen Puppenhäuser erinnern sie an die Geschichten ihrer Oma, wenn diese mal wieder über ihre Kindheit sprach. Am Ende des Ganges hängt eine Tafel vor der Treppe. Der Text ist nicht lang, also liest sie ihn durch. Dort steht, dass Spielzeug früher die Kinder auf ihre Rollen in der Gesellschaft vorbereiten sollte. Mädchen hatten Puppenküchen, da sie in der Regel später mal eine Hausfrau werden sollten. Jungen sollten später Soldaten oder ähnliches werden und hatten die dementsprechenden Spielzeuge.

 

Miriam versetzt sich in ihre Kindheit zurück. Ihr wird langsam bewusst, dass sie unter dem Weihnachtsbaum meist typische Mädchengeschenke, wie beispielsweise eine Barbiepuppe oder eine Bastelkiste, womit sie selbst Schmuck herstellen konnte, fand. Sie hatte auch eine Puppenküche in der sie mit ihrer großen Schwester, schon seitdem sie 5 Jahre alt war, fleißig kochen spielte. Ihr großer Bruder hat sich nie für die Puppenküche interessiert. Er bekam damals eine Taschenlampe, eine Angel oder ein ferngesteuertes Flugzeug zum frohen Fest. Ein gemeinsames, geschlechtsneutrales Spiel war für sie eigentlich nur das „Lego“ spielen.

 

Vitrinen im dritten Stock des Spielzeugmuseums, Foto: Lisa Sturm

Die klassischen Rollenbilder

Als sie die nächsten Stufen hinaufstieg, ließ sie das Thema nicht mehr los. Auch hier im dritten und letzten Stock sah sie nun deutlich die Geschlechtertrennung: Die Spielzeugautos stehenn auf der linken und die Barbies auf der rechten Seite. Die jeweiligen Texte bestärkten ihre Überlegungen von vorhin. Inwieweit hat sich diese Vorstellung von Geschlechtertrennung in der Spielzeugwelt bis heute geändert? Eigentlich gar nicht. Trotz des neu aufgetretenen Hypes um Genderneutralität erkennt Miriam keinen Unterschied. Auch in den verschiedenen Werbungen für Kinderspielzeug, an die sich die junge Erwachsene gerade erinnert, merkt sie schnell, dass die Babyborne- beziehungsweise Barbiepuppen in rosa gekleidet sind. Für Jungs ist diese Farbe meist „uncool“. Eltern, die jetzt ihre Kinder genderneutral erziehen wollen, können die äußeren Einflüsse auch nicht beeinflussen, und so wird das Kind auch immer die klassischen Rollenbilder kennen.

Miriam steigt die Stufen wieder hinab ins Erdgeschoss. Beindruckt ist sie von dem Museum allemal. Wie sie mit dem umgehen sollte, was sie heute gelernt hatte, weiß sie noch nicht.

 

Website des Spielzeugmuseums.

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