Ein brenzliger Tag im Jahr 1899

Willi traut seinen Augen kaum. Flimmert dort in der Ferne wirklich die Luft? Sein Herz fängt an zu rasen. Nun sieht er den Rauch aufsteigen. Jetzt ist er sich sicher. Es brennt! Panik steigt in Willi hoch, er springt auf und fängt an, kräftig in das Signalhorn zu pusten.

Hastig stolpert er die Treppensprossen von seinem Beobachtungsturm herunter. Er beginnt zu rufen: ,,Es brennt! Feuer, der Busch dahinten brennt!‘‘ Er rennt durch die Straßen und bläst zwischendurch immer wieder in das Signalhorn. Unzählige Gedanken schießen ihm durch den Kopf. Was ist jetzt zu tun? Was passiert als nächstes? Hoffentlich hören die Männer meine Rufe. Gerade eben noch war sein größtes Problem, was er denn essen könnte, wenn seine stundenlange Schicht auf dem Turm vorbei ist. Seitdem er den neuen Posten auf dem Beobachtungsturm bei der Feuerwehr in Hinterhof übernahm, hat es hier noch nie gebrannt. ,,Willi, mein Junge, hier lang wir müssen die Pumpe aus dem Schuppen holen!‘‘,  hört Willi seinen Vater Heinrich rufen. Schnell dreht er auf der Stelle um und läuft ihm hinterher. Er ist froh, ihn zu sehen,  denn sein Vater war schon bei vielen Bränden dabei, er weiß sicherlich genau, was jetzt zu tun ist. 

Doppelt hält besser 

Heinrich kommt am Schuppen an. Franz, Erich und Otto sind auch schon da. Gemeinsam ziehen sie die sperrige Saug- und Druckspritze zum Löschweiher. Heinrich blickt in die Ferne. Das Feuer ist ganz schön weit entfernt, hoffentlich reichen die Schläuche der Pumpe aus. Schlagartig schießen ihm die Bilder vom großen Brand, bei dem er vor Jahren dabei war, durch den Kopf. Damals fing es ebenfalls mit einem kleinen Buschbrand an. Alle hier in Hinterhof, auch die Frauen und Kinder, schleppten Eimer für Eimer zur Druckspritze. Doch es war zu wenig Wasser, denn die Flammen schlugen über und auf einmal stand der ganze Stall vom Krämer in Flammen. Noch heute erinnert die abgebrannte Ruine an den tragischen Verlauf des Brandes. Es war der erste große Brand, bei dem Heinrich dabei gewesen war. ,,Heinrich, meinst du, unsere Schlauchleitung r

Die Zylinderkolben und der Windkessel befinden sich in der Mitte der Pumpe. Foto: Lilly Fröbel

eicht bis dahinter?‘‘, rief ihm Otto entgegen und riss ihn damit aus seiner Erinnerung. Schnell überschlägt Heinrich im Kopf die Schlauchlängen. Acht Meter Saugschlauch plus 40 Meter Druckschlauch. Bei einer geschätzten Entfernung von 60 Metern wird das eine knappe Nummer. ,,Herrje, das wird eng, aber wir müssen es probieren. Also los, schmeißt die Saugschlauchleitung in den Löschweiher, wir müssen uns beeilen!‘‘, rief Heinrich der Mannschaft zu und nahm daraufhin einen der beiden Druckschläuche und rollt ihn aus. ,,Willi roll du den zweiten Druckschlauch aus, wir brauchen die volle Länge!‘‘ Willi rennt zur Pumpe, greift den zweiten Schlauch und wirft ihn von sich weg, damit er sich ausrollt. Heinrich greift das Ende von seinem Schlauch und verbindet es mit der Kupplung am Ende von Willis Schlauch. Dann befiehlt er den Männern: ,,Ich renne mit dem Strahlrohr vor, fangt ihr schon an zu pumpen!‘‘.

 

Franz und Erich greifen nach der Deichsel auf der einen Seite, an das andere Ende stellen sich Otto und Willi. Abwechselnd fangen sie an, die Deichsel rauf und runter zu bewegen. Bei den ersten Hüben änderte sich gar nichts, erst nach ungefähr 20 Hüben hören die Männer das Zischen der verdrängten Luft und mit einem Gluckern erhöht sich der Widerstand an der Deichsel. Das Wasser aus dem Löschweiher wird nun in die Zylinderkolben gesaugt. Die Saug- und Druckspritze von der Feuerlöschmaschinenfabrik Justus Christian Braun in Nürnberg besitzt zwei Zylinderkolben. Dadurch wird die Kraft der Männer effizienter genutzt, die Zylinderkolbenstangen bewegen sich, ähnlich wie die Deichsel, abwechselnd in den Kolben auf und ab. 

Mit Druck gegen das Feuer 

Angespannt steht Heinrich am Ende der Druckleitung und wartet darauf, dass sich das Wasser endlich durch die Leitung drückt.  Erst gestern noch hatte er die Informationsbroschüre von der Feuerlöschmaschinenfabrik Justus-Christian Braun durchgelesen. Seit ein paar Wochen haben sie nun die neue vierrädrige Saug- und Druckspritze für ihre Freiwillige Feuerwehr im Hinterhof stehen. Er hatte sich so sehr gefreut, denn durch die zusätzliche Saugtechnik der Feuerspritze ist die Wasserbeförderung um einiges leichter geworden. Die Männer sparen im Einsatz Zeit, denn es müssen keine Eimer mehr zur Druckspritze geschleppt werden.  

Nervös berechnet Heinrich die technischen Daten. Er weiß, bei 55 Doppelhüben in der Minute können ungefähr 120 Liter Löschwasser befördert werden. Dank des Windkessels sprüht das Wasser aus dem Strahlrohr mit einer Wurfweite von circa 22 Metern. Im Windkessel erhöht sich durch die Luftverdrängung der Druck, mit dem das Wasser durch die Druckleitung befördert wird. Damit können sie vielleicht die fehlenden Meter der Wasserleitung zur Brandstelle ausgleichen, denkt Heinrich hoffnungsvoll. Auf einmal spürt er ein Rucken in seinen Händen und merkt, wie das Wasser durch den Schlauch dringt. Als sich die Schlauchleitung vollständig mit Wasser füllt, öffnet er das Strahlrohr und beginnt, den Strahl auf den brennenden Busch zu halten.

Beschriftung der Saug- und Druckspritze: ,,Feuerlöschmaschinenfabrik Justus Christian Braun – Nürnberg – Fabrik.No 5659“. Foto: Lilly Fröbel

Eine gefühlte Ewigkeit sieht Heinrich gar nichts mehr. Immer mehr Rauch steigt auf, hinter sich nimmt er das Stöhnen der Männer wahr. Das Pumpen an der Deichsel ist sehr anstrengend. Die Flammen werden deutlich kleiner. ,,Das Feuer ist fast aus, haltet noch durch Männer!‘‘, brüllt Heinrich nach hinten. Die Männer dürfen jetzt bloß nicht schlapp machen, wir haben es fast geschafft, denkt Heinrich und versucht, den Schlauch niedriger zu halten, um die kleineren Flammen besser zu erreichen. Nach einer Weile sieht er keine Flammen mehr. Er schreit nach hinten: ,,Wasser halt!‘‘, macht das Strahlrohr zu und legt es auf den Boden. Die Männer und Willi hören auf, die Deichsel zu bewegen, wischen sich den Schweiß von der Stirn und sehen gespannt zu Heinrich. Vorsichtig läuft er nach vorne und inspiziert die verbrannten Äste des Busches. Das Feuer scheint gelöscht zu sein. Erleichtert blickt Heinrich auf, blickt zu den Männern und ruft ihnen zu: ,,Wir haben es geschafft, das Feuer ist gelöscht!‘‘ 

 

Zufrieden mit ihrem Erfolg, sitzen die fünf Männer nun beisammen. ,,Hast du gut gemacht mein Sohn, jetzt hast du deinen ersten Einsatz erlebt‘‘, sagt Heinrich stolz zu Willi. ,,Himmel, war das aufregend heute, damit hab ich ja echt nicht mehr gerechnet. Aber das Pumpen an der Deichsel ist ja mal anstrengend, ich bin einfach nur noch kaputt jetzt‘‘, beklagt sich Willi und gähnt laut. Die anderen Männer und Heinrich lachen. ,,Ach mein Junge, wir haben so Glück, dass wir nun endlich die neue Saug- und Druckspritze bekommen haben. Mit 540 Mark war das gute Stück um einiges teurer als die Spritze ohne Saugwerk, aber heute haben wir gesehen, dass sich diese Ausgabe für unsere Gemeinde gelohnt hat. Du kennst doch die Ruine vom Stall der Krämers? Die ganze Nacht haben wir versucht, den Brand zu löschen.‘‘ Franz, Erich und Otto stimmen ihm brummend zu. Heinrich blick zu seinem Sohn und wartet auf eine Reaktion. Doch Willi lehnt mit geschlossenen Augen an der Wand und bekommt gar nicht mehr mit, was ihm sein Vater da erzählt. Vor lauter Erschöpfung ist er im Sitzen eingeschlafen. 

 

 

 

 

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