Wo der Graf die Schwiegermutter abgestellt hat

„Wenn der Graf heiratete, wurde hier früher die Schwiegermutter abgestellt“, sagt Gudrun Cyprian schmunzelnd und deutet auf das Obergeschoss des Marstalls in Burgfarrnbach.

Das barocke Gebäude steht inmitten des Schlossparks von Burgfarrnbach im Norden Nürnbergs, umgeben von leuchtend grünem Rasen und knorrigen alten Bäumen. Wendet der Besucher den Blick am Haus nach oben, sieht er eine lange Reihe verstaubter Fenster und weiße Fensterrahmen mit abgesplittertem Lack. Der obere Teil des Gebäudes ist heute nicht mehr öffentlich begehbar und dient nur noch als Lager. Alles andere als verlassen ist jedoch das Untergeschoss, der ehemalige Pferdestall des Grafen. Zwei große, neu lackierte Portale sind weit geöffnet, murmelnde Stimmen und leise Geräusche werden auf auf die Terrasse getragen .

Im Jahr 2006 hat der Verein „Frauen in der Einen Welt e.V.“ aus Nürnberg mit seinem Museumsprojekt hier ein Zuhause gefunden. Das Museum für Frauenkultur regional – international stellt jährlich von Frühling bis Herbst Themen aus Geschichte, Soziologie, Ethnologie und anderen Bereichen vor. Momentan laufen die letzten Aufbauarbeiten für die neue Ausstellung mit dem Thema „Wie weiblich ist die Stadt?“. Diese Frage haben Gaby Franger und Gudrun Cyprian in den letzten beiden Jahren vielen Frauen gestellt, nicht nur in Fürth. Die beiden sind als Professorinnen an den Hochschulen Bamberg und Coburg tätig und reisen seit Jahren zur Recherche für neue Ausstellungen um die ganze Welt.

 

Kurze Verschnaufpause während den letzten Aufbauarbeiten  Foto: Linda Blendinger

 

Weltweite Vernetzung

Sie haben Frauen aus Griechenland, Tunesien, Marokko, der Türkei und Schottland befragt. Die Antworten auf die vielen unterschiedliche Fragen sind auf einer großen Bilderwand in der Mitte des Raums dargestellt und geben einen Einblick in Leben und Einstellung der Frauen. Eine kolumbianische Künstlerin hat eigens für die Ausstellung Installationen und Fotografien angefertigt. Gaby Franger erzählt mit einem kleinen stolzen Lächeln, dass sie über den Verein ein Netzwerk an Kontakten mit Frauen aus aller Welt aufbauen konnten. Für ein Museum mit kulturellen und soziologischen Themen ist das ein unbezahlbares Archiv an Ideen, Persönlichkeiten und Potenzial. Die Verbindung zum IAWM, einem internationalen Verband von Frauenmuseen, ermöglichen noch mehr Kontakte. „Wir versuchen immer von Anfang an Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen und andere Frauen, die etwas teilen und beitragen miteinzubinden“, sagt Cyprian. Passend zur jeweiligen Exposition finden Diskussionsrunden, literarische Soirées und Vorträge von Wissenschaftlerinnen im Gebäude statt. Das über Jahre und Monate gesammelte Wissen wird so nicht nur visuell dargestellt, sondern regt zum interaktiven Austausch an.

 

 

Gudrun Cyprian im Marstall von Schloss Burgfarrbach   Foto: Linda Blendinger

 

Sanfter Feminismus

Das Museum und seine Kuratorinnen schleudern den Besuchern keine feministischen Meinungen ins Gesicht, wie manch verschreckter Besucher vielleicht vermuten mag. Männer sind ebenso eingeladen. Es sind gesellschaftliche Konfliktthemen aus der Sicht von Frauen, relevant und aktuell. Zu jedem Thema gibt es einen historischen Ausstellungsteil, so wird der Gast auf neue und alte Probleme aufmerksam und merkt dabei, dass sich Schicksale von Frauen über die Jahrhunderte hinweg gar nicht so sehr verändern. Die ausführlich bearbeiteten Ausstellungskataloge geben nochmal einen konzentrierten Einblick in die Themen, anhand von weiterführenden Texten, Interviews und kurzen wissenschaftlichen Artikeln. „Die Bücher werden manchmal sogar von Lehrern und Lehrerinnen für ihre Schulklassen benutzt, da sie zu vielen Themen, die auch in der Schule zur Diskussion fallen, den Schülern neue Blickwinkel geben und gelichzeitig für alle verständlich sind“, meint Cyprian. Im Katalog zur Ausstellung „La Bonne“ von 2010/11 findet sich beispielsweise ein Beitrag über die Dienstmädchen von Schloss Burgfarrnbach im 19. Jahrhundert, die damals einen Monatslohn von umgerechnet etwa 40 Euro bekamen.

Die Begeisterung der beiden Kuratorinnen für ihre Arbeit ist ansteckend und man beginnt noch an Ort und Stelle über die dargestellten Themen zu grübeln. „Jede Ausstellung ist besonders und hat ihren eigenen Charakter, aber am schönsten sind immer die Eröffnungen.“ Es lässt sich erahnen, wie sich der Innenhof am Sonntag unter Sonnenschein mit Leben, Häppchen und Getränken füllt, mit neugierigen Besuchern, zwei herzlichen Kuratorinnen und einer gut gefüllten Ausstellungshalle.

 

 

„Bis zur Eröffnung haben wir noch viel zu tun“, meint Gaby Franger. Die Displays der Ausstellungen entstehen in akribischer Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail.   Foto: Linda Blendinger

 

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