Von Blitzableitern und Gelehrten

Die Nacht ist hell erleuchtet, die Straßenbahn fährt wie selbstverständlich vom Hauptbahnhof zum Plärrer und die Ampelschaltung leitet den Verkehr. Der hierfür benötigte Strom wird seit nunmehr einem Jahrhundert von den Nürnberger Stadtwerken verteilt.

Ein Beitrag von Christian Lammert

Johann Gütle und die Anfänge

Deren Geschichte findet ihren Anfang in dem Buchbinder Johann Conrad Gütle und einem Blitzableiter. Gütle montiert 1788 den ersten Blitzableiter am Haus des Arztes Philipp Ludwig Wittwer neben der Nürnberger Lorenzkirche. „Ende des 18. Jahrhunderts spielte Elektrizität im Alltag der Menschen noch keine Rolle. Blitz und Donner sah man wahlweise als Werk von Dämonen oder als Zeichen Gottes an“, erläutert Siegfried Kett vom Verein für Geschichte Nürnbergs.

Straßenbeleuchtung in der Regensburger Straße Foto: Christian Lammert

Doch das Geschäft lief gut und so entstand noch im selben Jahr der deutschlandweit erste Versandhandel mit Blitzableitern. Doch bis zur effektiven Nutzung von Elektrizität sollte noch einige Zeit vergehen.

Das erste Kraftwerk

Ein knappes Jahrhundert später, 1876, experimentierte Sigmund Schuckert in der Nürnberger Kaiserstraße mit Bogenlampen. Den benötigten Strom lieferte ein selbstgebauter Generator, der in der Almosmühle, in der heutigen Mühlgasse, stand. Fünf Jahre später wurden in der Kaiserstraße und am Josephsplatz die ersten elektrischen Straßenbeleuchtungen Deutschlands installiert. Damit wurde auch der Bau eines Kraftwerkes zur Versorgung immer wichtiger und so beschloss die Stadt 1894 den Bau des ersten Elektrizitätswerkes auf dem Gelände des heutigen Tullnauparks. Am 25.März 1896 ging das Werk in Betrieb und erreichte eine Spitzenleistung von 230 Kilowatt. Zum Vergleich: Das Kraftwerk Franken 1 in Nürnberg-Gebersdorf liefert heute mit einer Leistung von 843 Megawatt mehr als das 3500fache.

Generatorgebäude des Kraftwerkes Tullnau Foto: Christian Lammert

Der steigende Bedarf an Elektrizität lastete das Kraftwerk Tullnau nach nur 14 Betriebsjahren aus und es musste ein größeres her. 1910 wurde die Großkraftwerk Franken AG gegründet. Sie errichtete das Werk Gebersdorf direkt vor der damaligen Stadtgrenze. Mit dessen Fertigstellung und Inbetriebnahme 1913 wurde Tullnau vom Netz genommen. Von da an diente das Gelände des ersten Kraftwerkes Nürnbergs bis zur Errichtung des Tullnauparks 1997 dem Betriebshof als Lager für die Elektrizitätsversorgung und als Standort für das Kabelmuseum.

Die Enstehung der Stadtwerke

Bis 1934 liefen die Verkehrsbetriebe und die städtische Versorgung noch getrennt voneinander. Durch den immer weiter steigenden Bedarf entschieden die Stadtväter, beide Teilbereiche zusammenzulegen; das war die Geburtsstunde der Städtischen Werke Nürnberg StWN. Nach vier Jahren unter Aufsicht wurde die StWN zu einem Eigenbetrieb umgestaltet. Davon versprach man sich Unabhängigkeit vom Haushaltsplan und damit eine höhere Flexibilität in der Geschäftsführung.

Allerdings kam die entscheidende Reform erst 20 Jahre später, als der Stadtrat die Werke am 1. Januar 1959 in die drei Einzelgesellschaften StWN, die Energie- und Wasserversorgung Aktiengesellschaft EWAG und die Verkehrsaktiengesellschaft VAG umwandelte. Durch die leitende Position in dem Trio, als sogenannte Organ-Obergesellschaft, wurde die StWN noch im selben Jahr als einziges Unternehmen der Gruppe in das Handelsregister eingetragen.

So entstand das, was heute als „Nürnberger Modell“ bezeichnet wird: die erste Querverbundgesellschaft Deutschlands. In dieser Struktur arbeiten die Tochterunternehmen VAG und EWAG, trotz der aktienrechtlichen Unabhängigkeit, für die Muttergesellschaft. Ganz aus der Hand gab die Stadt ihre Werke aber nicht. So sind sie als Tochterunternehmen der Stadt Nürnberg nach wie vor abhängig von der Stadtpolitik. Oberbürgermeister und Stadtrat entscheiden in Aufsichtsratsgremien gemeinsam mit Vorstand und Geschäftsführung über ihre Geschicke.

Neue Strukturen durch neue Partner

Die Nacht wird zum Tag, Tramhaltestelle Norikerstraße, Nürnberg, Foto: Iris Köckerandl

Mit der voranschreitenden Liberalisierung des Energiemarktes entschieden sich die Fränkischen Überlandwerke FÜW und die EWAG zu einer Verschmelzung der beiden regionalen Energieversorger. Am 30. März 2000 entstand so die N-Ergie Aktiengesellschaft. So bleiben das Unternehmen und damit die Stromversorgung Nürnbergs weiterhin im Einflussbereich des Stadtrates und Oberbürgermeisters.

2004 veräußerte die Stadt Nürnberg, wegen finanzieller Schwierigkeiten, 60 Prozent der Geschäftsanteile der Wohnungsbaugesellschaft Nürnberg an die StWN. So beaufsichtigt sie aktuell die Wasser- und Energieversorgung, den Personennahverkehr und seit 2004 auch einen Teil der regionalen Immobilienwirtschaft. Damit leisten die Stadtwerke nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Versorgung Nürnbergs in vielen Bereichen des täglichen Lebens.

 

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