Eine Feuerwerksrakete ist kein Silvesterkracher

Um physikalisch zu berechnen, wie hoch eine Feuerwerksrakete fliegt, ist eine der wohl bekanntesten Formeln der Geometrie entscheidend – der gute alte Satz des Pythagoras.

Plötzlich ist alles dunkel. Die Lichter auf dem Nürnberger Volksfest sind erloschen. Auf einmal ertönt ein lauter Knall und der ganze Himmel über dem Dutzendteich erleuchtet in vielen bunten Farben. Das zweite Feuerwerk zum 100-jährigen Jubiläum des Nürnberger Volksfestes startet.
Aber wie funktioniert ein derart großes Feuerwerk? Mit den Raketen, wie sie Privatpersonen zu Silvester abfeuern, hat es nur wenig gemeinsam. „Wir benutzen hierfür ausschließlich Kugelbomben“, erklärt Florian Schneider. Er ist Pyrotechniker bei der Firma Pyrodrom und organisiert das Feuerwerk auf dem Volksfest. „Kugelbomben haben einen geringeren Sicherheitsabstand als Raketen und sind wesentlich präziser. Das heißt eine Rakete fliegt wie sie will und unsere Bomben fliegen dahin, wo wir die Rohre hinrichten – ähnlich wie eine Kanonenkugel.“

Florian Schneider an den Feuerwerkskörpern. Foto: Helena Kim

Es gibt aber noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen den zwei Sprengkörpern: Die jedermann bekannte Rakete hat einen Treibsatz, den sogenannten Raketenmotor. Sie ist also ein Flugobjekt und treibt sich selbst an. „Die Kugelbombe hingegen hat keinen Eigenantrieb“, erklärt Schneider. „Unten ist eine sogenannte Ausstoßladung befestigt, die die Kugelbombe aus dem Rohr nach oben in den Himmel schießt.“ Das Volksfest-Feuerwerk hat also recht wenig mit den privaten Raketen von Silvester zu tun. Auch der Abbrennplatz ist ein anderer. Normalerweise kennt es jeder von zu Hause, dass die Raketen im Garten oder auf der Straße gezündet werden. Das große Feuerwerk auf dem Volksfest wird jedoch auf dem Wasser abgefeuert – auf dem Dutzendteich.

Die rund 800 Sprengkörper werden auf eine schwimmende, floßähnliche Plattform geladen und treiben bis in die Mitte des Teichs, 180 Meter vom Ufer entfernt. Von dort aus werden sie dann abgeschossen. Warum das so ist, weiß der Experte: „Auf dem See ist der einzige Platz, wo wir hier das Feuerwerk in dieser Größenordnung machen können. Auf dem Land ginge es zwar notfalls auch, aber da ist der Aufwand, dass man den Sicherheitsbereich absperrt, immens groß und auf dem Wasser kann eben niemand hin.“ So können die Besucher also bestmöglich geschützt werden, denn ein Feuerwerk kann nicht ganz ungefährlich sein.
Ein erster Knall ertönt und zieht die Aufmerksamkeit der Beobachter auf den Dutzendteich. Immer lauter beginnt es zu knallen und viele verschiedene Farben und Formen sind am Himmel zu sehen. Pink, Gold, Rot, Grün, Blau – alles ist dabei. Knisternde Sterne erleuchten die Nacht. Aber wie hoch fliegen denn nun diese Kugelbomben?

Achtung: Es wird physikalisch

 

Etwa 800 Sprengkörper sind auf der schwimmenden Plattform. Foto: Helena Kim

Um das zu berechnen, sind zwei Faktoren besonders wichtig. Zum einen die sogenannte Schallgeschwindigkeit c und zum anderen die zeitliche Verzögerung des Licht- und Schallsignals t – das ist also die Zeitdifferenz zwischen dem Knall und dem sichtbaren Leuchten der explodierenden Feuerwerksrakete. Die Schallgeschwindigkeit in der Luft liegt meist im Bereich von etwa 340 m/s. Doch sie kann auch rechnerisch genau bestimmt werden? Das gelingt mit folgender Formel: 331,6 + (0,6 · ϑ) m/s. Entscheidend ist die Außentemperatur ϑ.
Es ist 21:40 Uhr, nass und kalt bei gerade einmal 5°Celsius, als das zweite Feuerwerk auf dem Nürnberger Volksfest startet. So werden also die gemessenen 5°C in die Gleichung eingesetzt. Dabei heraus kommt schließlich eine Schallgeschwindigkeit von genau 334,6 m/s – und diese liegt somit im Bereich der 340 m/s. Die zeitliche Verzögerung t ist jedoch immer unterschiedlich. Je näher der Beobachter am Startpunkt der Rakete steht, desto kürzer ist die zeitliche Verzögerung zwischen dem optischen und dem akustischen Signal. Je weiter er aber entfernt ist, desto größer wird die Zeitdifferenz. Steht der Feuerwerksliebhaber direkt am Ufer, also in 180 Meter Entfernung von der  schwimmenden Abschussplattform, liegen gerade einmal 0,73 Sekunden zwischen dem Lichtsignal und dem Knall.
Für die weitere Berechnung ist aber noch etwas anderes wichtig: Der Zuschauer auf dem Boden und die Rakete in der Luft befinden sich in einem rechtwinkligen Dreieck mit drei verschiedenen Strecken. Eine davon ist die auszurechnende Flughöhe des Sprengkörpers. Die zweite Strecke ist bereits bekannt. Das ist die Strecke sBoden – also die Entfernung zwischen dem Zuschauer und dem Startpunkt der Rakete auf dem Wasser. Diese beträgt 180 Meter.
Die dritte Strecke sLuft – also die Luftlinie vom Beobachter zur Rakete am höchsten Punkt – lässt sich nun mit der Schallgeschwindigkeit und der Zeit t berechnen: sLuft = c · t
Mit den bereits bekannten Werten ergibt sich hierfür eine Strecke von etwa 244,2 Meter.

Pythagoras kommt zur Hilfe

Und zuletzt kommt der wahrscheinlich bekannteste Lehrsatz der Geometrie ins Spiel: Der Satz des Pythagoras. Den Meisten sagt eher die dazugehörige Formel etwas: a² + b² = c²
Mit ihr lassen sich Streckenlängen bei rechtwinkligen Dreiecken berechnen. Da wir nun bereits zwei Seiten des Dreiecks kennen, können wir mit Pythagoras‘ Hilfe leicht die dritte Strecke und somit die Flughöhe der Feuerwerksrakete ausrechnen. Zunächst wird die Gleichung wie folgt umgestellt: a² = c²- b² , sodass für c² der Wert von sLuft und für b² der von sBoden verwendet wird.
Am Ende beträgt die Flughöhe einer Feuerwerksrakete, aus physikalischer Sicht, etwa 165 Meter.
Doch die meisten Zuschauer interessiert wohl eher nicht die Flughöhe der Kugelbomben, sondern nur das imposante Feuerwerk über dem Dutzendteich. „Jedes Jahr kommen Tausende von Besuchern und das nur, um das Feuerwerk zu sehen“, sagt Florian Schneider. Es ist also der Höhepunkt des Nürnberger Volksfestes und somit unverzichtbar –  vor allem zum 100-jährigen Jubiläum.

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