Filterkaffeemaschine AEG (Foto: Stefanie Mumber)

Die vergessene Kaffeemaschine

Schwarz, mit Milch oder Zucker, als Frappé oder als Espresso. Madeleine Schneider liebt jede Zubereitungsart von Kaffee. Allerdings trinkt sie ihn am liebsten mit ihrer Großmutter Mathilda. Die beiden genießen jeden Sonntag ein Tässchen, sodass das wöchentliche Kaffeekränzchen regelrecht zur Tradition geworden ist.

Aber ausgerechnet heute streikt der Vollautomat. Während Madeleine fest entschlossen ihr Smartphone auspackt, um ein Café in der Nähe zu suchen, hat Mathilda eine Idee. „Schätzchen, im Keller sollte noch die Kaffeemaschine meiner Eltern zu finden sein. Sie ist zwar schon ziemlich alt, aber glaub‘ mir, die alte Technik funktioniert mit Sicherheit noch!“ Als kleines Kind hatte Madeleine furchtbare Angst vor dem Keller – dunkel und vollgestellt mit uralten Gegenständen, hatte sie sich immer vor Monstern in den Ecken und Schränken gegruselt. „Augen zu und durch“, murmelt sie vor sich hin. Großmutter meinte, die Kaffeemaschine würde zwischen dem alten Plattenspieler und dem Waffeleisen stehen. Doch das Gerät, dass sie dort erblickt, sieht nicht wirklich aus wie eine Kaffeemaschine, sondern eher wie ein silberner Pokal. Beim Hochheben fällt Madeleines Blick direkt auf ein altes verstaubtes Heftchen mit der Aufschrift AEG Bedienungs-Vorschrift für Filter-Kaffeemaschinen. Sie hatte die Maschine gefunden.

Als Kaffee noch Luxus war

Filterkaffeemaschine AEG (Foto: Stefanie Mumber)

Filterkaffeemaschine AEG Foto: Stefanie Mumber

„Großartig, mein Kind! Jetzt bin ich mal gespannt, wie wir sie zum Funktionieren bringen“, sagt ihre Großmutter voller Aufregung. Die Bedienungsanleitung ist aus dem Jahr 1930. Damals hatte die AEG Aktiengesellschaft, der weltweit größte Elektrokonzern seiner Zeit, die Filterkaffeemaschinen in verschiedenen Designs auf dem Markt angeboten. Von 1916 bis 1933 gab es die Modelle, präsentiert in hübschen Broschüren, zu kaufen. Preislich lagen die Maschinen alle bei etwa 60 Reichsmark, was in etwa einem Viertel des durchschnittlichen Monatslohns entsprach. Soweit Madeleine wusste, kam ihre Großmutter aus einem wohlhabenden Haus. Wahrscheinlich hatten sie trotz der Wirtschaftskrise im Jahr 1929 die Mittel, um sich Luxusgüter wie Kaffee leisten zu können.

Während Madeleine in Gedanken versinkt, fängt Mathilda an, die Kaffeemaschine zu öffnen und den Kaffeebecher auszudrehen. Hier muss anscheinend der gemahlene Kaffee rein. Madeleine schlägt die Bedienungsanleitung auf und staunt: „Die Funktionsweise kenne ich so überhaupt nicht. Zwar steht in der Anleitung, dass es sich hierbei um eine Filterkaffeemaschine handelt, aber das Prinzip ist doch ganz anders.“

Das Prinzip der Perkolation

Als erstes gießt Mathilda einen Liter Wasser in den inneren Behälter; anschließend muss der herausnehmbare Kaffeebecher mit mittelfein gemahlenem Kaffee gefüllt werden. Das Deckelsieb kommt oben drauf und wird zusammen mit dem Kaffeebecher in die Maschine oberhalb des Wasserbehälters geschraubt. Nachdem das herausnehmbare Steigröhrchen ebenfalls wieder eingesetzt wurde, ist die Maschine betriebsbereit. Noch den Deckel drauf und die Maschine einschalten. Unter Strom fängt das Wasser an zu sieden. Der dabei entstehende Überdruck hebt das Steigröhrchen an, sodass der Dampf sich über das Deckelsieb und das Kaffeepulver ergießt. Nach fünf Minuten ertönt – ähnlich wie bei alten Teekesseln – ein Pfeifen, dass das Ausschalten des Stroms signalisiert. Der fertige Kaffee befindet sich nun im Außenbehälter und kann über den Hahn entnommen werden.

Die Methode der Kaffeezubereitung nennt sich Perkolation und bei der Maschine handelt es sich demnach um einen Perkolator. Das Wort leitet sich vom lateinischen Wort percolare ab, das durchsickern bedeutet. Erfunden wurde diese Art der Kaffeezubereitung um 1810 von dem Amerikaner Sir Benjamin Thompson. In Paris entwickelte 1819 ein Blechschmied diese Idee weiter, sodass mit Hilfe von Elektrizität das Wasser erhitzt wurde. Während die Filtermethode die Perkolation in Deutschland ersetzte, ist das Perkolieren in Amerika, England und in den Niederlanden weiterhin sehr beliebt und gängig.

Filterkaffeemaschine AEG (Foto: Stefanie Mumber)

Filterkaffeemaschine AEG Foto: Stefanie Mumber

„Kein Wunder, dass ich die Kaffeemaschine zu Anfang nicht erkannt hatte“, denkt sich Madeleine. „Von einem Perkolator habe ich noch nie zuvor gehört.“ Mithilfe der Anleitung können Großmutter und Enkelin die alte Maschine nach ordentlichem Abstauben und Spülen zum Funktionieren bringen und nach 20 Minuten haben sie es geschafft. Der Kaffee ist fertig.

Gespannt auf das Ergebnis, gießt Madeleine ihrer Großmutter und dann sich selbst ein Tässchen ein. „Wir probieren ihn gleichzeitig, auf drei. Einverstanden, mein Schätzchen? Eins, Zwei, Drei“, zählt Mathilda. Die beiden nehmen vorsichtig einen Schluck und schauen sich an.

„Oma, sei ehrlich: Schmeckt dir der Kaffee?“, fragt Madeleine. Großmutter Mathilda schüttelt den Kopf. Der Kaffee hatte einen starken metallischen Nachgeschmack, selbst Milch und Zucker machen ihn nicht genießbar. „Das Gerät ist nun mal 90 Jahre alt. Ich bin überrascht, dass wir es überhaupt zum Laufen bringen konnten. Wie schon gesagt:  Die alte Technik funktioniert. Wäre ein Wunder gewesen, wenn sie auch noch köstlichen Kaffee zubereitet hätte“ sagt Großmutter Mathilda lachend.

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