Zwischen zwei Welten – indisch oder deutsch?

Rohit Singh ist 26 Jahre alt und in Hofgeismar geboren. Er hat starke indische Wurzeln, doch sein Leben spielt sich in Deutschland ab. Derzeit studiert er in Würzburg Lehramt Sonderpädagogik. In seiner Freizeit macht er Musik und arbeitet im Theater als Lichttechniker.

Du bist hier geboren – bist du dann auch deutsch aufgewachsen?

Rohit Singh: Ich würde sagen, es war eine Mischung aus beidem. Im Kindergarten und der Grundschule wurde ich natürlich rein deutsch erzogen und zu Hause eher indisch, wobei beide Seiten sehr offen und tolerant waren und es dadurch eigentlich nie zu Konflikten kam. Gewisse Unterschiede in der Mentalität sind mir schon aufgefallen, aber wie schon gesagt gab es in der Hinsicht bei mir nie Probleme. Meine Eltern hatten bereits früh viele deutsche Freunde und waren dadurch schon sehr gut integriert.

Ist dein Heimatland zu Hause ein Thema?

Singh: Ja, auf jeden Fall! Da meine komplette restliche Verwandtschaft noch dort lebt, reden wir natürlich sehr häufig darüber. Vor allem wenn es dort Probleme oder wichtige Neuigkeiten gibt. Problematisch ist leider, dass viele dieser Probleme von hier aus nicht leicht zu lösen sind. Besonders hart sind die Nachrichten über Todesfälle von den Großeltern oder anderen engen Verwandten. Aber grundsätzlich ist Indien bei uns immer Thema, auch kulinarisch und auch weil wir zu Hause größtenteils Hindi miteinander sprechen.

Hast du aufgrund deines Aussehens schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Rap Auftritt im Bhof Würzburg; Foto: Christian Wasenmüller

Singh: Das hat, glaube ich, jeder schon, der irgendwie anders aussieht. Damit meine ich jetzt nicht nur Leute mit schwarzen Haaren, sondern generell Menschen, die aus der Norm fallen. Jeder hat da mit seinen eigenen Sachen zu kämpfen. Bei mir schwankt das auch sehr häufig von sehr direktem Rassismus bis hin zu diesen leicht unterschwelligen Aussagen.

Hast du dazu ein Beispiel?

Singh: Auffällig wird’s halt, wenn man nachts mal wieder nicht in den Klub kommt. Manchmal auch einfach nur, weil die Türsteher vom Besitzer die Anweisung haben, nur einen gewissen Prozentsatz an Ausländern reinzulassen. Aber es gibt auch Kleinigkeiten, wie beiläufige Bemerkungen von ehemaligen Lehrern. Da kommen dann Sprüche über Schweinefleisch oder so was, was nicht einmal großartig Sinn ergibt, da ich gar kein Moslem bin. Es gibt das Ganze aber natürlich auch andersherum. Man fällt halt einfach ein bisschen mehr auf und manchmal ergeben sich Gespräche aus rein positivem Interesse der anderen. Wie zum Beispiel auch dieses Interview.

Hast du aktiv etwas für deine Integration getan?

Singh: Ich glaube nicht, dass ich aktiv irgendetwas dahingehend getan habe. Ich weiß auch nicht, ob das überhaupt nötig gewesen wäre. Dadurch, dass mein freundschaftliches Umfeld mich so akzeptiert hat wie ich bin, hat sich diese Frage für mich nie gestellt. Ich habe einfach probiert ein guter Mensch zu sein.

Was bedeutet Heimat für dich?

Singh: Heimat ist für mich ein undefinierter Begriff. Wenn ich zu Hause bei meinen Eltern in Hombressen bin, ist das natürlich meine Heimat. Ich bin dort aufgewachsen und meine Eltern haben mich dort aufgezogen. Aber wenn wir in Indien sind und ich dort die Gerüche und die Landschaft wahrnehme, dann habe ich das Gefühl, dass auch das ein Teil meiner Heimat ist. Ich denke, das kommt daher, dass ich schon als Baby hier war und das alles unterbewusst aufgenommen habe. Es fühlt sich einfach vertraut an. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass sich für mich auch mein jetziger Wohnort wie eine Heimat für mich anfühlt. Ich denke, das hängt einfach damit zusammen, dass Leute die man liebt an diesen Orten leben.

Zu welcher Nationalität fühlst du dich eher hingezogen?

Familienfoto in Indien; Foto: Rohit Singh

Singh: Zur Deutschen. Ich weiß einfach weitaus mehr über die deutsche Kultur als über die indische. Die indische Kultur ist mir nicht fremd, aber ich bin der deutschen schon weitaus näher in meinen Augen.

Worin siehst du den größten Unterschied zwischen den Medien hier und in Indien?

Singh: Ich glaube, da gibt es viele Unterschiede. Aber ich als Außenstehender kann das nur aus der Distanz beurteilen. Mein Eindruck ist, dass die indischen Medien mehr darauf bedacht sind, möglichst international und seriös zu erscheinen. Solche Medienhäuser gibt es in Deutschland natürlich auch, aber nicht in dem Maße. Ich finde, Deutschland hat daneben immer noch eine kulturell deutsch geprägte Medienlandschaft.

Welche Medien nutzt du zur Unterhaltung?

Singh: Musik-technisch ganz klar Spotify. Großer Vorteil davon ist einfach, dass Spotify international unterwegs ist. Daher habe ich auch einige klassische indische Alben in meiner Musikbibliothek.

Auf Film und Fernsehen bezogen: eigentlich nur Streamingplattformen wie Netflix und dergleichen. Mein Fernseher steht bei uns im Flur und wird höchstens für die Konsole genutzt.

Verfolgst du indische Nachrichten?

Singh: Nein, nicht wirklich. Das liegt aber auch daran, dass ich Hindi nicht wirklich lesen kann und sich extra einen passenden Stream herauszusuchen, ist mir meistens einfach zu aufwendig.

Warum sind deine Eltern nach Deutschland gekommen?

Zu Besuch in Indien; Foto: Rohit Singh

Singh: Mein Vater war in seiner Jugend auf Reisen in Europa, und Deutschland hat einen bleibenden positiven Eindruck bei ihm hinterlassen. Diesem ist er dann nach der Hochzeit mit meiner Mutter gefolgt. Meine Mutter war laut ihren Aussagen am Anfang nicht sehr von der Idee begeistert, hat sich aber dann doch überreden lassen.

Gibt es etwas, das du hier in Deutschland vermisst?

Singh: Ja, vor allem kulinarische Sachen vermisse ich. Natürlich kann man viele indische Gerichte hier auch kochen, aber sie schmecken einfach nie genauso wie sie es in Indien tun. Auch die Vielfalt fehlt und manche Obstsorten schmecken einfach anders. Mangos, zum Beispiel, sind dort einfach viel süßer. Grundsätzlich ist es aber gut so wie es ist. Wenn ich in Indien bin, vermisse ich auch Sachen von hier und andersherum eben genauso.

Wirst du deinen Kindern neben der deutschen auch die indische Kultur vermitteln?

Singh: Also wenn ich Kinder haben sollte, was hoffentlich nicht sobald ist, werde ich das wohl müssen. Ich werde es auf jeden Fall versuchen, aber meine Kinder werden sicher noch mal ein Stück weiter weg von der indischen Kultur sein als ich es bin. Ich trage ja selber nur ein Teil davon in mir.

Das Interview führte Luca Kraus

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