Wissen hautnah erleben

Ein Museum lebt von seinen Exponaten. Doch meist ist das beherbergte Wissen hinter Glas weggesperrt und wird den Museumsgängern über Texttäfelchen vermittelt. Jedoch nicht so im fränkischen Freilandmuseum bei Bad Windsheim. Hier kann der Besucher das Wissen hautnah erleben, entdecken und anfassen.

Uneben und wie willkürlich verlegt führt eine Kopfsteinstraße zu einem Platz vor dem Eingang des Museums. Links steht ein großes Gasthaus von 1705, rechts ein etwas niedrigerer Bau aus dem 19. Jahrhundert. Ein dunkler Eisenzaun zwischen den beiden Gebäuden trennt das Museumsgelände von der Außenwelt. Hinter dem Zaun sind Kinder, plaudernd oder herumtollend, die Aufsichtspersonen warten daneben. Doch Ausstellungsstücke sind keine auszumachen.

Mehr als nur Gebäude

Das fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim hat sein Wissen auf einer Fläche von über 63 Fußballfeldern verteilt. Mehr als einhundert Gebäude stehen auf dem Gelände, mal wie kleine Dörfer, als Gehöfte oder einzeln. „Wir sind in erster Linie ein Museum alter Häuser“, sagt Museumsleiter Herbert May, „aber wir vermitteln auch die Kulturlandschaft. Wir haben alte Haustierrassen, von denen es nur noch wenige gibt. Zudem Felder, Wiesen und Äcker. Zudem hundert verschiedener Sorten Obstbäume. Doch zur erweiterten Kulturlandschaft gehört einfach das Haus und diese sind möglichst so aufgebaut, wie sie in der jeweiligen Region standen.“

Bauernhaus aus Seubersdorf von 1684. Foto: Johannes Müller

Nach einer Steinbrücke über ein munter sprudelndes Flüsschen, kommt das erste Gehöft in Sicht. Wieder sind Kinder hier und sehen sich neugierig um. Im Stall von 1684 entdecken sie Kühe. Nur eine Eisenkette und ein Schild signalisieren, dass hier Besucher keinen Zutritt haben. Rostbraune Hühner laufen frei auf dem Hof umher und eine Ente mit zwei Anwerbern watschelt über die grauen Steine. In der Mitte des Hofes, ein Misthaufen nebst Taubenschlag. Am Eingang zu den Wohnräumen über dem Stall stehen zwei Fotografen. Hier ist kein Schild, das den Zutritt verwehrt. Leicht könnte hier der damalige Bauer mit in der Haustüre stehen und der Museumsgast würde sich nicht darüber wundern.

Vielfältige Zugänge

Obstbäumen und Brücke. Hinten: Gasthaus aus Oberampfrach von 1705. Foto: Johannes Müller

Living History: jährlich praktizieren das Gruppen im Museum und leben authentisch wie zu damaliger Zeit. „Das gehört dazu und haben wir vor allem im Mittelalter. Wir versuchen so nah wie möglich an die Realität heran zu kommen.“, sagt der Museumsleiter. Zudem gibt es Vorführungen und Kurse, „in unserer Ziegelei können Besucher Lehm in Ziegelform schlagen und sechs Wochen später gebrannt abholen.“ Es gehe vor allem um das Leben der Behausten und neben der Living History, geben Texttafeln, Hörspielstationen oder eigens für das Museum eingespielte Filme, das Wissen weiter.

Hinter dem Bauernhof geht ein Weg flankiert von blühenden Obstbäumen weiter an Wiesen und Äcker vorbei. Ein älteres Pärchen erscheint und schlendert einer Wegkapelle entgegen. Unter der im Westen stehenden Sonne sind die Strohdächer der Mittelalterbauten zu sehen.

Wissen durch Tradition und Begeisterung überliefert

Doch manchmal sind die Überlieferungen mangelhaft. So hatten die Museumshandwerker Probleme bei den mittelalterlichen Strohdächern. „Keiner hatte Ahnung, wie man ein Strohdach deckt. Im Hersbrucker Land gab es dann einen Strohdachdecker. Dieser hat das unseren damaligen Handwerker vermittelt, welche es wieder an die jüngere Generation weitergaben“, sagt May.

Vortrag: Schulgeschichte in der NS-Zeit von Mathias Rösch. Foto: Johannes Müller

Neben den Bauten zeigt das Museum Sonderausstellung. Derzeitig, Schule im Nationalsozialismus. „Viele Jugendliche kommen hier her und bleiben lange“, sagt Museumsmitarbeiterin Daniela Theumer, „Mathias Rösch konzipierte sie zusammen mit typisch lustlosen Teenagern, deren Begeisterung im Laufe des Projektes jedoch wuchs.“

Zehn Minuten vom Hauptgelände weg ist ein weiterer Museumsabschnitt. Steinstufen führen in den ersten Stock des Gasthauses in den kleinen barocken Festsaal. Dort haben sich etwa zwei Dutzend Zuhörer versammelt, um dem Vortrag Mathias Röschs zu seiner Ausstellung zu lauschen. Nach rund zwei Stunden verlassen die Teilnehmer den Saal und ein Gefühl, Wissen nicht trocken vermittelt, sondern hautnah erlebt zu haben erfüllt den Geist.

 

Website des Fränkischen Freilandmuseums.

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