Ich sehe was, was du nicht siehst

Bildverarbeitungssysteme sehen, was um einem herum geschieht. Sie erfassen die Umwelt und sind somit die ersten Glieder der Informationskette eines automatisierten Fahrzeugs. Unsere Autos von morgen haben den Durchblick.

Mal wieder herrscht Stau. Die Konzentration aufrecht haltend streichelt der Fuß das Gaspedal, wenn sich die Autokolonne etwas nach vorne bewegt. Den Fahrer von Morgen interessiert das eher weniger. Er lehnt sich entspannt zurück, während sein Auto das Fahren übernimmt. „Das automatisierte und vernetzte Fahren ist die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Autos“, bewertet Verkehrsminister Alexander Dobrindt die Entwicklung der Automobilbranche. Ob Tempomat oder Spurhaltesystem – Fahrassistenten sind uns schon heute vertraut. In Zukunft sollen solche Systeme so zusammenarbeiten, dass sie dem Fahrer den Großteil seiner Aufgaben abnehmen. Der Fahrvorgang wird dabei mit Hilfe von Kameras und Sensoren allein vom Fahrzeug ausgeführt. Es bleibt aber dennoch wichtig, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen kann.

Das wachsame Auge erhöht die Sicherheit

Das essenzielle Ziel des automatisierten Fahrens ist die Erhöhung der Sicherheit. „Will man Unfälle vermeiden und keinerlei Verkehrstote mehr haben, dann muss der menschliche Faktor weg vom Lenkrad“, beurteilt Tavakoli Kolagari, Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg, den Faktor Sicherheit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts kam es in Deutschland im Jahr 2015 zu 3475 Todesopfern durch Verkehrsunfälle. Das bedeutet einen Anstieg von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bildverarbeitungssysteme könnten diesen Trend rückläufig werden lassen. Kameras verleihen einem automatisierten Fahrzeug Augen. Das Auto nimmt sein Umfeld im 360-Grad-Blickwinkel wahr und misst dabei die unterschiedlichen Wellenlängen des sichtbaren Lichtspektrums und Infrarotbereichs. Dr. Dieter Willersinn vom Fraunhofer Institut IOSB Karlsruhe erklärt: „Die grundlegende Struktur eines Videoauswertesystems besteht aus Merkmalsextraktion, Segmentierung, Klassifikation, Objekt-Merkmalsschätzung, Situationserkennung und Situationsprädiktion.“ Die Kameras müssen jede Veränderung in Sekundenbruchteilen wahrnehmen können, um das Fahrzeug angepasst zu steuern.

Bilder, die die Kameras aufnehmen, werden mit bestehenden Kartenelementen (blau) überlagert und den dazugehörige Bildkontrasten (rot) verdeutlicht. Es findet ein Abgleich statt. Die Leiste in der Mitte zeigt den Zustand des Fahrzeugs an.

Bilder werden mit bestehenden Kartenelementen (blau) überlagert und dem dazugehörigen Bildkontrasten (rot) verdeutlicht. Es findet ein Abgleich statt. Die Leiste in der Mitte zeigt den Zustand des Fahrzeugs an. (Quelle: Fraunhofer Institut IITB)

 Kein Ersatz, aber eine große Hilfe

Was sich schon im Profifußball mit der Torlinientechnik bewährt hat, soll bald auch Einzug in die Verkehrsmobilität erhalten. Hochqualitative Kameras liefern Informationen, die dem Menschen Entscheidungen erleichtern oder sogar abnehmen. Bildverarbeitungssysteme haben den entscheidenden Vorteil, dass sie im Gegensatz zum menschlichen Auge nie müde werden. Ein weiterer Aspekt ist die Qualität. „Es gibt Kameras, die bei starkem Gegenlicht besser sehen, als der Mensch das kann“, erläutert Willersinn.

 

 

Noch keine garantierte Sicherheit

Ein Dummy, ausgestattet mit einem Bildverarbeitungssystem, der in der Forschung eingesetzt wird. (Quelle: TH Nürnberg)

Ein Dummy, ausgestattet mit einem Bildverarbeitungssystem, der in der Forschung eingesetzt wird. (Quelle: TH Nürnberg)

Hohe Produktionskosten und Sicherheitslücken lassen das autonome Fahren bis jetzt nur ein Projekt sein. Forschungszentren erhalten bei Testfahrten zurzeit noch diverse Fehleinschätzungen von Situationen. Es kann beispielsweise passieren, dass ein Videoauswertesystem ein Hindernis meldet, das tatsächlich gar nicht existiert. „Man spricht dann von Falschalarmen oder Phantomobjekten“, erklärt Willersinn. Es scheitert demnach u. a. noch an der absoluten Sicherheit der erhobenen Daten. Auch der Preis spielt eine entscheidende Rolle. „Die wirklichen Topkameras, die dafür benötigt werden, kosten vermutlich mehr als eine E-Klasse gesamt“, schätzt Kolagari. Man versucht derzeit eine perfekt funktionierende Einheit aus allen nötigen Assistenzsystemen zu kreieren, die für die Massenproduktion bezahlbar bleibt.

Bildverarbeitungssysteme sind entscheidende Funktionsgrundlagen, ohne die es das autonome Fahren nicht geben wird. Es liegt nun eher an der Gesellschaft, sich mit den neuen Fahrzeugen zu arrangieren denn an der technischen Expertise. Kolagari sagt: „Die Lösungen sind jetzt in der Entwicklung, das heißt, das autonome Fahren wird kommen.“

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