Suomi – typisch finnisch

Gänsehaut breitet sich auf dem Teil der Arme aus, der nicht von dem blau-weißen Trikot bedeckt ist. Die blonden Härchen stellen sich auf. Die Spannung steht ihr ins Gesicht geschrieben. „No V**** te se!“, was so viel heißt wie: „Verflucht noch eins, mach‘ ihn rein!“. Ihre Stimme überschlägt sich schon fast. „Wenn ich die Top Five meiner Prioritäten im Leben aufzählen müsste, wäre Eishockey auf jeden Fall mit dabei!“, gibt sie grinsend zu.

Anna-Riitta Rösch ist in Deutschland geboren. Ihre Mutter ist Finnin, die Liebe hat sie vor über 35 Jahren nach Nürnberg verschlagen.

Sport ist nicht nur eine Freizeitbeschäftigung. Die Einwohner des Landes, mit der gleichgroßen Fläche wie der Deutschlands, leben und lieben Sport. Ob es nun der selbstpraktizierte Sport ist oder die Verfolgung von Sportberichterstattungen – die Finnen sind überall dabei. „In jedem Vorgarten und auf jedem Balkon hängt eine finnische Flagge“, sagt die junge Frau. „Wir sind auf jeden Fall ein stolzes Land! Dennoch verfolgen wir auch Sportarten, die wir nicht so gut beherrschen wie Eishockey, zum Beispiel Fußball. „Ach ja, und frag‘ mal einen Finnen, ob er Kugelstoßen kann!“, ergänzt sie lachend. Die Frage wird mit Sicherheit bejaht. Leichtathletik steht in Finnland an Schulen auf dem Stundenplan.

Privatsphäre ist wichtig

Quelle: Anna-Riitta Rösch

Mit einer Größe von 1,83 Meter und dem wasserstoffblonden Haar sticht Anna sofort aus der Menge. Sie sitzt entspannt auf einer Bierbank im Garten eines Gasthauses in Nürnberg, ihrer Geburtsstadt. Ihr Krug mit dem fränkische Landbier ist bereits halb leer. Eine anfängliche Zurückhaltung, die schnell mit einer kühlen Art verwechselt werden könnte, ist typisch finnisch. „Finnen sagen erst dann was, wenn sie etwas zu sagen haben“, erklärt die junge Juristin. „Privatsphäre ist den Finnen besonders wichtig und wird überall respektiert.“ Ihre beste Freundin Aglaia erinnert sich genau an die erste Begegnung mit Anna. „Anfangs hat sie eher skeptisch geschaut und nicht allzu viel geredet. Das kann ich mir jetzt gar nicht mehr vorstellen“, erinnert sie sich lachend. Wenn sich Finnen wohlfühlen, sind sie kommunikativ und locker.

 

Finnischer Unabhängigkeitstag. Foto: Vanessa Neuß

Schon als Kind durfte Anna beide Kulturen kennenlernen. Zuhause wurde sowohl Deutsch als auch Finnisch gesprochen. „Vier bis fünf Mal im Jahr haben wir meine Familie in Finnland besucht. Ein halbes Jahr bin ich sogar dort auf die Schule gegangen!“. Wenn Anna über Finnland spricht, schleicht sich jedes Mal ein Funkeln in ihre Augen. Voller Stolz ist sie kaum zu bremsen, wenn sie über ihr Herkunftsland spricht. Auch wenn sie in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, eines steht für sie fest: „Mein Herz ist finnisch!“. Auf dem Papier ist sie deutsche Staatsbürgerin. „Ich habe einen deutschen Pass und mein Lebensmittelpunkt ist in Nürnberg. Vorurteile gegenüber Skandinaviern gibt es in Deutschland eher wenig. So hatte ich auch nie Probleme mit Diskriminierung“, erklärt Anna. Assimilation und Integration standen nie zur Debatte.

„Der beste Wodka kommt aus Finnland“

Die Begeisterung für das skandinavische Land kann Anna nicht für sich behalten. Sobald sie von Eishockey, ihrer Familie oder finnischen Festen erzählt, muss man ihr einfach zuhören. Doch selbst die stolze Finnin entdeckt einen Punkt, der ihr missfällt: „Also das Essen ist nichts für mich. Elch, Fisch und seltsame süße Speisen wie Vappu stehen in Finnland auf der Speisekarte. Jeder Besuch bei meiner Familie wird so schnell zur Diät. Hat auch was“, stellt die Juristin fest. Finnische Feste und Traditionen feiert sie dafür umso lieber. Mit ihrer Mutter ist sie in der Deutsch-Finnischen Gesellschaft. Feste werden gemeinsam mit Landsleuten gefeiert. „Meist fließt da auch recht viel Alkohol. Dass wir Finnen trinkfest sind, ist kein Klischee“, gibt sie schmunzelnd zu. „Der beste Wodka kommt aus Finnland, nicht aus Russland.“

 

Annas finnische Familie. Quelle: Anna Rösch

„Wir unterscheiden uns nicht nur in der Optik von Südeuropäern. Die Kulinarik ist auch eine ganz andere. Doch in einem sind wir gleich: Familie“, sagt die Finnin. Familie hat einen hohen Stellenwert. Annas Familie ist sehr groß. So finden sich Tanten, Onkels und Cousins verschiedenen Grades immer wieder zu Familienfesten zusammen. Es wird ausgelassen gefeiert, getrunken und getanzt. Die Familie mütterlicherseits lebt nach wie vor in Finnland. Kontakt hält die junge Juristin über Skype, Facetime und andere digitale Wege. „Früher haben wir viele Briefe hin und her geschrieben und total überteuerte Telefonate geführt. Heute ist das natürlich viel leichter. Finnland ist einer der Vorreiter der Digitalisierung“, erklärt sie stolz. Nicht nur der Familienzusammenhalt ist bemerkenswert, auch der Staat unterstützt, wo er nur kann. „Zur Geburt gibt es erst mal ein Carepaket nach Hause und der KiTa-Platz ist schon mit der Geburt des Kindes gesichert“, sagt Anna.

Große unbewohnte Flächen, kleine Hütten, heiße Saunen und Salmiakki – ein finnischer Lakritzlikör. Das alles ist typisch für das nordeuropäische Land. In ganz Finnland leben knapp fünfeinhalb Millionen Menschen, das entspricht ungefähr der Bevölkerung Berlins. „Nationalstolz ist in Finnland besonders groß. Wir sind stolz auf unsere Unabhängigkeit von Schweden und Russland. Diese feiern wir jedes Jahr!“, erzählt die Eishockeybegeisterte. „Am meisten merkt man den Nationalstolz natürlich beim Eishockey. Wir können nicht alles, aber Eishockeyspielen können wir!“

 

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