BADELIEBE-Seife Foto: Sophie Alscher

Aus Traum wird Seifenschaum

Für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen fertigt das Seifenwerk der Lebenshilfe Nürnberg Seife an. Der Beitrag zeigt die Entwicklung von der Produktidee zur regionalen Marke.

Sie sind oft nicht sichtbar, die Minderheiten unserer Gesellschaft. Dazu zählen auch behinderte Menschen, die häufig in Werkstätten eine Beschäftigung finden. Trotzdem weiß man wenig über die Arbeit dort. Die Lebenshilfe Nürnberg möchte das ändern und nach außen sichtbar sein. Deswegen entwickelten die Mitarbeiter*innen ihre eigene Marke „BADELIEBE“, stellen unter dem Namen selbst Seife her und verkaufen diese.

Immer der Nase nach ist wohl ein guter Tipp. Schon vor Betreten der Werkstatt liegt ein fruchtig-süßer Geruch in der Luft. Folgt man der Spur und den ausgelassenen Stimmen durch die Tür, so betritt man einen 80 Quadratmeter großen Raum. Darin steht ein großer Gruppentisch, um den eine 15-köpfige Gruppe sitzt und Verpackungen für die Seifen faltet. „Also wir machen alles mit der Hand“, erklärt Laura stolz. Sie arbeitet hier und legt gerade ein kleines quadratisches Papier, darauf eine Metallschablone, in eine Holzvorrichtung. Ein Papier nach dem anderen knickt sie um die Metallplatte herum und fährt sanft mit dem Zeigefinger über die Faltkante.

An fünf Tagen die Woche stellt das Team aktuell 27 Produkte für den eigens betriebenen online Shop her. Darüber hinaus kann man die Produkte auch in kleinen Kosmetikgeschäften im städtischen Umkreis finden. Das Seifenwerk der Lebenshilfe im Nürnberger Nordwesten hat sich bereits einen kleinen Namen gemacht. Unter Anleitung des Gruppenleiters werden alle Mitarbeiter*innen in die gesamte Wertschöpfungskette miteingebunden. Dazu zählt neben der Herstellung auch Verpackung, Logistik und Vermarktung der Seife. Letzteres passiert zum Beispiel auf dem Instagramkanal „BADELIEBE“.

„Wir müssen das System der Werkstätten für Menschen mit Behinderung hinterfragen (…)“

Die Lebenshilfe Nürnberg will nach außen sichtbar sein und Inklusion leben. Etwas, was die Politikerin Katrin Langensiepen oft vermisst. Die Europaabgeordnete der Grünen hat selbst ein Handicap, engagiert sich deswegen für die Rechte von Behinderten und fordert im Interview mit der taz: „Wir müssen das System der Werkstätten für Menschen mit Behinderung hinterfragen und uns davon verabschieden.“ Argumente dafür sind die schlechte Bezahlung und fehlende Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt.

„Mike ist unser Model, er traut sich vor die Kamera“, sagt Helmut Mackert in der Seifenwerkstatt. Er arbeitet im Vertrieb, hat das Projekt Anfang 2020 ins Leben gerufen und führt die Social-Media-Kanäle, um Kooperationen mit Kunden zu organisieren. Was einst als kleine Idee begann, hat sich heute zu einer richtigen Marke entwickelt. „Wir wollten ein leistbares Produkt, das einfach in der Herstellung ist. Seife passt zu uns, ist nachhaltig und hochwertig“, erklärt Mackert.

Einführung in die Seifenherstellung

Seifengranulat Foto:Sophie Alscher
Seifengranulat Foto: Sophie Alscher

Doch bevor die Seife zu dem wurde, was sie heute ist, war es ein langer Weg. Mit vielen Granulaten hat die Seifengruppe herumexperimentiert, bis sie ich schließlich für eine Basis aus Oliven und Kokos entschieden hat. Davon gibt der Gruppenleiter fünf Haushaltsschaufeln in eine große Blechschüssel. Ingrid holt währenddessen eines der unzähligen ätherischen Öle aus dem Schrank. Sorgfältig gibt sie die zähe Flüssigkeit in einen Messbecher und misst 100 Milliliter ab. Die genaue Komposition des Öls bleibt Betriebsgeheimnis.

Beides vermengt sie unter gleichmäßigem Rühren mit einem Spaten, bis daraus eine klebrig-feuchte Masse wird. Danach gibt sie die Mischung in einen Extruder. „Wir nennen ihn Seifenfleischwolf“, scherzt Emre aus der Seifengruppe. In dem quaderförmigen Gehäuse aus Metall befindet sich eine große Schraube, auch Schneckenpresse genannt, die die dickflüssige Masse unter hohem Druck und Temperatur gleichmäßig aus einer Öffnung presst.

Unter lautem Motorgeräusch vermischt mit einem hochfrequenten Ton, verwandelt sich das Granulat-Ölgemisch in feine spaghetti-ähnliche Stäbe. Zwei Mitarbeiter*innen der Gruppe fahren mit einem Spachtel über die Öffnung und kürzen so die Seifenstäbe. Danach geben sie diese wieder oben in die Öffnung des Extruders und der Vorgang wird drei- bis viermal wiederholt.

Für den letzten Durchgang wechselt der Gruppenleiter den Aufsatz und die Seife kommt als langer Block in ihrer Endform heraus. Bevor die Seife austrocknet, portioniert sie Ingrid mit einem Seifenschneider und prägt im letzten Herstellungsschritt das „BADELIEBE“-Logo ein.

Ressonanz, nicht nur regional

Lebenshilfe Poduktpalette Foto: Sophie Alscher
Lebenshilfe Poduktpalette Foto: Sophie Alscher

„Wir machen auch individuelle Anfertigungen“, sagt Mackert und öffnet eine Schublade. Sie ist voller Stempel von Kunden aus ehemaligen Kooperationen. Besonders stolz sind sie auf die Zusammenarbeit im Zuge der Special Olympics. „Viele kennen nur die Paralympics, an denen Menschen mit körperlicher Behinderung teilnehmen. Die Special Olympics sind das Pendant dazu für Menschen mit geistiger Behinderung“, erklärt Mackert.

Er ist stolz auf die Entwicklung des Projekts. Neben Hartseifen stellt die Seifengruppe der Lebenshilfe auch Flüssigseifen, Hautpflege-Produkte und Seifenhalter her. Die Resonanzen aus dem Umfeld seien durchgehend positiv. Sogar durch die Coronahochzeit seien sie als Werkstatt gut durchgekommen, trotz strenger Auflagen der Regierung.

„Wir versuchen anzuleiten“, betont Mackert „und positive Fähigkeiten zu bestärken.“ Wer will, kann ein „Seifendiplom“ machen. In anderen Gruppen der Lebenshilfe werden zudem Ausbildungen in den Bereichen Gastronomie, Wäscherei und Lager angeboten. Laut Mackert sei die Arbeit für viele gleichzeitig auch eine Peergroup. Es entstünden gruppenübergreifend Freundschaften und Beziehungen.

Ebenso zufrieden wirken die Mitarbeiter*innen. Ausgelassen unterhalten sie sich über Weihnachten, während im Hintergrund Jingle Bells läuft. Alle scheinen zufrieden mit ihrer Arbeit. „Ich mag alles hier, man lernt neue Sachen und Menschen kennen“, sagt Laura.

Von Sophie Alscher

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